BFG zur finanzstrafrechtlichen Verantwortung des Co-Geschäftsführers bei faktischer Geschäftsverteilung

Tax News 12/2021

Finanzstrafrecht

Kletterer

Nach der Rechtsprechung des BFG ist auch eine lediglich faktische Geschäftsverteilung, die niemals verschriftlicht wurde, im Rahmen einer finanzstrafrechtlichen Beurteilung beachtlich. Im konkreten Fall konnte die nicht mit den Abgabenangelegenheiten betraute Geschäftsführerin betreffend eine Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen finanzstrafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden, da eine Geschäftsverteilung faktisch gegeben war und daher ein vorsätzliches Handeln nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden konnte.

1. Sachverhalt: Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen

Die B-GmbH hatte zwei Geschäftsführer: A und C. A war lediglich als „Reservegeschäftsführerin“ tätig für den Fall, dass C aus dem Unternehmen ausscheiden sollte. Beide Geschäftsführer verfügten über keine einschlägigen Erfahrungen im Rechnungswesen. Mit den diesbezüglichen Aufgaben wurde ein Steuerberater betraut.

A lebte in Deutschland, arbeitete von dort aus und war damit in Salzburg nicht verfügbar. Aus diesem Grund oblag es C, die Belege für die Buchhaltung zu sammeln und dem Steuerberater zu übermitteln. Das Rechnungswesen oblag der alleinigen Betreuung durch C. Hingegen hatte A keine Berührungspunkte mit dem Steuer- und Rechnungswesen – den Steuerberater sah A einmal jährlich bei der Unterzeichnung des Jahresabschlusses.

Vorwurf gegenüber A: vorsätzliche Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen.

2. Spruchsenat: Tatsächliche Geschäftsverteilung gegeben

Nach Einschätzung des Spruchsenats brachte A glaubhaft vor, dass sie lediglich als Ersatzgeschäftsführerin vorgesehen war, wenn der Geschäftsführer C ausfallen sollte. Damit sei von einer tatsächlichen – wenn auch nicht ausdrücklichen – Geschäftsverteilung in Bezug auf die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen auszugehen. A sei für die Entrichtung der Umsatzsteuer nicht verantwortlich gewesen. Gegen die Einstellung des Finanzstrafverfahrens erhob der Amtsbeauftragte Beschwerde.

3. BFG: Keine finanzstrafrechtlichen Konsequenzen für „Reservegeschäftsführerin“

Das BFG (BFG 5.7.2021, RV/6300014/2019) weist die Beschwerde des Amtsbeauftragten als unbegründet ab. Zwar kommt A aufgrund ihrer Eigenschaft als im Firmenbuch eingetragene unternehmensrechtliche Geschäftsführerin grundsätzlich als finanzstrafrechtlich Verantwortliche in Betracht. Jedoch verneinte das BFG aufgrund der tatsächlich gelebten Geschäftsverteilung ein vorsätzliches Handeln von A: „Wer seinen Kontrollaufgaben als Geschäftsführer nicht entspricht, hat […] allenfalls die ihm gebotene, mögliche und zumutbare handelsrechtliche Sorgfalt verletzt, vermindert aber […] mit seiner Unzulänglichkeit auch die Wahrscheinlichkeit, im Zuge einer (tatsächlich fehlenden) Überwachung der Geschäftstätigkeit seines Mitgeschäftsführers dessen Nichtvorlage von Rechnungen bzw. Nichtbekanntgabe von Geschäftsfällen und Anzahlungen gegenüber dem Steuerberater zu entdecken.

Mangels Vorsatzes von A kann diese für eine Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen finanzstrafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden: Denn beide Spezialtatbestände für UVA-Delikte verlangen zumindest vorsätzliches Handeln (vgl §§ 33 Abs 2 lit a und § 49 Abs 1 lit a FinstrG). Da das FinStrG für Abgabenverkürzungen iZm UVAs kein Fahrlässigkeitsdelikt vorsieht, ist eine allfällige abgabenrechtliche Sorglosigkeit von A finanzstrafrechtlich unbeachtlich.

3. Conclusio

Nach der Rechtsprechung des BFG ist im Rahmen einer finanzstrafrechtlichen Beurteilung auch eine lediglich faktische Geschäftsverteilung zu beachten: Liegt eine Geschäftsverteilung tatsächlich vor, beschränkt sich ein mögliches Verschulden des nicht mit den Abgabenangelegenheiten betrauten Geschäftsführers in der Regel auf ein bloßes Kontroll- oder Überwachungsverschulden. Somit kann eine Geschäftsverteilung den für die Abgabenangelegenheiten nicht zuständigen Geschäftsführer gänzlich exkulpieren, wenn für ihn kein Anlass zur Annahme bestand, dass der zuständige Geschäftsführer die ihm zugewiesenen Abgabepflichten nicht oder nicht vollständig erfülle.

Um für den Ernstfall eine Diskussion des Umfanges von einzelnen Verantwortungsbereichen vermeiden zu können, empfiehlt es sich eine interne Geschäftsverteilung durch Gesellschaftsvertrag, Gesellschafterbeschluss oder Vereinbarung der Geschäftsführer eindeutig schriftlich zu dokumentieren.

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