Anteilsbasierte Vergütungsprogramme sind mittlerweile fester Bestandteil eines wettbewerbsfähigen Vergütungspaketes, unabhängig von Branche und/oder der Unternehmensgröße. Neben offensichtlichen Unterschieden in der Programmausgestaltung – beispielsweise bei der Wahl etwaiger Performance Conditions oder der Begrenzung des maximal erzielbaren Gewinnes (Cap) – lassen sich auch Unterschiede in der Art und Weise, wie und insbesondere wann die gewährten Ansprüche über die Programmlaufzeit erdient werden (sogenanntes „Vesting“), erkennen.

Während große Konzerne aus den deutschen Indizes üblicherweise auf ein lineares Vesting – das heißt, dass alle gewährten Instrumente einer Ausgabe („Grants“) denselben Erdienungszeitraum haben – setzen, ist bei jüngeren Unternehmen eine Graded Vesting Struktur – das heißt, die Erdienung der Instrumente eines Grants erfolgt „gestaffelt“ im Zeitablauf – häufiger anzutreffen. Ökonomisch erscheint dies in jedem Fall sinnvoll, da bei jungen, in der Regel mit begrenzten ökonomischen Ressourcen ausgestatteten Unternehmen – eine fortlaufende Erdienung als Gehaltsbestandteil einen ganz anderen Stellenwert für den/die Mitarbeiter/in (abseits von Vorständen und Gründern) hat, als es beispielsweise bei einem DAX40-Konzern der Fall ist.

Unabhängig von der ökonomischen Sinnhaftigkeit der gewählten Erdienungssystematik ist es für Unternehmen gleichwohl von Bedeutung, die Struktur auch bilanziell in angemessener Weise abbilden zu können. So wird im für die Abbildung von anteilsbasierten Vergütungsprogrammen einschlägigen Standard „IFRS 2 Share based Payments“ unter anderem in die beiden oben genannten Fälle eines linearen und eines graded vesting unterschieden (siehe IFRS 2.15, IFRS 2.19, IFRS 2. IG11)1. In der Praxis zeigt sich jedoch regelmäßig, dass die Abgrenzung der beiden hier genannten Systematiken nicht immer auf der Hand liegt und eine Abhängigkeit zu den Ausführungen etwaiger Leaver-Regeln oder Waiting Perioden besteht. Aus diesem Grund werden im Folgenden die beiden Vorgehensweisen beispielhaft dargestellt und potenzielle Stolpersteine aufgezeigt.

Linear Vesting

Bei einem linearen Vesting werden alle gewährten Instrumente zu demselben Zeitpunkt unverfallbar. Für diesen Fall sieht der IFRS IG 2.IG Example 1A vor, den Aufwand für alle zu erdienenden Anteile gleichmäßig über den Erdienungszeitraum, die sogenannte „Vesting Period“, zu verteilen Bei einem vorzeitigen Ausscheiden des Mitarbeiters verliert dieser vollständig seinen Anspruch, auch auf bereits „rechnerisch“ erdiente Anteile. Folglich tritt also stets ein sogenanntes „Bad Leaver“ Event ein. 

Die Abbildung eines solchen linearen Vestings wird durch das nachfolgende Beispiel verdeutlicht2:

Ein Unternehmen gewährt zu Beginn des Geschäftsjahres jedem seiner 500 Mitarbeiter 100 Aktienoptionen. Der Eintritt der Unverfallbarkeit ist an die Bedingung geknüpft, dass der Mitarbeiter in den nächsten drei Jahren für das Unternehmen arbeitet. Das Unternehmen schätzt den beizulegenden Zeitwert jeder Aktienoption zum Zeitpunkt der Gewährung auf 15 Werteinheiten (WE). Buchhalterisch werden die gewährten Aktienoptionen wie folgt abgebildet: 

Jahr Aufwand im Geschäftsjahr Kumulierter Vergütungsaufwand
1 250.000 250.000
2 250.000 500.000
3 250.000 750.000

 

Die Aufwandsermittlung folgt der folgenden Systematik:

Je Jahr werden 12 von den insgesamt 36 Monaten, somit 1/3 des Aufwands (500*100*15*1/3) erfasst. 

Graded Vesting

Liegt einem anteilsbasierten Vergütungsprogramm hingegen ein Graded Vesting zugrunde, so tritt die Unverfallbarkeit der gewährten Instrumente in Plan-individuell vorgegebenen Tranchen bzw. zu unterschiedlichen Zeiträumen ein. Der Mitarbeiter behält also bereits einen Teil der gewährten Ansprüche, selbst wenn er vor dem Ende des 3-jährigen Erdienungszeitraumes das Unternehmen verlässt. Für das obige Beispiel könnte eine entsprechende Staffelung beispielsweise folgendermaßen ausgestaltet sein:

  • 1/3 der gewährten Ansprüche werden 12 Monate nach Zuteilung unverfallbar (Cliff-Vesting)
  • Je weiterem Quartal, in dem der Mitarbeiter im Unternehmen arbeitet, werden jeweils weitere 1/6 der Ansprüche unverfallbar 

