Verrechnungspreisdokumentationspflicht und Strafzuschläge unionsrechtlich gerechtfertigt

Tax News 10/2022

Internationales Steuerrecht

Kletterer

Laut einer aktuellen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH 13.10.2022, X GmbH & Co. KG, C-431/21) können Verrechnungspreisdokumentationspflichten (sowie zugehörige Strafzuschläge) selbst dann im Einklang mit EU-Recht stehen, wenn ausschließlich grenzüberschreitende Sachverhalte davon erfasst werden. Inhaltlich entspricht dies im Wesentlichen einer in anderer Rechtssache bereits 2013 ergangenen Entscheidung des deutschen Bundesfinanzhofs (BFH 10.04.2013, I R 45/11, BStBl II 2013, 771). 

1. Verrechnungspreisdokumentation

Verbundene Unternehmen müssen ihre konzerninternen Transaktionen (Lieferungen und Leistungen) für steuerliche Zwecke dokumentieren. In Österreich sind diese Pflichten insbesondere im Verrechnungspreisdokumentationsgesetz (VPDG) und er zugehörigen Verordnung (VPDG-DV) bzw – für kleinere und mittlere Unternehmen – in der BAO (sowie den VPR 2021) verankert. Damit soll gewährleistet werden, dass die Abgabenbehörde die wesentlichen Konzerntransaktionen kennt (Sachverhaltsdokumentation) und deren Fremdüblichkeit beurteilen kann (Angemessenheitsdokumentation). Die Erfüllung dieser Dokumentationspflichten (zB für die Erstellung von Master File, Local File und gegebenenfalls auch Country-by-Country Report) ist aufwändig und mit dementsprechenden Kosten verbunden. Dies ist zweifellos ein konzernspezifischer Nachteil. Darüber hinaus besteht auch insoweit eine Ungleichbehandlung, als Verrechnungspreisdokumentationsvorschriften typischer Weise nur auf grenzüberschreitende Geschäftsvorfälle abzielen.

2. Rechtsauffassung des EuGH

Der Europäische Gerichtshof (vgl EuGH 13.10.2022, X GmbH & Co. KG, C-431/21) hat nun in einer derartigen Ungleichbehandlung eine Beschränkung der unionsrechtlich gewährleisteten Grundfreiheiten (konkret: der Niederlassungsfreiheit gem Art 49 AEUV) erkannt. Denn ansässige Konzerngesellschaften werden dann ungünstiger behandelt, wenn die mit ihnen verbundenen Gesellschaften in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind (dh wenn ein grenzüberschreitender Fall vorliegt). Allerdings hat der EuGH - seiner ständigen Rechtsprechung folgend - darauf hingewiesen, dass eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nicht in jedem Fall gegen Unionsrecht verstoßen muss. Vielmehr können zwingende Gründe des Allgemeininteresses eine solche Beschränkung durchaus rechtfertigen. Im Falle der (hier: deutschen) Verrechnungspreisdokumentationspflichten geht der EuGH davon aus, dass Mitgliedstaaten damit effizienter und präziser prüfen können, ob die Geschäftsvorfälle unter Marktbedingungen abgeschlossen wurden. Dementsprechend sind derartige Anforderungen an die Tax Compliance geeignet, die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungszuständigkeit zwischen den Mitgliedstaaten sicherzustellen. Im Übrigen ist laut EuGH auch nicht ersichtlich, dass die (deutschen) Dokumentationspflichten unverhältnismäßig wären und damit über das hinausgingen, was zur Zielerreichung erforderlich ist. Allerdings hat der VwGH dem vorlegenden Finanzgericht Bremen ins Stammbuch geschrieben, es möge im fortgesetzten Verfahren prüfen, ob die konkreten (deutschen) Dokumentationsanforderungen in der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungs-Verordnung (GAufzV) nicht zu übermäßigen Verwaltungszwängen für den Steuerpflichtigen führen können. Abschließend hält der EuGH fest, dass auch Strafzuschläge für die nicht ordnungsgemäße Erfüllung der Dokumentationspflicht (im konkreten Fall eine Hinzurechnung in Höhe von 5 bis 10 % des Hinzurechnungsbetrages gem § 160 Abs 4 der deutschen AO) nicht als unverhältnismäßige Sanktion zu qualifizieren sind. Dementsprechend können auch Transfer Pricing Penalties mit Unionsrecht vereinbar sein.

3. Auswirkungen auf die Praxis

Die Entscheidung des EuGH macht klar, dass Verrechnungspreisdokumentationspflichten (samt Strafzuschlägen) grundsätzlich auch dann mit EU-Recht in Einklang stehen, wenn davon nur grenzüberschreitende Sachverhalte erfasst werden. In diesen Fällen liegt zwar eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vor, diese kann jedoch gerechtfertigt werden. In diesem Sinne ist davon auszugehen, dass auch die in Österreich bestehende Verpflichtung zur Dokumentation von Verrechnungspreisen dem Grunde nach unionsrechtlich zulässig ist. Allerdings ist damit noch nicht abschließend geklärt, ob auch alle konkreten Anforderungen an Art, Inhalt und Umfang der zu erstellenden Aufzeichnungen verhältnismäßig sind. Insoweit könnten durchaus einzelne Anforderungen (etwa der VPDG-DV) gegen Unionsrecht verstoßen.

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