Factoring in seinen diversen Formen ist weiterhin ein sehr beliebtes Instrument zur Optimierung des Net Working Capitals. Sei es im Rahmen regulärer bilateraler Factoring Vereinbarungen, Reverse Factoring oder strukturierter Transaktion unter Zuhilfenahme von Special Purpose Vehikeln bei Asset Backed Securities oder Asset Backed Commercial Paper Transaktionen. Die aktuelle geopolitische Situation gepaart mit der weiterhin andauernden pandemischen Lage sorgt für Verwerfungen in global ausgerichteten Lieferketten. In diesem Zusammenhang kommt dem Supplychain Financing – und somit Factoring – im Treasury eine besondere Bedeutung zur Unternehmenssteuerung unter Unsicherheit zu. Factoring bietet hier eine gute Gelegenheit die Liquiditätslage zu entspannen, indem die Kundenforderungen verkauft und vorfinanziert werden. 

Steht der Abschluss einer neuen Factoring Vereinbarung zur Disposition gilt es jedoch ein paar Stolpersteine zu vermeiden. Beziehungsweise sind auch bestehende Vereinbarungen dahingehend zu überprüfen, ob sie prozessual zutreffend umgesetzt sind. Denn nicht nur die Frage der Bilanzierung kann in der Regel nur fachbereichsübergreifend gelöst werden. Auch die Umsetzung der vertraglichen Vereinbarung bedarf zumeist einer engen Zusammenarbeit zwischen Treasury, Accounting und Legal. 

Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Übertragung des Ausfall- oder Bonitätsrisikos. Aus bilanzieller Sicht ist die Übertragung des Ausfallrisikos eine grundlegende Voraussetzung zur Ausbuchung der Forderungen. Folglich kann die oftmals angestrebte Verbesserung der Bilanzkennzahlen nur erfolgen, wenn zumindest ein Teil des Risikos übertragen wird. Entsprechend häufig beinhalten die Vereinbarungen Klauseln zur Risikoübertragung. Zugleich besteht seitens der Banken respektive Factoring Unternehmen ein immanenter Anreiz die Risikoübernahme so gering wie möglich zu halten. In der Konsequenz verbleibt oftmals über Reservekonten, Garantien und strenge Ausfalldefinitionen ein Teil des Ausfallrisikos beim übertragenden Unternehmen.

Typischerweise wird ein Ausfall nach einer fest definierten Zeitspanne der Überfälligkeit einer verkauften Forderung angenommen (fiktives Ausfallereignis). Zugleich wird in der Regel auch der tatsächliche Ausfall einer verkauften Forderung durch den Käufer übernommen. In diesem Fall werden oftmals die unternehmensinternen Kreditmanagementrichtlinien zu einem Bestandteil des Vertrags. 

Damit ein derartig komplexes Vertragsverhältnis prozessual umgesetzt werden kann, ist in einem ersten Schritt ein hoher Grad an Transparenz erforderlich. Denn tatsächliche Ausfallereignisse können beim Factorer lediglich geltend gemacht werden, sofern sie identifizierbar sind. Es bedarf daher eines stringenten Forderungsmanagements, welches ebenfalls in der Buchhaltung detailliert nachvollziehbar ist. Denn in der Regel werden die Daten aus der Buchhaltung für die Abrechnung der Factoring Vereinbarung herangezogen. Darüber hinaus sind die Prozesse des Forderungsverkaufs dahingehend zu überprüfen, ob auch eine Rückabwicklung vorgesehen ist. Eine bereits vorfinanzierte Forderung muss im Falle eines Ausfallereignisses korrekt rückabgewickelt werden können, sodass Forderungsverkäufer und Forderungskäufer tatsächlich die vereinbarte Risikoteilung realisieren. Das Gleiche gilt für fiktive Forderungsausfälle. Sofern zu einem späteren Zeitpunkt ein Zahlungseingang erfolgt, stehen diese in der Regel dem Forderungskäufer zu.

Einen möglichst stark automatisierten Prozess des Forderungsverkaufs zu etablieren, stellt daher eine komplexe Aufgabe dar. In einem ersten Schritt ist der juristische Vertrag korrekt in einzelne Prozessschritte zu übersetzen. Diese müssen sicherstellen, dass zum einen die Bilanzierung korrekt erfolgt und dass zum anderen auch die Zahlungsströme korrekt abgewickelt werden. Grundvoraussetzung hierfür ist ein transparentes Forderungsmanagement, welches eng mit Accounting verzahnt ist.

Sofern Sie Unterstützung bei der Verhandlung neuer Factoring Vereinbarungen benötigen oder ihre Prozesse rund um die Abwicklung von verkauften Forderungen optimieren möchten, kommen Sie gerne auf uns zu.

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 121, Mai 2022
Autoren: 
Ralph Schilling, CFA, Partner, Head of Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG
Stefan Barth, Senior Manager, Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG