Unternehmenstransformationen vollziehen sich heutzutage oftmals in schnelleren Zyklen als früher. In der Vergangenheit betraf der kurzfristige Veränderungsbedarf in der Regel einen bestimmten Bereich der Unternehmenstätigkeit, wie zum Beispiel die Umstrukturierung der Vertriebsfunktion. Solche Projekte hatten üblicherweise einen klar definierten Ablauf mit Anfang und Ende. Das grundlegende Geschäftsmodel änderte sich, wenn überhaupt, eher in langfristigen Zyklen.

Heute ist die Unternehmenstransformation auf viele Ebenen ausgeweitet und umfasst kontinuierliche Anpassungen der Organisation und der Geschäftsmodelle. Jüngste Krisen haben das Erfordernis, sich fortlaufend anzupassen, in besonderem Maße vor Augen geführt. Familiengeführte Unternehmen mussten, wie die meisten anderen Unternehmen auch, schnell auf die plötzlichen Folgen der Covid-19-Pandemie reagieren. Ähnliches beobachten wir heute mit Blick auf den Russland-Ukraine-Krieg und seine wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen.

Eine Kultur der stetigen Transformation schaffen

Das heißt: Die heutige Wirtschaft ist gekennzeichnet durch stetigen, schnellen Wandel und einen unaufhörlichen Drang nach Innovation. Familienunternehmen sind sich dessen bewusst und bringen bereits eine hohe Anpassungsfähigkeit und Resilienz mit. Doch wie lässt sich angesichts der hohen Wandlungsgeschwindigkeit in Familienunternehmen eine Kultur der kontinuierlichen Anpassung und Neuausrichtung festigen und strategisch pflegen? Dieser Frage gehen wir in unserer englischsprachigen Publikation „Sustaining a culture of continuous transformation in family business”.

Eine individuelle Transformationskultur fußt in erster Linie auf dem Ansatz, dass wirklicher Wandel stets proaktiv, nicht reaktiv, erfolgt. Die Basis liegt in den Zielen und Werten der Unternehmerfamilien, ihrer fortlaufenden Suche nach neuen Geschäftsmöglichkeiten und einer möglichst großen Flexibilität bei der Bewältigung potenzieller Bedrohungen für das Unternehmens- und Familienvermögen.

Doch wer trägt im Familienunternehmen die Verantwortung für die Kultur einer kontinuierlichen Transformation? Wie werden Risiken, die der stetige Wandel mit sich bringt, identifiziert, bewertet und gesteuert? Wie wird in der Eigentümerfamilie die Zukunft des Unternehmens nachhaltig und vor allem generationsübergreifend gestaltet? Über diese und weitere Fragen haben wir mit Führungskräften von Familienunternehmen aus der ganzen Welt gesprochen und die Ergebnisse in unserer Publikation zusammengetragen.

Unternehmenstransformation ist weit mehr als technologischer Wandel

Die Teilnehmenden waren sich einig, dass Unternehmenstransformation alles umfasst, was für Familienunternehmen und die Eigentümerfamilien relevant ist, und nicht auf Technologien oder IT-Systeme beschränkt ist. Aus Sicht der befragten Führungskräfte ist es wichtig, die digitale Transformation als Wegbereiter des Wandels separat zu betrachten. Hinzu treten weitere Anpassungen, die für das Unternehmen in seinem Kern erforderlich sein können: Diese betreffen u. a. den Unternehmenszweck (Purpose) und die Kultur des Familienunternehmens, die gesellschaftliche und ökologische Wirkung, Governance und Haftung.

Insbesondere nannten unsere Diskutant:innen die ESG-Agenda als Antriebsfaktor der Transformationsbewegung. Dieses Themenfeld ist in besonderem Maße mit der DNA von Familienunternehmen verflochten und steht in einer Wechselwirkung zum Purpose und zur Kultur des Unternehmens sowie zur Einstellung der Familie in Bezug auf ein verantwortungsvolles Unternehmertum. ESG-Aspekte drehen sich um eine Vielzahl von relevanten Punkten: von der Kundennachfrage bis zum Abgleich der Lieferketten mit ethischen Anforderungen. Zunehmend stellt sich dabei die Frage, ob die Backend-Systeme des Unternehmens die notwendigen Daten zur Wirkungsmessung auch im Hinblick auf die nichtfinanziellen Ziele liefern können.

