• Christoph Frey, Partner |

Das Bundesverwaltungsgericht entschied am 10. März 2022 im Sachverhalt (A-4347/2019), dass bei einer Veräusserung einer Immo AG eine stellvertretende Liquidation anzunehmen sei. Die Verrechnungssteuer von rund CHF 3.5 Mio. zuzüglich Verzugzinsen ist vorliegend somit nicht zurückzuerstatten. 

Sachverhalt (A-4347/2019)

Ein ausländischer Staatsangehöriger hat in 2013 über eine Rechtsstruktur in Liechtenstein (die B SA) eine Schweizer Immo AG an die Schweizer A SA verkauft. Am gleichen Tag veräusserte die Immo AG dann den Hauptvermögenswert – eine Liegenschaft – an eine Stiftung in Liechtenstein. An der ordentlichen Generalversammlung 2015 der Immo AG wurde eine Dividende von knapp CHF 10 Mio. zugunsten der Schweizer A SA ausgeschüttet. Das Meldeverfahren und danach auch der Antrag auf Rückerstattung der Verrechnungssteuern wurden durch die ESTV abgewiesen. 

Erwägungen des Gerichts

Mit dem Verkauf der Liegenschaft in 2013 ohne Reinvestition der dadurch erhaltenen Mittel sei die faktische Liquidation der Immo AG eingeleitet und mit der Dividende in 2015 abgeschlossen worden. Auf die Argumentation der Rekurrentin, dass der Verkauf der Immobilie an die Stiftung ein einfacher Zufall bzw. eine grossartige Gelegenheit gewesen sei und sie die Liegenschaft ursprünglich selbst behalten wollte, wird aufgrund verschiedener Indizien nicht eingegangen. Dies u.a. weil die Rekurrentin die Stiftung bereits vor dem Aktienkauf über den Erwerb der Immobilie in Kenntnis gesetzt habe, der Verkaufspreis der Immo AG innert weniger Monaten fast halbiert worden sei (vermutlicher Grund sei die Verrechnungssteuerersparnis durch die gewählte Vorgehensweise) und die Stiftung eine erste Kaufpreistranche für den Erwerb der Liegenschaft bereits vor dem Kauf der Immo AG Aktien durch die A SA zu bezahlen hatte.   

Nach Prüfung der Voraussetzungen einer Steuerumgehung sieht das Bundesverwaltungsgericht eine solche vorliegend als gegeben. Begründung: Die gewählte Rechtsform sei ungewöhnlich, sachwidrig und absonderlich (sog. objektives Element); sie wurde nur deshalb gewählt, um Steuern zu sparen (sog. subjektives Element) und hätte tatsächlich zu einer erheblichen Steuerersparnis geführt, sofern dies die Steuerbehörden akzeptieren hätten. Entsprechend sei auf der Dividende von CHF 9.97 Mio. die volle Verrechnungssteuer von 35% nicht zurückzuerstatten (keine Reduktion auf 15% gemäss Hilfsantrag der Beschwerdeführerin).

So ordnen wir den Entscheid ein

Es ist zu begrüssen, dass sich die Steuerbehörden und Gerichte beim Thema der stellvertretenden Liquidation sehr detailliert mit einzelnen Sachverhalten auseinandersetzen. Vor allem bei der Beurteilung des objektiven Elements der Steuerumgehung ist diese Sorgfalt nötig. Immobilientranskationen werden bezüglich der rechtlichen Ausgestaltung laufend komplexer und entsprechend wäre es falsch, sich auf einfache Asset Deals aus der Vergangenheit als nach wie vor geltender Standard zu berufen. Ob die vorliegende Transaktionsweise tatsächlich nur so gewählt wurde, um Steuern zu sparen (subjektives Element), oder ob nicht vielmehr auch wirtschaftliche Aspekte dazu führten, soll an dieser Stelle unkommentiert bleiben (womöglich wird das Bundesgericht dies noch klären). 

Der Share Deal bei einer Immo AG ist aus Sicht der Verkäuferin tatsächlich oft die einfachste und wirtschaftlich sinnvollste Vorgehensweise. Das objektive Element der Steuerumgehung im Sinne der stellvertretenden Liquidation kann deshalb bei einem üblichen Share Deal nur selten gegeben sein. Die Käuferin ist in der Regel am Erwerb der Immo AG zur Nutzung der Liegenschaft interessiert. Falls sich nach dem Kauf die Situation ändert und eine Umstrukturierung oder ein Verkauf der Liegenschaft aus wirtschaftlichen Gründen opportun wird, kann dies im Sinne der stellvertretenden Liquidation ebenfalls nicht schädlich sein. 

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