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Bestandsaufnahme Einzelhandelsmarkt

Der deutsche Einzelhandel ist in der Krise. Die Ursache der Krise ist allerdings nicht in der anhaltenden Covid-19 Pandemie und den daraus resultierenden Einschränkungen bzw. Schließungen zu suchen. Die Einschränkungen haben den bestehenden Strukturwandel zwar beschleunigt, allerdings ist die Entwicklung schon seit Jahren klar erkennbar. 

Insgesamt verzeichnet der Onlineanteil seit Anfang der 2000er Jahre ein konstantes Wachstum, auf inzwischen rund 12,6 Prozent. Dabei haben sich die einzelnen Branchen jedoch stark unterschiedlich entwickelt - während der Onlineanteil im Lebensmittelbereich bei nach wie vor moderaten 2 Prozent liegt, werden in den Bereichen Fashion und Accessoires bzw. Consumer Electronics jeweils nahezu 40 Prozent des Umsatzes online erzielt. (vgl. HDE Onlinemonitor S. 12)

Ergänzend zum massiven Druck durch den Onlinewettbewerb kämpft der Modeeinzelhandel zusätzlich damit, dass Covid-19 2020 zu einem Umsatzrückgang von rund 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr geführt hat. (vgl. HDE Zahlenspiegel 2021, S. 17)

Insgesamt stellt sich für den Einzelhandel damit die Frage, ob die Überwindung der Pandemie und Aufhebung der Einschränkungen dazu führen kann, dass die zuletzt während der Pandemie stark gestiegenen Onlineanteile wieder sinken, oder ob ein weiteres Wachstum zu erwarten ist. 

Das Wachstum des Onlinehandels ist noch nicht abgeschlossen

Auch wenn einzelne Stimmen nach wie vor davon ausgehen, dass die Anteile des Onlinehandels nach Überwindung der Pandemie wieder rückläufig sein werden, gehen aktuelle Studien davon aus, dass die Onlineanteile weiterwachsen werden und im Bekleidungssegment bis 2030 eine hälftige Umsatzverteilung Realität sein wird (vgl. KPMG, EHI: Front Row: Sehen, was morgen Mode ist, Studie Fashion 2030, S. 14

Die erwartete Verschiebung der Marktanteile führt zu einem nominalen Umsatzrückgang von weiteren rund 20 Prozent, wobei der stationäre Einzelhandel im Bekleidungsbereich bereits zwischen 2015 und 2020 real knapp 15 Prozent Umsatz verloren hat (vgl. KPMG, EHI: Front Row: Sehen, was morgen Mode ist, Studie Fashion 2030, S. 14). Einzelne Modehändler verstehen die Filialen inzwischen vermehrt als Aushängeschild und Marketingplattform, denn als gewinnbringender Vertriebskanal. 

Dabei ist die aktuelle Entwicklung der Modebranche vielleicht in Teilen eine Vorreiterrolle, es ist jedoch abzusehen, dass auch Branchen mit aktuell noch vergleichsweise geringen Onlineanteilen eine ähnliche Entwicklung erleben werden. Aktuelle Beispiele für stark wachsende Onlineanteile einzelner Branchen sind die Bereiche Heimwerken und Garten mit einem Onlineumsatzwachstum von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr oder auch der Bereich Freizeit und Hobby der 2020 bereits rund einen Drittel der Umsätze online verzeichnete. (vgl. HDE Onlinemonitor S. 11 ff.)

Aktuell noch kaum vom Onlinehandel beeinflusst ist trotz eines großen Wachstums im Jahr 2020 (Onlineumsatz plus 44 Prozent) der Bereich des kurzfristigen Bedarfs (sogenannte fast moving consumer goods), der jedoch trotz des massiven Wachstums immer noch einen Marktanteil von nur 3,3 Prozent hat. 

Haben Einzelhandelsimmobilien überhaupt noch eine Zukunftsperspektive?

Ausgehend von den beschriebenen, massiven und aus unserer Sicht auch nachhaltigen Veränderungen am Einzelhandelsmarkt stellt sich natürlich auch die Frage der Auswirkungen für den Immobilienmarkt. 

Insbesondere im Modebereich sind die Folgen in Form von Konsolidierungen und Schließungen bereits deutlich erkennbar. Namhafte große Textilketten wie C&A oder H&M haben allein während der Pandemie-Phase rund 20 Prozent ihrer Filialen geschlossen. Andere Textileinzelhändler wie Esprit oder Gerry Weber nutzten die Insolvenzverfahren für umfangreiche Konsolidierungen. 

Im Bereich der Shopping-Center sowie der innerstädtischen Kauf-, Waren- und Geschäftshäuser gehen wir kurz- bis mittelfristig von einem massiven Angebotsüberhang aus. Dieser Angebotsüberhang wird unseres Erachtens einerseits dazu führen, dass die guten Innenstadtlagen an Topstandorten und die sehr gut etablierten Shopping-Center mit teilweise deutlichen Mietrückgängen auch weiterhin Mietinteressenten finden werden. 

Außerhalb dieser als sehr gut zu klassifizierenden Flächen ist jedoch erheblicher Leerstand zu erwarten, zumal mit einem zu erwartenden Umsatzrückgang von mehr als 30 Prozent mittelfristig nicht weiterhin 100 Prozent der Einzelhandelsflächen bespielt werden können. 

Damit stellt sich zwingenderweise die Frage nach der Nachnutzung und wie diese am besten realisiert werden kann. Wir sind überzeugt davon, dass für einen Großteil der Immobilien auch weiterhin attraktive Nutzungen denkbar sind - wobei das Bewusstsein für entstehende Investitionskosten und gegebenenfalls zu erwartende Mieteinbußen realistisch zu beurteilen ist. 

Grundlagen für eine erfolgreiche Transformation

Eine erfolgreiche Transformation von Handelsimmobilien kann nicht nach einem Schema erreicht werden, sondern bedarf unseres Erachtens einer fundierten Auseinandersetzung mit dem spezifischen Standort, den entsprechenden Marktgegebenheiten sowie den konkreten baulichen Gegebenheiten. 

Innerstädtische Standorte haben aufgrund von Sichtbarkeit, Urbanität und Verkehrsanbindung andere Voraussetzungen als Quartierslagen oder Grüne-Wiese-Standorte und damit auch andere Chancen und Einschränkungen. Beispielsweise kann ein Grüne-Wiese-Standort vor den Toren einer Großstadt durch großzügige Frei- und Parkflächen Potenzial für Entwicklungen im Freizeitbereich bieten, während ein innerstädtischer, hochzentraler Standort tendenziell andere Potenziale beispielsweise touristischer Art bereithält. 

Unseres Erachtens ist es für eine nachhaltig erfolgreiche Nutzung unabdingbar eine fundierte Markt- und Standortanalyse des jeweiligen Standortes durchzuführen und darauf basierend auszuarbeiten, ob und in welchem Umfang Einzelhandel an diesem Standort in Zukunft noch funktionieren wird und welche Nutzungen eine sinnvolle Ergänzung des Konzeptes darstellen.