Unter Berücksichtigung des IFRS 2.IG11 ergeben sich so 5 separat abzubildende Tranchen (12 M + 2 Halbjahre *2 Jahre) ebenfalls mit einem Grant Date Fair Value von 15 WE3. Unter Anwendung des Graded Vesting Ansatzes auf das oben dargestellte Beispiel ergeben sich die im Folgenden dargestellten Aufwendungen:

Jahr Aufwand im Geschäftsjahr Kumulierter Vergütungsaufwand
1 487.500 487.500
2 195.833 683.333
3 66.667 750.000

 

Folgende Aufwandsermittlung liegt dem zu Grunde:

(in EUR) 12 Monate 18 Monate 24 Monate 30 Monate 36 Monate Vergütungs-
aufwand
1. Tranche 250.000         250.000
2. Tranche 83.333 41.667       125.000
3. Tranche 62.500 31.250 31.250     125.000
4. Tranche 50.000 25.000 25.000 25.000   125.000
5. Tranche 41.667 20.833 20.833 20.833 20.833 125.000
Total 487.500 118.750 77.083 45.833 20.833 750.000

 

Die Aufwandsermittlung folgt der folgenden Systematik:

Die Tranche 1 beinhaltet mit 12 von den insgesamt 36 Monaten 1/3 des Aufwands (500*100*15*1/3). Die darauffolgenden Tranchen beinhalten 1/6 des Gesamtaufwandes und sind individuell analog ihrer Laufzeiten zu verteilen.  

Es wird deutlich, dass ein sogenanntes Front End Loading stattfindet, also zu Beginn ein deutlich höherer Aufwand zu bilanzieren ist als es im Vergleich zum linearen Vesting der Fall wäre. Aus ökonomischer Sicht wird also im Rahmen der Aufwandsverteilung berücksichtigt, dass der/die Mitarbeiter/in im zweiten Fall bereits früher über die gewährten Ansprüche verfügen kann. 

Doch nicht immer ist die Ausgestaltung der Erdienungsstruktur so eindeutig. Insbesondere der Definition eines sogenannten „Bad Leavers“ sollte im Rahmen der Plananalyse besondere Beachtung geschenkt werden:

  • Fall 1: Die Bad Leaver Regelung besagt, dass Mitarbeiter, die vor vollständigem Ablauf der Vesting Periode (in unserem Beispiel 3 Jahre) das Unternehmen verlassen, alle gevesteten und nicht-gevesteten Anteile verliert
  • Fall 2: Die Bad Leaver Regelung besagt, dass Mitarbeiter, die vor vollständigem Ablauf der Vesting Periode (in unserem Beispiel 3 Jahre) das Unternehmen verlassen, alle unausgeübten Anteile verliert, aber die Ausübungsperiode erst nach dem Ende der Vesting Periode beginnt
  • Fall 3: Eine weitere, mögliche Ausgestaltung der Bad Leaver Regelung besteht in der Verknüpfung des Totalverlustes aller Anteile bei Eintritt bestimmter Ereignisse innerhalb der Vesting Periode, beispielsweise der Wechsel von Mitarbeitern zu einem Wettbewerber

Für alle genannten Fälle sorgt die Bad Leaver Regelung – trotz der zunächst vorgesehenen unterschiedlichen Vesting Periods für die einzelnen Tranchen – dafür, dass der Aufwand dennoch linear zu erfassen ist. Hintergrund ist, dass der IFRS 2.A „to vest“ so definiert, dass der im Rahmen einer anteilsbasierten Vergütungsvereinbarung gewährte Anspruch nicht mehr von der Erfüllung etwaiger Ausübungsbedingungen abhängig ist. Folglich müssen die Anteile des Mitarbeiters unbedingt erdient sein. Das Fortbestehen einer Bedingung, an die der Erhalt der Anteile nach vermeintlich vollständigem Vesting geknüpft ist, führt hier dazu, dass eben doch lineares Vesting vorliegt. Immer wieder werden diese Klauseln bilanziell nicht korrekt interpretiert und der Aufwand somit nicht korrekt erfasst. 

Egal welchen Komplexitätsgrad Ihr anteilsbasiertes Vergütungsprogramm aufweist, wir verfügen über langjähriges Know-How in den Bereichen Programmdesign, Bilanzierung und Bewertung sowie ökonomischer Impact-Analysen und verfügen über die passenden Methoden und Tools, um Sie individuell zu unterstützen!

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 116, November 2021
Autoren: Ralph Schilling, CFA, Partner, Head of Finance and Treasury Mangement, KPMG AG; Marie Czentarra, Managerin, Finance and Treasury Mangement, KPMG AG

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1 Es kann auch Fälle mit anderer Verteilungssystematiken geben (siehe beispielsweise 6.4.30 im SBP Handbook „compelling evidence“).
2 Annahme: Leaver Rate = 0%
Annahme: Der Ausübungszeitraum ist derselbe, wie beim Linear Vesting, wodurch es keine Abweichungen im Fair Value und auch nur einen Fair Value gibt.