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Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat am 05.07.2022 einen Referentenentwurf der Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 Außensteuergesetz in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (FVerlV-RefE) veröffentlicht. Die Verordnung soll erstmals für Veranlagungszeiträume anzuwenden sein, die nach dem 31. Dezember 2021 beginnen. Ziel dieses Entwurfs ist es, die bestehenden Regelungen zum Fremdvergleichsgrundsatz an die aktuellen OECD-Verrechnungspreisrichtlinien und den neuen Absatz 3b in § 1 des Außensteuergesetzes anzupassen. 

Für die Praxis sind vor allem folgende Kernaspekte relevant:

1. Schärfung der Definition der Funktionsverlagerung

Nach § 1 Abs. 2 FVerlV-RefE liegt eine Funktionsverlagerung vor, wenn eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken sowie der gegebenenfalls mitübertragenen oder mitüberlassenen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile ganz oder teilweise übertragen oder überlassen wird, sodass das übernehmende Unternehmen diese Funktion ausüben oder eine bestehende Funktion ausweiten kann. Dies bedeutet, dass eine Funktionsverlagerung auch dann vorliegt, wenn keine Wirtschaftsgüter übertragen oder überlassen werden. Außerdem wurde die Verknüpfung „und sonstige Vorteile“ durch „oder sonstige Vorteile“ ersetzt. 

  • Eine Funktionseinschränkung (zumindest zum Zeitpunkt der Verlagerung) bei dem verlagernden Unternehmen ist nicht mehr Bestandteil der Definition. Dieser Gedanke wird allerdings in § 1 Abs. 5 FVerlV-RefE aufgeführt. Hiernach liegt keine Funktionsverlagerung vor, wenn innerhalb von fünf Jahren nach Aufnahme der Funktion durch das übernehmende Unternehmen keine Einschränkung beim verlagernden Unternehmen eingetreten ist. 
  • Der Entwurf führt zudem einen zusätzlichen Punkt in der Definition an: die Ausweitung der Funktion bei dem aufnehmenden Unternehmen. Problematisch wird dies insbesondere in den Fällen, in denen nur ein immaterieller Vermögenswert (zum Beispiel der Kund:innenstamm) auf das übernehmende Unternehmen mit einer bereits bestehenden Vertriebsfunktion übertragen wird. Die Einbeziehung der zusätzlichen Kund:innen könnte von der deutschen Finanzverwaltung als eine Erweiterung bestehender Funktionen betrachtet werden.

2. Wesentlichkeitsgrenze der immateriellen Wirtschaftsgüter

Der Gesetzgeber hat sonstige Vorteile aus der Wesentlichkeitsbetrachtung ausgeschlossen und auf immaterielle Wirtschaftsgüter beschränkt. Immaterielle Wirtschaftsgüter sind in Fällen von Funktionsverlagerung wesentlich, wenn diese für die verlagerte Funktion erforderlich sind und ihr Fremdvergleichspreis 25 Prozent der Summe der Einzelpreise aller Wirtschaftsgüter und sonstiger Vorteile des Transferpakets überschreitet. Dies führt zu einer erheblichen Einschränkung, da eine Funktionsübertragung bereits dann angenommen werden könnte, wenn unwesentliche sonstige Vorteile übertragen werden. Davon könnten unter anderem die Übertragungen von Routinefunktionen betroffen sein. Um nachzuweisen, dass nichts von Wert übertragen wurde, kann in solchen Fällen eine Bewertung des gesamten Transferpakets erforderlich sein. 

3. Escape-Klausel für sogenannte Outsourcing-Fälle

Die Escape-Klausel gilt für die Fälle, in denen die Funktionsverlagerung auf ein Unternehmen erfolgt, welches ausschließlich für das verlagernde Unternehmen erbrachte Leistungen auf Basis einer Kostenaufschlagsmethode vergütet bekommt. Eine Bewertung des Transferpakets nach § 2 FVerlV-RefE ist erforderlich, wenn das aufnehmende Unternehmen diese Leistungen eigenständig, ganz oder teilweise gegenüber anderen Unternehmen zu höheren Preisen als dem Entgelt nach der Kostenaufschlagsmethode erbringt.

4. Verankerung der kapitalwertorientierten Bewertungsmethoden 

 Zur Ermittlung des Einigungsbereichs, aus dem sich der Wert des Transferpakets ableitet, sollen künftig kapitalwertorientierte Bewertungsmethoden, wie zum Beispiel die Discounted-Cash-Flow-Methode (DCF), angewandt werden. Dabei sollen anstelle der Reingewinne nach Steuern die erwarteten finanziellen Überschüsse herangezogen werden. Dadurch will der Gesetzgeber die Verwendung der in der Unternehmensbewertung üblichen Methoden und Parameter ermöglichen.

5. Kapitalisierungszeitraum

Die Anforderungen an den Nachweis eines Zeitraums, der kürzer als unendlich ist, wurden verschärft. Werden keine Gründe für einen bestimmten, von den Umständen der Funktionsausübung abhängigen Kapitalisierungszeitraum nachgewiesen, ist ein unbegrenzter Kapitalisierungszeitraum zu Grunde zu legen. Dies könnte in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten führen, weil es keine Hinweise gibt, wie ein solcher Nachweis zu führen ist.