Tax News: EU-Tochtergesellschaft ist nicht „automatisch“ eine feste Niederlassung ihrer ausländischen Muttergesellschaft

EU-Tochtergesellschaft

Der EuGH hat im Urteil vom 7. Mai 2020, C-547/18, Dong Yang Electronics, ausgesprochen, dass eine EU-Tochtergesellschaft einer Gesellschaft mit Sitz im Drittlandsgebiet nicht grundsätzlich dazu führt, dass die ausländische Gesellschaft dadurch eine feste Niederlassung im Gemeinschaftsgebiet begründet. Der Dienstleistungserbringer hat die Prüfung, ob eine feste Niederlassung des Diestleistungsempfängers vorliegt, anhand der materiellen Voraussetzungen des Art 11 MwStDVO vorzunehmen und ist nicht verpflichtet, die vertraglichen Beziehungen zwischen der Mutter und Tochtergesellschaft zu prüfen.

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Esther Freitag

Partnerin, Tax

KPMG Austria

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Die polnische Gesellschaft Dong Yang Electronics (im Folgenden: Dong Yang) schloss mit der Koreanischen Gesellschaft LG Display Co. Ltd (im Folgenden: LG Korea) einen Dienstleistungsvertrag über die Montage von Leiterplatten.

Die für die Montage notwendigen Materialien wurden von LG Korea der Dong Yang beigestellt. Die Materialien wurden dabei aber von der LG Polen - einer Tochtergesellschaft der LG Korea - in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt und sodann der Dong Yang übergeben. Die Gegenstände standen dabei im Eigentum der LG Korea.

Nach Montage der Gegenstände durch die Dong Yang hat die LG Polen die fertigen Leiterplatten im Auftrag der LG Korea weiterverarbeitete. Die fertigen Produkte wurden anschließend von der LG Korea an eine weitere Tochtergesellschaft in Deutschland weiterveräußert. Von diesen weiteren Vorgängen neben den ursprünglichen Montagearbeiten der Dong Yang wusste die Dong Yang laut Sachverhaltsfeststellungen nichts.

Zudem versicherte die LG Korea der Dong Yang, dass die LG Korea keine feste Niederlassung in Polen unterhalte.

Die Dong Yang unterwarf daher die Montageleistungen nicht der polnischen Mehrwertsteuer.

Die polnische Finanzverwaltung war jedoch der Ansicht, dass Dong Yang die Montagedienstleistungen in Polen erbracht habe, da LG Polen eine feste Niederlassung von LG Korea sei. Dadurch sind nach Ansicht der polnischen Finanzverwaltung die Montageleistungen nicht am Sitz der LG Korea erbracht worden, sondern vielmehr am Ort ihrer festen Niederlassung in Polen.

Dong Yang erhob dagegen Klage.

Das vorlegende Gericht nahm eingangs Bezug auf frühere Urteile des EuGH zum Begriff der festen Niederlassung und kam zur Auffassung, dass diese für den vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommen können, da der Gesellschaftssitz von LG Korea in einem Drittstaat liegt. Diese Ansicht bekräftigt das vorlegende Gericht dadurch, dass zwischen Polen und Korea ein Freihandelsabkommen vorliege, wonach die Ausübung einer Tätigkeit durch die LG Korea nur durch eine abhängige Gesellschaft im Inland möglich sei.

Das polnische Gericht legte dem EuGH zusammengefasst die Fragen vor, ob eine im Drittland ansässige Muttergesellschaft mit einer Tochtergesellschaft in einem EU-Mitgliedstaat durch diese eine feste Niederlassung begründet. Weiters wollte das polnische Gericht wissen, ob ein Dritter die vertraglichen Verhältnisse zwischen der Mutter- und Tochtergesellschaft prüfen muss, um feststellen zu können, ob die Tochtergesellschaft eine feste Niederlassung der Muttergesellschaft ist.

Der EuGH weist in seiner Beurteilung eingangs auf seine ständige Rechtsprechung hin, wonach der zweckdienlichste und damit der vorrangige Anknüpfungsunkt für die Bestimmung des Ortes der Dienstleistung aus steuerlicher Sicht der Ort ist, an dem der Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Der EuGH stellt dabei fest, dass die Berücksichtigung der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität ein grundlegendes Kriterium für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwersteuersystems darstellt, und daher die Rechtsform der Tochtergesellschaft keine Rolle spielt. Der vom vorlegenden Gericht vorgebrachte „Vorbehalt“ aufgrund des Freihandelsabkommens zwischen Korea und Polen sei daher unbeachtlich.

Als Ausnahme ist es nach Auffassung des EuGH jedoch grundsätzlich möglich, dass eine Tochtergesellschaft die feste Niederlassung ihrer Muttergesellschaft begründet. Dabei bestätigt der EuGH seine Rechtsprechung in der Rechtssache „DFDS“, wonach die materiellen Voraussetzungen des Art. 11 EU-Durchführung-VO, also die personelle und technische Ausstattung, zur Begründung einer festen Niederlassung entscheidend sind. Diese Voraussetzungen sind anhand der tatsächlichen Verhältnisse zu prüfen.

Zur Frage, ob der Erbringer der betreffenden Dienstleistungen verpflichtet ist, die vertraglichen Verhältnisse zwischen dieser Gesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft zu prüfen, um zu ermitteln, ob die Muttergesellschaft eine feste Niederlassung in einem Mitgliedstaat hat, verweist der EuGH auf die Kriterien des Art 22 EU-Durchführung-VO. Eine darüberhinausgehende Aufgabe des Dienstleistungserbringer, zB die vertraglichen und tatsachlichen Verhältnisse zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft (also zwischen Dritten) kann daraus nicht abgeleitet werden. Diese Pflichten, die den Steuerbehörden obliegen, dürfen dem Dienstleistungserbringer nicht auferlegt werden.

Der EuGH kommt daher in seinem Urteil Dong Yang zu dem Ergebnis, dass allein das Halten einer Tochtergesellschaft im Hoheitsgebiet eines EU-Mitgliedstaats keine feste Niederlassung einer im Drittlandsgebiet ansässigen Muttergesellschaft begründet. Darüber hinaus ist ein Dritter nicht verpflichtet festzustellen, ob die Tochtergesellschaft eine feste Niederlassung begründet.

Anmerkung:

Der EuGH bestätigt seine bisherige Rechtsprechung (C-547/18), eine eigenständige Tochtergesellschaft kann grundsätzlich eine feste Niederlassung der Muttergesellschaft sein. Die zentrale Frage bleibt allerdings unbeantwortet: Wann ist eine eigenständige Tochtergesellschaft eine feste Niederlassung der Muttergesellschaft? Insbesondere für Tochtergesellschaften birgt diese Entscheidung Rechtsunsicherheit in Bezug auf die Leistungsbeziehungen mit der Muttergesellschaft und konsequenterweise auch die Abrechnung der Leistungen.

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