Am 1. Januar 2020 ist das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) in Kraft getreten. Ziel des Gesetzes ist die Schaffung von mehr Transparenz zwischen Gesellschaftern und Anlegern sowie die Stärkung der Mitwirkungsrechte der Aktionäre. Die Regelungsbereiche von ARUG II betreffen ausschließlich börsennotierte Unternehmen. Das Gesetz beinhaltet Neuerungen und Änderungen des Aktiengesetzes hinsichtlich der Identifikation von Aktionären, erhöhten Transparenzpflichten bei institutionellen Investoren, Vergütungsrecht („say-on-pay“) sowie Geschäften mit nahestehenden Personen („related-party-transactions“).

Die Regelungen des ARUG II enthalten umfassende Organisations- und Aufsichtspflichten für börsennotierte Gesellschaften und deren Aufsichtsräte und sind mangels Übergangsvorschriften unmittelbar anzuwenden. 

ARUG II verpflichtet Unternehmen mit Blick auf Geschäfte mit nahestehenden Personen

  • zur Einrichtung eines internen Verfahrens zur Identifikation und Bewertung von Geschäften mit nahestehenden Personen (§ 111a AktG),
  • zur Zustimmungspflicht (§ 111b AktG) des Aufsichtsrats, wenn das Transaktionsvolumen bestimmter Geschäfte einen kritischen Schwellenwert überschreitet und diese nicht unter einen Ausnahmetatbestand fallen (=wesentliche Transaktionen) sowie
  • zur Veröffentlichung bestimmter Angaben zu zustimmungspflichtigen Geschäften mit nahestehenden Personen (§ 111c AktG).

Ausnahmetatbestände können z. B. Geschäfte mit 100-prozentigen Tochterunternehmen, marktübliche Geschäfte, die im ordentlichen Geschäftsgang getätigt werden, oder Geschäfte, die einer Zustimmung oder Ermächtigung der Hauptversammlung bedürfen bzw. für die eine sonstige Sonderregelung gilt, sein.

Der Begriff „nahestehende Personen“ bezeichnet dabei sämtliche natürliche oder juristische Personen, die dem abschlusserstellenden Unternehmen nahestehen und entspricht der Definition der nationalen und internationalen Vorschriften zur Rechnungslegung (i. W. IAS 24.9). 

Das von börsennotierten Unternehmen einzurichtende interne Verfahren muss geeignet sein, Geschäfte mit nahestehenden Personen vollständig und genau zu identifizieren und zu bewerten. Die Bewertung konzentriert sich dabei auf die Prüfung der Anwendbarkeit einer Ausnahmeregelung und die Prüfung der Überschreitung der Wesentlichkeitsschwelle. 

Übersteigt das Transaktionsvolumen des Geschäfts einzeln oder kumuliert die in diesem Geschäftsjahr getätigten Geschäfte mit der gleichen nahestehenden Person 1,5 % der Summe aus Anlage- und Umlaufvermögen des zuletzt festgestellten Jahresabschlusses bzw. gebilligten Konzernabschlusses (=Wesentlichkeitsschwelle), so ist für die Geschäfte vor Abschluss die Zustimmung des Aufsichtsrats oder eines dafür eingesetzten Ausschusses einzuholen. Die Unbefangenheit der abstimmenden Mitglieder ist sicherzustellen. Die Zustimmungspflicht liegt u. a. darin begründet, dass bei Geschäften mit nahestehenden Personen das Risiko der Marktunüblichkeit aufgrund bestehender Machtverhältnisse und Einflussmöglichkeiten naturgemäß höher ist als bei Geschäften mit fremden Dritten. Um möglichen Nachteilen für Aktionäre vorzubeugen, die z. B. aus einer vergünstigten Übertragung von Vermögenswerten an das Management oder Beteiligungen i. S. d. § 271 HGB resultiert, soll der Aufsichtsrat bzw. der von ihm gegründete Ausschuss ab sofort den wesentlichen Transaktionen vor Abschluss zustimmen. 

Nach Zustimmung sind Art und Umfang der Transaktion öffentlich bekanntzugeben. Die Angaben gem. § 111 c Abs. 1 AktG müssen unverzüglich durch die börsennotierte Gesellschaft (unter Beachtung der Sondervorschriften für Insiderinformationen) veröffentlicht werden. Zu beachten ist hierbei, dass bei der Auslösung der Zustimmungspflicht durch eine kumulierte Betrachtungsweise Angaben zu sämtlichen Geschäften mit dieser nahestehenden Person zu veröffentlichen sind. Typische Geschäfte mit nahestehenden Personen können sein: Kauf und Verkauf von Grundstücken und Gebäuden und Waren, der Bezug oder die Erbringung von Dienstleistungen, die Nutzung oder Nutzungsüberlassung von Vermögenswerten, die Bereitstellung von Sicherheiten wie Darlehen und Bürgschaften, die Übernahme von Verbindlichkeiten und Cash-Pool-Vereinbarungen sowie das Eingehen von Dauerschuldverhältnissen (z. B. Miet-, Lizenz- oder Leasingvereinbarungen). Durch die Verpflichtung zur Veröffentlichung wird folgerichtig dem Transparenzwunsch der Aktionäre Rechnung getragen. Hierbei ist insbesondere auf § 111c Abs. 4 AktG hinzuweisen, der die Veröffentlichungspflicht auch auf wesentliche Transaktionen mit nahestehenden Personen durch Tochtergesellschaften ausdehnt. Dadurch wird vermieden, dass Geschäfte mit nahestehenden Personen der Muttergesellschaft vorsätzlich durch Tochtergesellschaften durchgeführt werden, um Angabe- und Veröffentlichungspflichten der Muttergesellschaft zu umgehen.

Es bleibt grundlegend die Klärung der Frage nach der Aufbau- und Ablauforganisation der Prozesse zur Identifizierung, Bewertung, Zustimmung und Veröffentlichung. Hier bietet sich die Einrichtung eines Managementsystems an, mit dessen Hilfe die börsennotierte Gesellschaft relevante Transaktionen vollständig und genau identifizieren und bewerten, die Kommunikation an den Aufsichtsrat sowie die Veröffentlichung gewährleisten kann. Wie das Managementsystem in der Praxis konkret aussehen, welche Rollen und Verantwortlichkeiten 100-prozentige Tochterunternehmen übernehmen und wie die Überwachung des Systems sichergestellt werden kann, bleibt aktuell jedoch abzuwarten. 

Der Gesetzgeber überlässt über § 111 b Abs. 1 AktG dem Unternehmen die Entscheidung, ob der Gesamtaufsichtsrat im Plenum oder ein nach § 107 Abs. 3 AktG zu bestellender Ausschuss (sog. „Related-Party-Transactions“-Ausschuss) mit der Zustimmung betraut wird. Auch hierfür kann aktuell keine allgemeingültige Empfehlung ausgesprochen werden, da dies stets die Berücksichtigung unternehmensspezifischer Besonderheiten sowie Praktikabilitätsaspekte beinhaltet.

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