Umsetzung der arbeitsrechtlichen EU-Transparenzrichtlinie

Tax Personnel News 02/2024

Tax Personnel News 02/2024

Der Gesetzgeber hat in Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie insbesondere im AVRAG und im ABGB erweiterte Arbeitgeber:innen-Informationspflichten (Dienstzettelinhalte), ein „Recht auf Mehrfachbeschäftigung“, ein „Recht auf Aus-, Fort- und Weiterbildung“ sowie einen Motivkündigungsschutz und ein Benachteiligungsverbot geschaffen. Das Paket ist am 28. März 2024 in Kraft getreten und betrifft insbesondere ab diesem Datum neu abgeschlossene Arbeitsverträge bzw. freie Dienstverträge. Aufgrund der Änderungen im Zusammenhang mit dem Dienstzettel wird sich in aller Regel Überarbeitungsbedarf für Dienstzettel- bzw. Arbeitsvertragsmuster sowie auch für freie Dienstverträge ergeben.

1. Überblick

KPMG Law (Bereich Arbeitsrecht/Immigration) hat bereits auf Basis des Nationaratsbeschlusses vom 28. Februar 2024 einen zweiteiligen Überblick (Teil 1Teil 2) über die neuen Bestimmungen gegeben, welcher auch diesem TPN zu Grunde liegt. Nunmehr ist die Gesetzwerdung abgeschlossen (BGBl I 2024/11) und stehen die neuen Bestimmungen ab 28. März 2024 in Geltung. Dieser Stichtag ist insbesondere für die erweiterten Vorgaben für Dienstzettel wesentlich, die für ab diesem Tag beginnende neue Dienstverhältnisse bzw. wohl auch anlässlich Vertragsänderungen von bereits laufenden Dienstverhältnissen zu beachten sind.

Der österreichische Gesetzgeber setzt mit diesem Änderungspaket die Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (hier kurz „Transparenzrichtlinie“) um, die unter anderem (erweiterte) Informationspflichten für den Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmer:innen vorsieht. Die Mindestinhalte der Informationspflichten wurden ebenso erweitert wie die Rechtsfolgen, wenn den Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Dienstzettel nicht ausreichend nachgekommen wird.

Weitere Änderungen betreffen ein „Recht auf Mehrfachbeschäftigung“, ein „Recht auf Aus-, Fort- und Weiterbildung“ sowie Kündigungsschutz und Benachteiligungsverbote in diesem Zusammenhang.

2. Informationspflichten der Arbeitgeber:innen

Auch bisher bestand für Arbeitgeber:innen die Verpflichtung, ihren Arbeitnehmer:innen anlässlich

  • der Begründung des Arbeitsverhältnisses,
  • eines Auslandseinsatzes mit einer Dauer von mehr als einem Monat,
  • der Änderung gewisser Arbeitsbedingungen

einen Dienstzettel, Auslandsdienstzettel oder Änderungsdienstzettel auszustellen (§ 2 AVRAG).

Diese Verpflichtung besteht dann nicht, wenn ein schriftlicher Arbeitsvertrag, eine schriftliche Entsendevereinbarung oder eine schriftliche Änderungsvereinbarung (mit sämtlichen Mindestinhalten des Dienstzettels, Auslandsdienstzettels, Änderungsdienstzettels) abgeschlossen wurde.

An dieser Systematik ändert sich auch weiterhin nichts: Die Dienstzettelinhalte müssen entweder in einem Arbeitsvertrag (oder einer sonstigen Vereinbarung) schriftlich vereinbart oder in einem Dienstzettel schriftlich festgehalten werden.

Die Dienstzettelpflicht bestand schon bislang nicht nur für echte Arbeitnehmer:innen, sondern auch für (gewisse) freie Dienstnehmer:innen, nämlich jene i.S.d. § 4 Abs. 4 ASVG. Auch für diese ändern sich aber nunmehr die Dienstzettel-Mindestinhalte (§ 1164a ABGB).

