Schon während der Vorverhandlungen im Rahmen eines Unternehmenskaufs sollten beide Seiten große Sorgfalt walten lassen. Denn vor dem Start der Due Diligence können in Bezug auf den Kaufpreis Pflöcke eingeschlagen werden, die später oftmals nur schwer zu korrigieren sind. 

Was während der LOI-Verhandlungen zu beachten ist

Bevor Erwerber und Verkäufer eines Unternehmens einen Kaufvertrag abschließen, wird in der Regel ein sogenannter Letter of Intent (auch „LOI“ oder Absichtserklärung genannt) unterzeichnet. Unter dem Begriff werden im Rechtswesen Willenserklärungen verstanden, die das Interesse an Verhandlungen oder am Abschluss eines Kaufvertrags bekunden sollen. 

Dieser LOI regelt nicht nur die Rahmenbedingungen, Voraussetzungen und den Zeitplan bis zum Abschluss eines Kaufvertrags. Die Absichtserklärung nennt auch einen vorläufigen Kaufpreis, der in fast jedem Fall nach einer Due Diligence – also der Analyse des zu erwerbenden Unternehmens unter anderem aus finanzieller, steuerlicher und rechtlicher Sicht – angepasst wird. 

Hierbei sehen wir in der Praxis immer wieder Vereinbarungen im LOI, die zu Missverständnissen und im Rahmen der finalen Kaufvertragsverhandlungen zu Kompromissen und im schlimmsten Fall zum Scheitern der Transaktion führen können. Im Folgenden skizzieren wir ausgewählte Fälle.

„Cash- und Debt-Free“-Basis

Oft hören wir von Verkäufern, dass ihr Unternehmen, abgesehen von Bankkrediten, keine Schulden hat. Was bedeutet es also, wenn der im LOI genannte Kaufpreis von beispielsweise 100 Millionen Euro auf einer „Cash- und Debt-Free“-Basis bestimmt werden soll? 

Sollte das Unternehmen keine Kassenbestände und Schulden in der Bilanz ausweisen, ist der genannte Kaufpreis der Preis, der von den Käufern an die Verkäufer geleistet wird. Gibt es einen Kassenbestand oder Guthaben auf dem Bankkonto, so erhöhen sie den Kaufpreis, Schulden senken ihn. 

Das Unternehmen hat unter Umständen keinen Kredit aufgenommen, aber „Debt“ heißt in der Praxis mehr als Kredit. Es handelt sich nicht nur um alle verzinslichen Verbindlichkeiten (neben Bankkrediten oder Gesellschafterdarlehen wie Pensionsverbindlichkeiten). Als „Debt“ gelten auch außergewöhnliche Rückstellungen und Verbindlichkeiten (etwa aus Rechtsstreitigkeiten und Restrukturierungsmaßnahmen), die die Käufer in der Regel zum Abzug bringen möchten. 

Auch gewinnabhängige Steuerschulden (als Rückstellung oder Verbindlichkeit in der Bilanz ausgewiesen) reduzieren  - das ist gelebte Praxis  - den Kaufpreis. So kommen unter Umständen mehrere Millionen Euro zum Abzug, die im ersten Augenblick nichts mit der Verschuldung im täglichen Sprachgebrauch gemein haben. 

Normales Niveau an Nettoumlaufvermögen

Im Letter of Intent steht oftmals, dass die Parteien von einem normalen Niveau an Nettoumlaufvermögen ausgehen. Das heißt: Der Kaufpreis wird angepasst, wenn der aktuelle Wert des Nettoumlaufvermögens zum Zeitpunkt des rechtlichen Übergangs des Unternehmens von dem Referenzwert abweicht, den die beiden Parteien im Kaufvertrag festlegen. Der aktuelle Wert ergibt sich aus der Bilanz, die zum Übergangsstichtag aufgestellt wird. 

Zwischen dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Kaufvertrags und dem des rechtlichen Übergangs können teilweise Wochen, wenn nicht gar Monate liegen. Ist der aktuelle Wert am Übergangsstichtag höher als der Referenzwert, so erhöht sich der Kaufpreis – und umgekehrt. 

Gerade bei einem saisonalen Geschäftsverlauf oder bei stark wachsenden Unternehmen kann es zu großen Abweichungen zwischen dem aktuellen Wert und dem vereinbarten Referenzwert kommen. Während sich die Käufer im Rahmen der Due Diligence intensiv mit dem Zahlenwerk des Unternehmens beschäftigen, sehen wir Verkäufer, die unvorbereitet in diese Verhandlungen zum Referenzwert gehen. Auch Verkäufer sollten sich intensiv mit der Definition von Nettoumlaufvermögen und dem saisonalen Verlauf auseinandersetzen.

Nichtberücksichtigung von Bilanzposten

Aber auch Käufer sollten aufpassen: Wir haben gerade in Zeiten des verkäuferfreundlichen Transaktionsmarkts erlebt, dass während der LOI-Verhandlungen teilweise intensiv über die Details der Kaufpreisformel diskutiert wird und Vereinbarungen geschlossen werden, die im Rahmen der finalen Kaufvertragsverhandlungen nicht mehr rückgängig zu machen sind. 

Hier drei typische Beispiele: 

  • Es wurden gewisse Rückstellungen und Verbindlichkeiten definiert, die nicht zum Kaufpreisabzug herangezogen werden sollten, obwohl sie Schuldcharakter hatten. Das heißt, dass Käufer die entsprechenden Zahlungen leisten müssen. 
  • Eine Kaufpreisanpassung wurde für überfällige Forderungen definiert, dies schloss aber nichteinbringliche Forderungen aus, die innerhalb des Fälligkeitszeitraums lagen. Ungünstig also, wenn Kunden kurzfristig Insolvenz anmelden müssen. 
  • Latente Steuerforderungen („Deferred Tax Assets“) sollten unberücksichtigt bleiben, obwohl diese kurzfristig liquidierbar waren. 

Der Anlagedruck von Geldern mag hoch sein, aber Käufer sollten sich nicht in eine Situation hineinmanövrieren, die sie Geld kosten. So gut es geht, sollten sie sich alle Optionen offenhalten, bis das Informationsungleichgewicht aufgehoben wird.

Was ist also zu tun?

Um Überraschungen zu vermeiden, sollten insbesondere Verkäufer die folgenden drei Punkte beachten:

Erstens: Verstehen Sie, was die kaufpreisspezifischen Begriffe im LOI (also aus Transaktionssicht) wirklich bedeuten. Wenn Sie ein unerfahrener Verkäufer sind (welcher Unternehmer verkauft sein Unternehmen schon mehr als einmal) gilt, holen Sie sich professionelle Unterstützung.

Zweitens: Kennen Sie Ihre eigenen Zahlen. Je größer und komplexer das Unternehmen ist, das veräußert werden soll, desto intensiver sollten Sie darüber nachdenken, ob Sie in Vorleistung gehen und eine sogenannte verkäuferinduzierte Due Diligence anstoßen.

Drittens: Verhandeln Sie nur Dinge, die Sie kennen.