Unternehmereigenschaft eines Mitglieds des Verwaltungsrats einer luxemburgischen Aktiengesellschaft

Tax News 2/2024

Umsatzsteuer

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Der EuGH hat sich im Urteil vom 21. Dezember 2023, C-288/22, TP Administration de l‘Enregistrement, mit der Frage, ob eine Tätigkeit eines Mitglieds des Verwaltungsrats einer AG gegen Entgelt als selbstständige und wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen ist, beschäftigt.

Sachverhalt

Der Rechtsanwalt TP (im Folgenden kurz: TP) ist Mitglied des Verwaltungsrates mehrerer Aktiengesellschaften nach luxemburgischem Recht. Seine Tätigkeit besteht insbesondere darin, Berichte von Führungskräften oder Vertretern der Gesellschaften entgegenzunehmen, strategische Vorschläge, Entscheidungen der operativen Führungskräfte, Probleme i. Z. m. der Rechnungslegung dieser Gesellschaften und ihrer Tochtergesellschaften sowie die für sie bestehenden Risiken zu erörtern.

Aufgrund dieser Tätigkeiten erhält TP in seiner Eigenschaft als Mitglied des Verwaltungsrats durch Beschluss der Hauptversammlungen der Aktionäre der Gesellschaften Tantiemen aus dem von den Gesellschaften erzielten Gewinn. Die Vergütung wird zum Teil auch in Form eines Pauschalbetrages geleistet. TP stuft seine Verwaltungsratstätigkeit als nichtselbständig ein, während das Finanzamt die Selbständigkeit und damit die Umsatzsteuerpflicht bejahte und einen Mehrwertsteuerbescheid 2019 erließ, gegen den TP Beschwerde erhob.

Das vorlegende Gericht legte dem EuGH zusammengefasst die Fragen vor, ob eine natürliche Person, die Mitglied des Verwaltungsrates einer Aktiengesellschaft nach luxemburgischen Recht ist, eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübe und ob eine solche Tätigkeit selbständig i. S. d. Art. 9 und 10 MwStSyst-RL ausgeübt werde.

Der EuGH führt zur Frage des Vorliegens einer wirtschaftlichen Tätigkeit eingangs aus, dass TP eine Dienstleistung i. S. d. MwStSyst-RL erbringt, fraglich ist jedoch, ob diese gegen Entgelt erfolgt, also ob die Tantieme bzw. der Pauschalbetrag als Gegenleistung angesehen werden können. Dabei verweist der EuGH auf seine ständige Rechtsprechung, wonach die Voraussetzung „gegen Entgelt“ einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Leistung und der erhaltenen Gegenleistung erfordert. Dieser unmittelbare Zusammenhang liegt vor, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dem gegenseitig Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert bildet.

Dabei betont der EuGH, dass das Entgelt, um als tatsächlicher Gegenwert für die erbrachte Leistung angesehen werden zu können, in einem angemessenen Verhältnis zu der erbrachten Dienstleistung stehen muss. Es reicht nicht aus, wenn die erbrachten oder zu erbringenden Leistungen nur teilweise vergütet werden. Dabei stellt der EuGH fest, dass eine Vergütung auch (erst) nach Fortschritt der Tätigkeit festgelegt werden kann, sofern die Modalitäten der Festlegung vorhersehbar und geeignet sind, um grundsätzlich von einem Entgelt auszugehen. Nicht ausreichend für den geforderten Zusammenhang ist hingegen, wenn die Gegenleistung aus völlig freien Stücken erfolgt und vom Zufall abhängt. Nach dem EuGH liegt bei der Vergütung im Form eines im Voraus bestimmten Pauschalbetrages ein unmittelbarer Zusammenhang vor. Bei einer Vergütung in Form von Tantiemen ist nach dem EuGH jedoch zu prüfen, ob, falls die Aktiengesellschaft keinen oder nur einen geringen Gewinn erzielt, die Hauptversammlung auf der Grundlage anderer Faktoren dennoch einen Betrag an Tantiemen gewähren kann, der als objektiv angemessen für erbrachte Dienstleistungen angesehen werden kann. Darüber hinaus ist nach dem EuGH zu prüfen, ob TP seine Tätigkeit nachhaltig ausübe. Bei einer sechsjährigen Amtszeit ist nach dem EuGH von einer nachhaltigen Tätigkeit auszugehen, auch wenn rechtlich eine jederzeitige sofortige Abberufung möglich sei.

Zur zweiten Frage, ob es sich um eine selbständige Tätigkeit handelt, stellt der EuGH klar, dass TP keine ausschlaggebenden Stimmrechte hatte und auch nicht die Vertretung oder die laufende Geschäftsführung innehatte. Der EuGH prüft sodann das Vorliegen eines „Unterordnungsverhältnisses“. Bei der Frage, ob ein Verwaltungsratsmitglied im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung gehandelt hat, sind insbesondere die nationalen Rechtsvorschriften über die Verteilung der Verantwortlichkeiten zwischen den Verwaltungsratsmitgliedern und der betreffenden Gesellschaft zu berücksichtigen. Dabei stellt der EuGH fest, dass insbesondere das wirtschaftliche Risiko im streitgegenständlichen Sachverhalt nicht vom Verwaltungsrat getragen wird, da sich die Gesellschaft selbst den negativen Folgen der Entscheidung des Verwaltungsrates stellen muss und diese daher das wirtschaftliche Risiko trägt. Dies wird dadurch untermauert, dass TP kein Verlustrisiko trägt und nach luxemburgischen Recht keine persönliche Haftung des Verwaltungsrates vorgesehen ist.

Ausblick

Hinsichtlich der Aufsichtsratstätigkeit hat Österreich von einer Steuerbefreiung, die sich auf eine Protokollerklärung vom Rat und der Kommission zu Art. 4 der 6. MwSt-RL, also zum Begriff des Steuerpflichtigen, stützt, Gebrauch gemacht. Gem dieser Protokollerklärung steht es den Mitgliedstaaten frei, Personen, die ehrenamtliche Tätigkeiten ausführen, sowie Geschäftsführer, Verwalter, Aufsichtsratsmitglieder und Abwickler von Gesellschaften in ihrer Beziehung zu den Gesellschaften und in ihrer Eigenschaft als Organe nicht der Mehrwertsteuer zu unterwerfen. Diese Steuerbefreiung ohne Optionsmöglichkeit zur Steuerpflicht ist in § 6 Abs. 1 Z. 9 lit. b UStG festgelegt. Für Aufsichtsratstätigkeiten ist die daher Frage, ob diese grundsätzlich als unternehmerische Tätigkeit i. S. d. § 2 UStG einzustufen sind, als theoretisch zu beurteilen. Die allgemeinen Ausführungen des EuGH zu den Fragen des Vorliegens eines Umsatzes und zur wirtschaftlichen und selbstständigen Tätigkeit sind dennoch gute Indikatoren zur umsatzsteuerlichen Einstufung einer Tätigkeit als Organ einer Gesellschaft.

Exkurs:

Jüngst hat das Bundesministerium für Finanzen zu einer Anfrage der KSW zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Aufsichtsratsvergütungen Stellung genommen (siehe Aufsichtsrat und Umsatzsteuer – BMF Information zu Konzernentsendungen).