In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheiten und politischer Krisen steigt die Attraktivität für Investoren, bereits etablierte Marktteilnehmer und Sparten ins Auge zu fassen, während wir parallel als gängige Praxis bei vielen Unternehmen gleichermaßen das Interesse nach Portfoliobereinigung beobachten.

Oft ist ein Carve-Out und damit die operative und rechtliche Ausgliederung eines Unternehmensteils die direkte Folge. Er dient vorbereitend für eine potenzielle Veräußerung oder einen Börsengang und wird in vielen Fällen genutzt, um Randunternehmungen vom Kerngeschäft zu trennen und am Markt als rechtlich eigenständige Einheit zu etablieren. Prominente Beispiele aus dem DAX zeigen, dass sich eine solche Abspaltung vorteilhaft sowohl für die Kauf- als auch Verkaufsseite herausstellen und zur Realisierung zusätzlichen Wertschöpfungspotenzials führen kann.

Um einen solchen Abspaltungsprozess für beide Seiten erfolgreich zu gestalten, gilt es in vielerlei Hinsicht, komplexen Anforderungen und Herausforderungen im organisatorischen und technischen Rahmen des Projektes entgegenzutreten. Sowohl planungs- als auch managementseitig sind einschlägiges Know-How und tiefgreifende Projekterfahrung der Verantwortlichen als unerlässlich zu bewerten. Denn insbesondere im Corporate Treasury stellt ein Carve-Out das Management vor spezifische Projektaufgaben, deren Beachtung und Durchführung, gepaart mit dem Integrationsgrad der abzuspaltenden Unternehmung essenzielle Faktoren für den Erfolg, Kosten- und Zeitrahmen eines Carve-Outs darstellen.

Der vorangehende Erkenntnisauszug demonstriert bereits einprägsam die Fülle an Herausforderungen, der sich die Verkaufsseite eines Carve-Outs zu stellen hat. Im Folgenden widmet sich dieser Artikel nun vertieft eben diesen Anforderungen an das Projektmanagement einer Treasury-Abteilung und beleuchtet die notwendigen Maßnahmen und Themenschwerpunkte sowohl vor, während als auch nach einem Carve-Out.

Klassische Herausforderungen in besonderen Zeiten

Bei einem Unternehmensverkauf will jede Entscheidung wohlüberlegt sein. Bereits vor dem eigentlichen Verkaufsprozess bedarf es einer geeigneten Exit-Strategie, der Entwicklung einer passenden Marktansprache sowie Vorbereitungen für die Closing-Aktivitäten. Das Management Board muss sich über die Stärken und Schwächen des zu verkaufenden Unternehmens im Klaren sein und entwickelt eine entsprechende Strategie, wie auf dem Markt eine positive Wirkung bei den potenziellen Käufern erreicht wird. Dementsprechend werden verschiedene Szenarien je nach Käuferart ausgearbeitet, um den maximalen Wert für den Shareholder darzulegen.

Damit es am “Day One” zu keinen Überraschungen kommt, ist ein professionelles Projektmanagement essenziell. Dadurch werden Aufgaben gesammelt, strukturiert und gesteuert, und es hilft dem Projektteam, das sich mit diesen Aktivitäten auf operativer Ebene auseinandersetzt, den Überblick zu behalten. Eine Aufgliederung des Projektes in die drei Phasen “vor dem Closing”, “während des Closings” und “nach dem Closing” bietet die Möglichkeit, die relevanten Treasury-Herausforderungen in einem zeitlich strukturieren Ablauf zu managen.

Welche Maßnahmen sind vor dem Closing zu treffen?

Zu den typischen Herausforderungen im Treasury zählen insbesondere Maßnahmen im Cash- und Liquiditätsmanagement, Bankkontenmanagement, Kredit- und Investitionsmanagement und in der IT-Landschaft. Gemäß des KPMG Powered Enterprise Ansatzes erhält das Bankkontenmanagement und das Cash Management die höchste Priorität, um während des gesamten Prozesses die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens zu gewährleisten. Im ersten Schritt ist das Treasury-Team dazu angehalten, alle offenen Transaktionen zu prüfen und noch vor dem Closing auszuführen, damit entsprechende Verbuchungen im Accounting abgeschlossen werden. Dazu zählt unter anderem der Abschluss offener Handelsgeschäfte, der Transfer bzw. die Schließung von Hedges oder die Auszahlung von Dividenden.

