Factoring in seinen diversen Formen ist keine Neuheit. Sei es im Rahmen regulärer bilateraler Factoring Vereinbarungen, Reverse Factoring oder strukturierte Transaktion unter Zuhilfenahme von Special Purpose Vehikeln bei Asset Backed Securities oder Asset Backed Commercial Paper Transaktionen. In Zeiten einer Pandemie und weiterhin andauernder Unsicherheiten kommt den Factoring Vereinbarungen als Mittel zur Liquiditätsbeschaffung jedoch eine besondere Bedeutung zu. Denn bei vielen Unternehmen greift der alte Leitsatz „Cash is King“. Factoring bietet hier eine gute Gelegenheit die Liquiditätslage zu entspannen, indem die Kundenforderungen verkauft und vorfinanziert werden. 

Steht der Abschluss einer neuen Factoring Vereinbarung zur Disposition, gilt es jedoch ein paar Stolpersteine zu vermeiden. Damit am Ende ein für alle Beteiligten akzeptabler Vertrag herauskommt, ist insbesondere die frühzeitige fachbereichsübergreifende Zusammenarbeit des Treasury mit Accounting und Legal von hoher Relevanz. Aus Sicht des Treasury ist die Vorteilhaftigkeit der vereinbarten Finanzierungsbedingungen im Fokus. Da die bilanzielle Darstellung der Factoring Transaktion allerdings maßgeblich von der Vertragsgestaltung abhängt, ist Accounting bereits vor Vertragsabschluss hinzuzuziehen. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob die verkauften Forderungen bilanziell ausgebucht werden können oder ob sie nicht vielmehr lediglich als Sicherheit für die von der Bank erhaltene Finanzierung dienen. Daher kann die Ausgestaltung einer Factoring Vereinbarung einen maßgeblichen Einfluss auf die Höhe der Bilanzsumme und somit auch die Eigenkapitalquote entfalten. Vor allem bei fremdfinanzierten Unternehmen, welche gewisse Covenants bei den finanzierenden Banken einhalten müssen, kann so die Frage der Bilanzierung einer neuen Factoring Vereinbarung gar in den Vordergrund rücken und die rein ökonomische Beurteilung der Vertragsbedingungen überlagern.

Die Frage nach dem bilanziellen Abgang der verkauften Forderungen ist oftmals komplex und kann nur anhand des jeweiligen Einzelsachverhalts und der individuellen Vertragsbedingungen beurteilt werden. Der Teufel steckt hier oftmals im Detail. Ein grundsätzliches Schema zur Vorgehensweise wird dem Bilanzierenden in IFRS 9.B3.2.1 an die Hand gegeben.

Die wesentlichsten Knackpunkte liegen in der Übertragung

  1. der Rechte zur Vereinnahmung der Zahlungsströme aus den verkauften Forderungen,
  2. der wesentlichen Chancen und Risiken,
  3. der Verfügungsmacht.

Die Punkte 1 und 3 können oftmals durch eine entsprechende Vertragsgestaltung mit klaren Formulierungen gewährleistet werden. An dieser Stelle lohnt sich der Einbezug von Experten bereits vor Vertragsabschluss, damit am Ende keine bösen Überraschungen drohen und leicht zu behebende Vertragsbestandteile einer bilanziellen Ausbuchung gar entgegenstehen. Die Übertragung der wesentlichen Chancen und Risiken hingegen greift stärker in den ökonomischen Gehalt der Factoring Vereinbarung ein. Relevante Aspekte sind beispielsweise das Ausfallrisiko der Debitoren, Fremdwährungsrisiken und das Risiko verspäteter Zahlungen. Die Vertragsgestaltung muss an dieser Stelle in jedem Fall gewährleisten, dass nicht im Wesentlichen alle Chancen und Risiken beim Veräußerer verbleiben. Ist dies gewährleistet, so kann es unter ergänzender Prüfung der Übertragung der Verfügungsmacht zu einem bilanziellen Abgang kommen, selbst wenn nicht der Großteil der Chancen und Risiken übertragen wurde. Die Beurteilung der Übertragung der Chancen und Risiken wird dabei anhand der Variabilität der Zahlungsströme beurteilt und bedarf in der Regel einer entsprechenden Modellierung. 

Sofern Sie Unterstützung bei der Verhandlung neuer Factoring Vereinbarungen benötigen oder ihre Prozesse rund um die Abwicklung von verkauften Forderungen optimieren möchten, kommen Sie gerne auf unsere Bilanzierungs- und Bewertungsexperten des Finanz- und Treasury Management Teams zu.

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 111, Mai 2021