3. Erweiterung der Mindestinhalte des Dienstzettels und Auslandsdienstzettels

Die Mindestinhalte des Dienstzettels wurden mit Stichtag 28. März 2024 um die folgenden inhaltlichen Punkte erweitert:

  • Hinweis auf das einzuhaltende Kündigungsverfahren
  • Sitz des Unternehmens
  • (kurze) Beschreibung der zu erbringenden Arbeitsleistung
  • Vergütung von Überstunden
  • Art der Auszahlung des Entgelts
  • Angaben zu den Bedingungen für die Änderung von Schichtplänen (sofern zutreffend)
  • Name und Anschrift des:der Trägers:Trägerin der Sozialversicherung
  • Dauer und Bedingungen der vereinbarten Probezeit
  • Anspruch auf eine von den Arbeitgeber:innen bereitgestellte Fortbildung (sofern ein solcher Anspruch besteht)

Auch die Mindestinhalte eines Auslandsdienstzettels gem. § 2 Abs. 3 AVRAG wurden erweitert: Ein solcher Auslandsdienstzettel ist immer dann auszustellen, wenn der:die Arbeitnehmer:in seine:ihre Tätigkeit länger als einen Monat im Ausland verrichten soll.

4. Neue Frist zur Ausstellung eines Änderungsdienstzettels

Ändern sich die Inhalte des Dienstzettels, ist ein Änderungsdienstzettel auszustellen. Ein solcher war nach der bisher geltenden Rechtslage unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb eines Monats ab Wirksamwerden der Änderung auszustellen. Die Neuregelung in § 2 Abs. 6 AVRAG sieht vor, dass solche Änderungsdienstzettel spätestens am Tag ihres Wirksamwerdens mitzuteilen sind. Von der Verpflichtung zur Ausstellung eines Änderungsdienstzettels bestehen allerdings weiterhin gewisse Ausnahmen (insb. Änderungen, die sich ausschließlich und unmittelbar aus der dienstzeitabhängigen Vorrückung im kollektivvertraglichen Gehaltsschema ergeben).

5. Übermittlung des Dienstzettels

Eine Neuerung betrifft auch die Art der Übermittlung des Dienstzettels (inkl. Auslands- und Änderungsdienstzettel): Wie bisher ist dieser schriftlich auszustellen, er kann aber nunmehr auch – nach Wahl des:der Arbeitnehmers:in – in elektronischer Form übermittelt werden. Nach dem Gesetzeswortlaut (§ 2 Abs. 1 AVRAG) kann somit die Übermittlungsform nicht durch die Arbeitgeber:innen einseitig festgelegt werden.

6. Rechtsfolgen bei Verletzung der Dienstzettelpflicht

Neu sind auch die folgenden Rechtsfolgen für den Fall, dass kein Dienstzettel ausgestellt wird:

  • Stellt der:die Arbeitgeber:in keinen Dienstzettel bzw. Auslandsdienstzettel aus, drohen Verwaltungsstrafen zwischen EUR 100 und EUR 436. Der Strafrahmen erhöht sich auf EUR 500 bis EUR 2.000, wenn mehr als fünf Arbeitnehmer:innen betroffen sind oder innerhalb von drei Jahren eine neuerliche Übertretung vorliegt. Die Verwaltungsstrafe wird dabei aber nicht je betroffenem:r Arbeitnehmer:in kumuliert. Nach Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens hat die Bezirksverwaltungsbehörde von der Verhängung einer Geldstrafe abzusehen, wenn der:die Arbeitgeber:in dem:der Arbeitnehmer:in zwischenzeitlich nachweislich einen Dienstzettel ausgehändigt hat und das Verschulden des:der Arbeitgebers:in gering ist.