Durch das Verwalten der Bankkonten und Unterschriftsberechtigungen wird im nächsten Schritt die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens sichergestellt. Im Zuge eines Carve-Outs ist es erforderlich, die Bankkontenlandschaft und IT-Infrastruktur zu prüfen und anzupassen, um eine saubere Trennung zwischen Mutterkonzern und dem abgespaltenen Unternehmen zu gewährleisten. Das Durchführen von Zahlungen ist zentrale Aufgabe der Treasury Abteilung und sollte durch ein sukzessives Projektmanagement bis zum Closing dauerhaft überwacht werden. Mit den Banken sollte deshalb bereits zeitnah vor dem Closing Kontakt aufgenommen werden, um entsprechende Änderungen der EBICS bzw. SWIFT-Verträge anzustoßen. Aber nicht nur die Zahlungsanbindungen werden überprüft, sondern ebenfalls die Anlieferung der Kontoauszüge, damit sichergestellt wird, dass der Mutterkonzern nach dem Closing keine aktuellen Kontodaten des verkauften Unternehmens erhält.

Daneben ist der Know-Your-Customer (KYC)-Prozess nicht zu vernachlässigen, der im Fall einer Kontoneueröffnung zum Tragen kommt und aufgrund der Vielzahl an benötigten Dokumenten je nach Bankeninstitut bis zu mehreren Wochen in Anspruch nehmen kann. Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass die Zahlungsfähigkeit des zu verkaufenden Unternehmens auf lokaler Ebene gewährleistet bleibt, um wichtige Zahlungen wie beispielsweise Löhne und Gehälter an die Mitarbeitenden ausführen zu können.

Neben den externen Bankbeziehungen muss auch ein Blick auf die Inhouse Banking Strukturen respektive den Cash Pooling Aufsatz geworfen werden. Nachdem alle offenen Forderungen und Verbindlichkeiten beglichen wurden, werden im Nachgang die internen Verrechnungskonten aufgelöst. Interne Finanzierunglösungen sowie bestehende Kreditlinien über die Inhouse Bank müssen beendet und eine Folgefinanzierung für die lokale Gesellschaft gefunden werden.

Neben der internen Finanzierung, wird auch das externe Kredit- und Investitionsmanagement bei einem Unternehmensverkauf von Grund auf überarbeitet. So sind die lokalen Kreditfazilitäten des zu verkaufenden Unternehmens zu kündigen, die bestehenden Kredite zurückzuzahlen und allen weiteren offenen Schuldverpflichtungen nachzugehen. Auch Garantieverträge oder Patronatserklärungen müssen gegebenenfalls aufgelöst oder abgegeben werden. Oftmals bedarf es bei der Aufstellung von Garantieverträgen einer umfangreichen Erfassung.

Über die Treasury-Themen hinaus ist es für den Mutterkonzern zwingend notwendig, weitere Bereiche in die Projektbetrachtung miteinzubeziehen. Folglich können beispielsweise die Veräußerung von Gebäuden, Garantien- bzw. Patronatserklärungen, Bilanzstrukturänderungen und steuerliche Optimierungen, sowie Abgrenzung relevanter Vermögenspositionen komplementäre Meilensteile vor dem Closing darstellen.

Welche Themen sind während und nach Closing relevant?

In einer digitalisierten Treasury Abteilung gilt es, sich neben den rein operativen Tätigkeiten ebenfalls ausgiebig der IT-Systemlandschaft zu widmen. Sowohl das Treasury Management System (TMS), als auch das Enterprise-Resource-Planning System (ERP) und etwaige weitere Systeme, beispielsweise für den Zahlungsverkehr, für Handelsaktivitäten oder für den Marktdatenabruf, die über Schnittstellen miteinander verbunden sind, sollten auf Daten von dem zu verkaufenden Unternehmen untersucht werden. In den Systemen hinterlegte Stammdaten wie die Gesellschaft, die Benutzer aus der zu verkaufenden Gesellschaft und die entsprechenden Unterschriftsberechtigungen spielen hierbei eine übergeordnete Rolle. Nach dem Closing müssen diese deaktiviert werden, damit die Benutzer keinen Zugriff mehr auf die vom Headquarter zentral administrierten Systeme erlangen. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass dem Mutterkonzern aktuelle Daten, wie beispielsweise die Kontosalden des verkauften Unternehmens, nach dem Verkauf verwehrt bleiben.