„Digitale Transformation betrifft im ersten Schritt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Unternehmens. Technologie kann zwar unter anderem dabei unterstützen, Prozesse zu beschleunigen und Geschäftsmodelle neu zu überdenken – jedoch geht ein datengetriebener und digitaler Wandel weit über die Technologie hinaus und erfordert die Etablierung einer Innovationskultur und die Einbindung jedes Einzelnen.“

Sascha Glemser
Partner, Consulting, Value Chain Transformation

Governance: Wer ist für die Transformation verantwortlich?

Familienunternehmen entwickeln und verändern sich häufig durch den Eintritt von Familienmitgliedern der nächsten Generation, die andere Ansichten und Perspektiven, Fähigkeiten und Kenntnisse einbringen.

Für eine nachhaltige Eigentümerschaft und Unternehmensführung ist es zunächst etwas sehr Positives, wenn sich die nachfolgende Generation ebenso mit dem Unternehmen identifiziert wie ihre Vorgängergenerationen. Die Verbundenheit mit dem Unternehmen und die frühzeitige Auseinandersetzung mit den gemeinsamen Werten und deren Weiterentwicklung führt zu einer verstärkten persönlichen Verantwortlichkeit und Identifikation im Unternehmen.

Wichtig ist dabei eine strukturierte Einbindung der nächsten Generation in die Governance im Unternehmen. Ohne entsprechende Überlegungen und Strukturen verschwimmen nämlich allzu schnell die Rollen und Verantwortlichkeiten der einzelnen Familienmitglieder. Die Folgen unklarer Kompetenzverteilungen können geschäftlicher, organisatorischer, aber auch familiärer Natur sein und gerade in komplexen Familienstrukturen zu Konflikten führen. Sie betreffen Familienangehörige genauso wie familienexterne Mitarbeitende in den unterschiedlichsten Ausprägungen: von der Sicherheit des Arbeitsplatzes bis hin zu Fragen einer mit den eigenen Werten kompatiblen Unternehmenspolitik.

Deshalb ist es für Firmenlenker:innen in modernen Familienunternehmen unerlässlich, die Rollen und Verantwortlichkeiten aller Familienangehörigen, der externen Führungskräfte und der Mitglieder in Überwachungs- und Beratungsfunktionen (Aufsichtsrat oder Beirat) im Unternehmen klar zu definieren. Dies betrifft vor allem die Schlüsselpersonen, die für eine Kultur des kontinuierlichen Wandels und der Innovation verantwortlich sind.

„In mehrgenerationalen Inhaberfamilien stellt sich zunehmend die Frage nach einer effektiven und nachhaltigen Corporate Governance. Treiber ist – vor dem Hintergrund der notwendigen kontinuierlichen Transformation – insbesondere der langfristige Vermögenserhalt, der mit der Sicherung der gesellschaftlichen Verantwortung einhergeht. Eine Stärkung der Governance, etwa durch die Etablierung eines Beirats, kann diese Ziele unterstützen.“

Dr. Jan-Hendrik Gnändiger
Head of Risk & Compliance Services

Risiken im Blick behalten und steuern

Kontinuierlicher Wandel bringt immer Unsicherheiten mit sich. Es bedarf eines klaren und frühzeitigen Überblicks über die internen und externen Risiken, die das Unternehmen, seine Strategie oder das Transformationsmodell beeinträchtigen können. Dazu zählt auch die Prüfung von Abhängigkeiten zu anderen Unternehmen oder Lieferketten. Ein wirksames Risikomanagement ist eine wichtige Maßnahme, um Gefährdungen zu identifizieren und zu steuern. So können beispielsweise Prozesse resilienter gestaltet, Abhängigkeiten geprüft und reduziert werden.

Mehr zu diesen und weiteren Erkenntnissen von Führungskräften von Familienunternehmen und unseren Expert:innen hinsichtlich einer Kultur des kontinuierlichen Wandels lesen Sie in „Sustaining a culture of continuous transformation in family business" . Erfahren Sie, wie Sie Ihr Familienunternehmen neu beleben, neu ausrichten und erneuern können.

Mit unserem Newsletter „Weitsicht für Familienunternehmen“ auf dem Laufenden

Die hier vorgestellte Publikation ist der erste Teil einer neuen Artikelreihe von KPMG Private Enterprise. Für weitere Informationen zu Publikationen und Events aus unserem nationalen und internationalen Netzwerk melden Sie sich gerne hier zu unserem Newsletter an. Wir informieren Sie gerne regelmäßig über aktuelle Themen und Entwicklungen aus den Bereichen Betriebswirtschaft, Informationstechnologie, Steuern und Recht mit einem besonderen Fokus auf Familienunternehmen und Mittelstand. Ob in Fragen der Governance, Nachfolge oder in der digitalen Transformation: Bleiben Sie mit uns gut informiert.