BFG: Antrag der Abgabenbehörde auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand verspätet

Tax News 1/2024

Tax News 1/2024

  • 1000

Im vorliegenden Fall stellte die Abgabenbehörde einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand. Das BFG wies den Antrag zurück, weil dieser nach Ansicht des BFG aufgrund eines innerbehördlichen Fehlers in der Zuordnung und Weiterleitung eines Schriftstückes an die zuständige Stelle innerhalb des FAÖ zu spät eingebracht wurde (BFG 14.06.2023, RR/7100068/2023).

1. Sachverhalt / Verfahrensgang

Der Sachverhalt lässt sich in zeitlicher Hinsicht wie folgt darstellen:
  • 10.08.2022: Zustellung eines aus Sicht des Finanzamts mit „Rechenfehlern“ behafteten BFG-Erkenntnisses an das Finanzamt, Beginn der sechswöchigen Revisionsfrist. Das Finanzamt wies das BFG auf inhaltliche Mängel/„Rechenfehler“ in seinem Erkenntnis hin.
  • 25.08.2022: Zustellung Berichtigungsbeschluss des BFG an das Finanzamt. Damit berichtigte das BFG sein eigenes mit vermeintlichen „Rechenfehlern“ behaftetes Erkenntnis. Gegen diesen Berichtigungsbeschluss wurde vom Abgabepflichtigen eine außerordentliche Parteirevision beim VwGH eingebracht.
  • 20.03.2023: Aufhebung des Berichtigungsbeschlusses als rechtswidrig mit VwGH-Entscheidung vom 01.03.2023. Da nach Ansicht des VwGH kein bloßer Rechenfehler vorlag, sondern das BFG im Berichtigungsbeschluss seine Willensbildung vielmehr änderte, hob der VwGH den Berichtigungsbeschluss aufgrund inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf. Zustellung dieses VwGH-Erkenntnisses am 20.03.2023.
  • 25.04.2023: Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand hinsichtlich der Revisionsfrist zum ursprünglichen BFG-Erkenntnis sowie Nachholung außerordentliche Amtsrevision durch das Finanzamt.

Die Frist zur Einbringung einer Amtsrevision gegen das am 10.08.2022 zugestellte BFG-Erkenntnis betrug 6 Wochen. Da das BFG mittels Berichtigungsbeschluss sein Erkenntnis i. S. d. Rechtsansicht des Finanzamtes selbst korrigiert hatte, bestand aus Sicht des Finanzamtes kein Grund, gegen das ursprüngliche BFG-Erkenntnis eine Amtsrevision zu erheben.

Zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Rechtswidrigkeit des Berichtigungsbeschlusses war die Revisionsfrist bereits verstrichen. Daher beantragte das Finanzamt die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand und holte eine außerordentliche Amtsrevision gegen das ursprüngliche BFG-Erkenntnis nach.

Das VwGH-Erkenntnis zur Rechtswidrigkeit des Berichtigungsbeschlusses wurde dem Finanzamt am 20.03.2023 zugestellt. Allerdings wurde dieses im Finanzamt intern der falschen Dienststelle zugeordnet. Da eine Weiterleitung des VwGH-Erkenntnisses an die zuständige Sachbearbeiterin erst nach drei Wochen erfolgte, wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung seitens des Finanzamtes erst am 25.04.2023 eingebracht.

2. BFG 14.06.2023, RR/7100068/2023: Antrag auf Wiedereinsetzung ist wegen verspäteter Einbringung zurückzuweisen

Bedienen sich Behörden einer Einlaufstelle, ist ein Schriftsatz ab Einlagen in der Einlaufstelle der Sphäre der Behörde zuzuordnen. Erfolgt keine rechtzeitige Weiterleitung des Schriftsatzes von der Einlaufstelle an die jeweils zuständige Stelle, ist darin ein behördlicher Fehler zu sehen (vgl. VwGH 28.05.2019, Ra 2018/15/0038). Dasselbe gilt auch, wenn die Einlaufstelle die Dokumente einer falschen Steuernummer und somit einer falschen Dienststelle zuweist.

Eine Abgabenbehörde muss die Mindesterfordernisse einer sorgfältigen Organisation wie eine Rechtsanwaltskanzlei erfüllen. Laut Ansicht des BFG erfüllt das Finanzamt das Mindesterfordernis einer sorgfältigen Organisation im konkreten Fall nicht, da das VwGH-Erkenntnis einer falschen Dienststelle des Finanzamts zugeordnet und erst nach drei Wochen an die zuständige Sachbearbeiterin weitergeleitet wurde.

Hinsichtlich der Einhaltung von Fristen ist die größtmögliche Sorgfalt zu wahren. Daher ist in der unterlassenen zeitnahen Weiterleitung des VwGH-Erkenntnis von der intern unzuständigen Dienststelle an die zuständige Sachbearbeiterin ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden zu sehen, insbesondere weil der intern unzuständigen Dienststelle die Verfahren vor dem BFG und VwGH bekannt waren.

Nach Ansicht des BFG beginnt die Wiedereinsetzungsfrist von 2 Wochen mit Zustellung des VwGH-Erkenntnisses an das Finanzamt am 20.03.2023 zu laufen, weil das Finanzamt zu diesem Zeitpunkt seinen Rechtsirrtum erkennen hätte können. Die Frist zur Einbringung eines Antrages auf Wiedereinsetzung endet damit am 03.04.2023. Der vom Finanzamt am 25.04.2023 eingebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung war somit verspätet eingebracht.

3. Ergebnis

Nicht nur Kanzleien haben bei der Einhaltung von Fristen größtmögliche Sorgfalt walten zu lassen, sondern auch die Dienststellen des Finanzamtes müssen ihre Fristen bestmöglich im Auge behalten. Die Organisation des Finanzamtes Österreich muss dem Mindesterfordernis einer sorgfältigen Organisation entsprechen. Dazu gehört ua die Vormerkung von Fristen und die Vorsorge durch entsprechende Kontrollen, damit Folgen des menschlichen Versagens bestmöglich ausgeschlossen werden.

Relevant in diesem Zusammenhang ist unter anderem die Frage, ob im Verhalten des Finanzamtes noch ein minderer Grad bzw schon ein schwerer Grad des Versehens liegt. Das BFG sah in der Zuordnung eines relevanten Schriftstückes zur falschen Dienststelle und der Weiterleitung an die zuständige Stelle erst nach drei Wochen einen schweren Grad des Versehens.