Hintergrund und aktuelle Entwicklungen

Diskussionen rund um die steuerliche Anerkennung von Konzerndarlehen bzw. zugrundeliegender Vereinbarungen, wie beispielsweise Zinssatz oder Besicherung, ist und bleibt ein Dauerbrenner in steuerlichen Betriebsprüfungen und geht nicht selten einher mit Verzweiflung bei den Steuerpflichtigen und deren Beraterschaft ob der restrikten Auslegung durch die Finanzverwaltung. 

Im vergangenen Jahr hat das oberste deutsche Finanzgericht, der Bundesfinanzhof (BFH), durch verschiedene Urteile im Zusammenhang mit Verrechnungspreisen richtungsweisende und begrüßenswerte Entscheidungen zur Behandlung von Konzerndarlehen getroffen. 

Bereits in 2019 hat der BFH in einem Urteil zur Abschreibung einer unbesicherten Darlehensforderung (27.02.2019, I R 73/16) seine bisherige Rechtsprechung weiterentwickelt, dass es bei den fremdüblichen Bedingungen im Falle von Darlehensgewährungen nicht allein auf den Zinssatz ankommt, sondern auch auf die Fremdüblichkeit der sonstigen Bedingungen (wie unter anderem der Besicherung).

Nun hat sich der BFH auch in 2021 insbesondere zu den Fragen der fremdvergleichsüblichen Verzinsung von Konzerndarlehen, der Nachrangigkeit und der Nichtbesicherung von Gesellschafterdarlehen positioniert. Nachfolgend werden die Kernaussagen der BFH Urteile anhand des dem jeweiligen Urteil zugrunde liegenden Sachverhaltes erläutert, wesentliche Auswirkungen für die Praxis dargelegt sowie die aktuelle Positionierung durch die Finanzverwaltung aufgezeigt.

Urteil zur Ermittlung fremdüblicher Zinsen auf Konzerndarlehen (18.05.2021, I R 4/17)

Ausgangspunkt der Feststellung war ein verzinsliches, unbesichertes Darlehen einer niederländischen Finanzierungsgesellschaft an ihre deutsche Schwestergesellschaft. Die deutsche Gesellschaft hatte zudem besicherte Darlehen bei Banken aufgenommen, jedoch zu einem geringeren Zins als das konzerninterne Darlehen. Das Finanzamt unterstellte eine fremdunübliche Verzinsung und kürzte den Zinsaufwand in Deutschland, da die Finanzierungsgesellschaft aufgrund des Dienstleistungscharakters nicht als Bank, sondern als Agent anzusehen sei. Zur Bestimmung des Fremdvergleichs sei deshalb die Kostenaufschlagsmethode anzuwenden. Das vorinstanzliche FG Münster positionierte sich noch zu Gunsten des beklagten Finanzamts.

Dem entgegen entschied der BFH, dass die Preisvergleichsmethode als Grundmethode zur Ermittlung fremdüblicher Darlehenszinsen vorrangig anzuwenden sei. Außerdem sei bei der Bonitätsbeurteilung eine Stand-alone Betrachtung der Darlehensschuldnerin (unter Berücksichtigung der Konzernstruktur) vorzunehmen und nicht ein Konzernrating. 

Es ist anzumerken, dass auch hier der BFH in seiner Rechtsprechung zum Konzernrückhalt differenzierter – und im Einklang mit den im Februar 2020 veröffentlichten OECD Verrechnungspreisrichtlinien (OECD-VPRL) – vorgeht. Ein besseres Konzernrating kann die Bonität von strategisch wichtigen Konzerngesellschaften erhöhen. Weiterhin führt der BFH an, dass die Angemessenheitsanalyse [aus Sicht der Darlehensschuldnerin] des Zinssatz nicht von der finanziellen Kapazität der Darlehensgeberin abhängt. 