Nach dem Closing ist es zudem essenziell, die vorab geplanten rechtlichen Aspekte umzusetzen. Zahlreiche Verträge und Versicherungsabkommen von dem verkauften Unternehmen müssen angepasst werden. Hierzu zählen unter anderem Rahmenverträge für Sicherungsgeschäfte oder EMIR-Abkommen. Falls das verkaufte Unternehmen einen Identifikations-Code besitzt, einen sogenannten Legal Entity Identifier (LEI), der für Aktivitäten juristischer Personen am Finanzmarkt benötigt wird, ist eine Änderung der Verwaltungsvereinbarung durch das Headquarter vorzunehmen. Auch Darlehensrahmenverträge innerhalb der Organisation gilt es zu überarbeiten. Darüber hinaus stellen Versicherungen einen Betrachtungsgegenstand dar. Haftpflichtversicherungen für Direktoren und Führungskräfte, Arbeitnehmerhaftung, Krankenversicherungen, Arbeitsunfallversicherungen, Vergütungsvereinbarungen oder Abkommen über intellektuelles Eigentum – dies sind nur einige rechtliche Themen, die von der juristischen Abteilung mit dem Closing bearbeitet werden.

Ein besonderes Augenmerk liegt bei der Ausgestaltung des Carve-Out Projektes zudem auf Projektspezifika, wie beispielsweise MTO-Länder (Money Transfer Obligation), die durch die Zentralbank auferlegte Beschränkungen im Zahlungsverkehr beachten müssen. Sollte eins der am Deal beteiligten Unternehmen in einem MTO-Land ansässig sein, so sind beispielsweise besondere Lösungen notwendig, um Transaktionen zu vollziehen. Für eingeplante aber auch ad-hoc aufkommende Sonderthemen sind zusätzliche Zeitpuffer bei der Planung zu berücksichtigen.

Erfolgsfaktoren eines Carve-Outs

Besteht auf Seiten des Unternehmens und des Managements das notwendige Set-Up sowohl für eine Sicherstellung der operativen Leistungsfähigkeit als auch für die reibungslose und zielführende Durchführung eines Carve-Outs?

In einem Carve-Out-Prozess sieht sich jedes Projektmanagement im Bereich Corporate Treasury in vielerlei Hinsicht hoch komplexen Anforderungen gegenüber. Um die Projektabwicklung dennoch für Kauf- und Verkaufsseite so erfolgreich wie möglich zu gestalten, sollten sukzessive vor, während und nach dem Closing entsprechende Handlungs-Schwerpunkte gesetzt werden.

So beginnt die Vorbereitung eines Carve-Outs bereits mit einer detaillierten und abgestimmten Planung sowie der Definition einer klaren Exit Strategie. Operativ rücken im Vorausgang zu einem Carve-Out vorerst Cash- und Liquiditätsmanagement sowie Kredit- und Investitionsschemata in den Vordergrund. Diese werden vor und nach dem Closing insbesondere durch Eingriffe in die IT-Systemlandschaft sowie der Hinzunahme rechtlicher Aspekte komplementiert.

Begleitet werden diese operativen Meilensteine in einer erfolgreichen Projektdurchführung jederzeit von einer Vielzahl weiterer Themenblöcke, die es trotz notwendiger Schwerpunktsetzung nicht zu vernachlässigen gilt. Jederzeit sollten ein dezidiertes Change-Management etabliert sowie eine klare Kommunikation und geregelte Verantwortlichkeiten sichergestellt werden.

Erst bei Erreichen der eruierten Projektmanagement-Struktur und einer planungstreuen Durchführung lässt sich die Realisierung eines zusätzlichen Wertschöpfungspotenzials mittels gezielter Carve-Outs erreichen. In einem solchen Fall kann ein Carve-Out zu einem wichtigen und gezielten Werkzeug einer Unternehmensstrategie werden und lässt sich sowohl investoren- als auch veräußerungsseitig als wertschaffende Maßnahme etablieren.

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 125, September 2022
Autoren: 
Nils Bothe, Partner, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory, KPMG AG
Karin Schmidt, Senior Managerin, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory, KPMG AG