    Die neue Verwaltungsstrafe für das Nichtausstellen eines Dienstzettels betrifft das Nichtausstellen an sich, u.E. aber nicht das Fehlen eines einzelnen der mittlerweile 15 Mindestinhalte, die teilweise neu, teilweise ergänzt wurden.
  • Für den Fall, dass der:die Arbeitnehmer:in die Ausstellung eines Dienstzettels verlangt und deshalb gekündigt wird, kommt dem:der Arbeitnehmer:in ein Recht zur Kündigungsanfechtung zu (Motivkündigungsschutz gem. § 15 Abs. 1 AVRAG). Vorab zur Kündigungsanfechtung kann der:die Arbeitnehmer:in vom:der Arbeitgeber:in eine schriftliche Begründung für die Kündigung verlangen, welche vom:der Arbeitgeber:in binnen fünf Kalendertagen auszustellen ist. Die Nichtausstellung einer schriftlichen Begründung ist allerdings für die Rechtswirksamkeit der Beendigung an sich ohne Belang.
  • Abgesehen von der Kündigung darf der:die Arbeitnehmer:in auch sonst im Arbeitsverhältnis aufgrund der Geltendmachung des Anspruchs auf einen Dienstzettel (Auslandsdienstzettel, Änderungsdienstzettel) nicht benachteiligt werden.

7. Recht auf Mehrfachbeschäftigung

Künftig haben Arbeitnehmer:innen einen gesetzlichen Anspruch darauf, mit mehreren Arbeitgeber:innen Arbeitsverhältnisse einzugehen („Recht auf Mehrfachbeschäftigung“ gem. § 2i AVRAG).

Arbeitgeber:innen können im Einzelfall allerdings verlangen, dass der:die Arbeitnehmer:in eine Beschäftigung in einem weiteren Arbeitsverhältnis unterlässt. Dies ist aber nur dann zulässig, wenn die Beschäftigung in einem weiteren Arbeitsverhältnis (i) mit arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen nicht vereinbar ist oder (ii) für die Verwendung im bestehenden Arbeitsverhältnis abträglich ist.

In Bezug auf arbeitszeitrechtliche Gründe ist vor allem an die gesetzlichen Höchstarbeitszeitgrenzen und Mindestruhepausen zu denken. Eine Nebenbeschäftigung könnte z. B. dann für das bestehende Arbeitsverhältnis abträglich sein, wenn sie zu einer Gesundheitsgefährdung des:der Arbeitnehmers:in führen kann oder die Gefahr der Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen besteht.

Im Zusammenhang mit einer Mehrfachbeschäftigung haben Arbeitnehmer:innen jedenfalls das Konkurrenzverbot nach dem Angestelltengesetz zu beachten. Dort wird in einem überarbeiteten § 7 AngG auch ausdrücklich klargestellt, dass Arbeitnehmer:innen ohne entsprechende Bewilligung des:der Arbeitgebers:in weder ein selbstständiges kaufmännisches Unternehmen betreiben noch im Geschäftszweig des:der Arbeitgebers:in für eigene oder fremde Rechnung Handelsgeschäfte machen dürfen.

8. Aus-, Fort- und Weiterbildung

Jene Aus-, Fort- und Weiterbildungen, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages eine rechtliche Voraussetzung für die Ausübung der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit darstellen, sind gem. § 11b AVRAG ausdrücklich als Arbeitszeit zu qualifizieren. Zudem sind die Kosten für derartige Aus-, Fort- und Weiterbildungen durch den:die Arbeitgeber:in zu tragen, sofern diese nicht durch Dritte getragen werden.

Offen erscheint, was die neuen Kostentragungs-Regelung für Aus-, Fort- und Weiterbildung für die – aktuell unverändert gebliebenen – Vorgaben aus § 2d AVRAG hinsichtlich Vereinbarungen über die Rückzahlung von Ausbildungskosten im Fall gewisser Beendigungen des Dienstverhältnisses bedeuten.

9. Kündigungsschutz und Benachteiligungsverbot

Begleitet werden die Neuregelungen zur Mehrfachbeschäftigung bzw. zur Aus-, Fort- und Weiterbildung ebenfalls durch einen Motivkündigungsschutz (§ 15 Abs. 1 AVRAG) sowie ein Benachteiligungsverbot (§ 7 AVRAG). Kündigungen sind auf Verlangen des:der gekündigten Arbeitnehmers:in auch in diesem Zusammenhang schriftlich zu begründen, wobei aber die Nicht-Übermittlung einer Begründung für die Rechtswirksamkeit der Beendigung ohne Belang ist.

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