Urteil zur Berücksichtigung von Nachrangigkeit und Nichtbesicherung (18.05.2021, I R 62/17)

Im Fall eines Beteiligungserwerbs durch eine deutsche Gesellschaft erfolgte die Finanzierung durch i) ein unbesichertes, nachrangiges Gesellschafterdarlehen (Zinssatz 8%), ii) ein besichertes Bankdarlehen (Zinssatz 4,78%), sowie iii) ein unbesichertes Darlehen vom Verkäufer der Beteiligung (Zinssatz 10%). Das Finanzamt betrachtete den Zinssatz für das Gesellschafterdarlehen als zu hoch und gewährte zum Vergleich mit dem Bankdarlehen lediglich einen Zinsaufwand in Höhe von 5%. Das vorinstanzliche FG Köln bestätigte diese Ansicht unter anderem mit der Begründung, dass keine Vergleichbarkeitsanpassungsrechnung zwischen konzerninterner und konzernexterner Finanztransaktion geboten wäre.

Der BFH entschied hingegen, dass der uneingeschränkte Vergleich mit dem Bankdarlehen aufgrund des Vorrangs und der Besicherung fehlerhaft sei, da ein fremder Dritter ein nachrangiges und unbesichertes Darlehen nicht zu denselben Konditionen vergeben würde wie ein vorrangiges und besichertes Darlehen. Die gesetzlich angeordnete Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen sei zur Ermittlung des Fremdvergleichs unbeachtlich, ebenso wie die konzerninterne Verbundenheit der Gesellschaften wegzudenken sei. Im Ergebnis müssten für den Fremdvergleich tatsächlich vorhandene Vereinbarungen mit fremden Dritten (hier das besicherte, vorrangige Bankdarlehen) zunächst rechnerisch angepasst werden, um etwaige spezielle Umstände bei verbundenen Unternehmen zu kompensieren (hier: keine Sicherheiten, Nachrangigkeit), bevor sie herangezogen werden können. Auch hier entschied der BFH grundsätzlich im Einklang mit den OECD Verrechnungspreisleitlinien.

Urteil zur Abschreibung eines Gesellschafterdarlehens (09.06.2021, I R 32/17)

Bei der Gewährung von Gesellschafterdarlehen einer inländischen Gesellschaft an ihre ausländischen Tochtergesellschaften wurde – neben den überwiegend unbesicherten und festverzinslichen Darlehen – für ein unbesichertes Darlehen als Gegenleistung anstelle eines Zinssatzes eine jährliche Beteiligung am Bilanzgewinn vereinbart. Die Finanzverwaltung vertrat hier die Auffassung, dass die Darlehensbestimmungen fremdunüblich seien und rechnete die von der deutschen Gesellschaft gewinnmindernd abgeschriebene Forderung wieder dem steuerlichen Gewinn hinzu. Auch hier entschied das zuständige Finanzgericht zuvor zu Ungunsten der klagenden Steuerpflichtigen. 

Der BFH entschied hingegen differenzierter. Dass die Darlehensbesicherung fehle, gehöre zwar zu den Bedingungen im Sinne des §1 AStG, welche im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zur Fremdunüblichkeit führen können, aber nicht unmittelbar führen müssen. Die Fremdvergleichskonformität hänge aber insbesondere davon ab, ob ein fremder Dritter das Darlehen zu denselben Konditionen, unter Berücksichtigung möglicher Risikozuschläge für die Nichtbesicherung, ausgereicht hätte. Da hierbei alle Umstände des Einzelfalles einzubeziehen seien, ist es laut BFH möglich, dass ein fremder Dritter bereit sei, beispielsweise gegen Vereinbarung eines Zinszuschlages das durch die Nichtbesicherung erhöhte Ausfallrisiko zu kompensieren. 

In vergleichbaren zuvor ergangenen Urteilen hatte der BFH noch entschieden, dass unbesicherte Darlehen nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprächen.

Formelle Positionierung der Finanzverwaltung

Am 14. Juli 2021, noch vor Veröffentlichung der oben aufgezeigten Urteile, veröffentlichte das Bundesfinanzministerium für Finanzen (BMF) die neuen Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise (VWG VP), welche die aktuelle Rechtsauffassung der Finanzverwaltung unter anderem zur Anerkennung von Konzerndarlehen formulieren (nicht unmittelbar bindend für den Steuerpflichtigen). Die VWG VP orientieren sich grundsätzlich und in weiten Teilen an den im Jahr 2020 veröffentlichten OECD-VPRL, wodurch sich die Finanzverwaltung weiter den internationalen Standards im Bereich Verrechnungspreise annähert. 

Die VWG VP gehen bezüglich konzerninternen Darlehensbeziehungen insbesondere auf folgende Themen ein:

  • Es ist zunächst nachzuweisen, dass es sich bei der Finanzierungsleistung steuerlich um Fremdkapital handelt.
  • Für die Anerkennung von Zinsaufwendungen muss die Finanzierung zudem wirtschaftlich erforderlich und vertretbar sein.
  • Ein Konzernrückhalt ist nicht entgeltfähig, da keine rechtlich durchsetzbare Sicherheit. Er soll jedoch im Rahmen der Kreditwürdigkeitsanalyse eines darlehensnehmenden Steuerpflichtigen im Einzelfall Berücksichtigung finden (wirtschaftlichen Stellung und Bedeutung innerhalb der Gruppe).
  • Die denkbare Fremdüblichkeit einer Nichtbesicherung zwischen Nahestehenden hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Hierbei sei unter anderem zu berücksichtigen, inwiefern die Verbindlichkeiten im Außenverhältnis besichert sind. 
  • Eine Finanzierungsgesellschaft ist im Regelfall mit geringer Marge (Kostenaufschlagsmethode) zu vergüten; Ausnahmen durch Substanznachweis zur Durchführung und Risikoübernahme sind möglich.

Verbleibende Widersprüche und Fazit

Die jüngste Rechtsprechung des BFH ist sicherlich ein bedeutsamer Meilenstein zur Klärung offener Fragen rund um die steuerliche Anerkennung von konzerninternen Finanzierungsbeziehungen und sollte insoweit dem Steuerpflichten starke Argumente im Rahmen laufender oder zukünftiger Diskussionen mit der Finanzverwaltung an die Hand geben. Gleichwohl ist die Reaktion der Finanzverwaltung auf die Urteile noch abzuwarten. 

Die jüngsten Beobachtungen zeigen, dass sich einige Betriebsprüfungen weigern, die BFH Rechtsprechung zu berücksichtigen, da diese bislang nicht im Bundessteuerblatt II veröffentlicht wurden (nur dann weist der Bundesfinanzminister die Finanzämter an, diese Urteile über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden). Andere Betriebsprüfungen geben sich deutlich progressiver und berücksichtigen die Sichtweisen des BFH in laufenden Fällen. 

Jedenfalls die Annäherung der Finanzverwaltung im Rahmen der VWG VP an die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien ist begrüßenswert, wenn auch nicht in allen Punkten frei von Widersprüchen zur Auslegung durch den BFH. So bleiben weiterhin offene Fragestellungen, welche bislang nicht aufgelöst sind und in Diskussionen mit der Betriebsprüfung weiterhin zu Verstimmungen führen können und werden. 

Aus unserer Sicht sollten vor dem Hintergrund der jüngsten BFH Rechtsprechung folgende wesentliche Punkte im Rahmen der Überprüfung bzw. Etablierung von Verrechnungspreisrichtlinien für die konzerninterne Darlehensvergabe beachtet werden:

  • Verschuldensfähigkeit des Darlehensnehmers.
  • Angemessenheit aller wesentlichen Bedingungen des Darlehens (zum Beispiel Währung, Laufzeit, Besicherung).
  • Robuste Bestimmung der Bonität des Schuldners und Analyse, ob und inwieweit der Konzernrückhalt bei der Ratingermittlung einzupreisen ist.
  • Konsistentes Verrechnungspreismodell auf Basis eigener externer Finanzierungen und/oder anderer Marktdaten. 

Im Interesse einer gütlichen Auseinandersetzung im Rahmen zukünftiger Betriebsprüfung sind Steuerpflichtige grundsätzlich gut beraten, auch die VWG VP bei der Bestimmung und Dokumentation ihrer Konzernfinanzierungen zu berücksichtigen.

Für Ihre Fragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 118,  Januar/Februar 2022
Autoren:
Marc Oliver Birmans, Director, Global Transfer Pricing Services
Roman Meissner, Senior Manager, International Transaction Tax