• Marc-André Giger, Director |

Integrierte Versorgung, das heisst eine Versorgung, die über einzelne Leistungserbringer hinweg geht, ist zum Zauberwort zahlreicher Akteure im Gesundheitswesen geworden. Treiber im Ganzen sind, anders als noch vor Jahren, die Kantone.

Wie heisst es doch: Die richtige Idee zum falschen Zeitpunkt. Man mag sich an die Managed Care-Vorlage erinnern als das Volk 2012 es ablehnte, eine scheinbare Einschränkung der Wahlfreiheit des Leistungserbringers zu akzeptieren. Dass es dabei auf eine bessere Koordination der Leistungserbringer wie Spitäler, Spitex oder Pflegeheime und damit auf eine Qualitätsverbesserung verzichtete ging im allgemeinen Abstimmungskampf vollständig unter. Damals waren die Krankenversicherer die Treiber der Idee. Und sie hatten es schwer mit ihren Argumenten. Man unterstellte ihnen primär zulasten der Versicherten Kosten zu sparen; nämlich indem sie diese „managen“ wollten.

Die Patientin will nicht "gemanaged", sondern begleitet werden

Aber der Versicherte ist auch Patient. Und als ein solcher will er nicht gemanaged werden als wäre er Teil einer industrialisierten Produktionskette. Er will bei der Prävention oder im Falle einer Erkrankung begleitet werden – mit Kompetenz, Empathie und vor allem Achtsamkeit. Dies traute man den Krankenversicherern nicht zu. In der Folge kam es bei den Verfechtern des Ansatzes und beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) zu einem regelrechten Re-Branding: Das Forum Managed Care wurde zum Forum für Integrierte Versorgung. Das BAG strich den Begriff aus seinem Wortschatz und sprach fortan von Koordinierter Versorgung.

Mehr Qualität bei tieferen Kosten

Klar ist unter Gesundheitsexperten: Die bessere Koordination, Integration und übergeordnete Betrachtung von Prävention, kurativer Medizin, Spitex, Pflege und Rehabilitation führt zu einer ganzheitlichen Betreuung der Versicherten und der Patientinnen. Und damit zu einer qualitativ besseren und effizienteren Behandlung, welche schliesslich auch einen Beitrag zur Kostenstabilisierung leistet. Integrierte Versorgung also als Beitrag zu mehr Qualität bei tieferen Kosten.

Neuer Wein in neuen Schläuchen

Sieben Jahre nach der verlorenen Abstimmung wagen sich die Akteure wieder aus der Deckung. Die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) hat unlängst einen Leitfaden zuhanden der Kantone herausgegeben, der Ideen und Praxisbeispiele zu integrierten Versorgungsmodellen enthält. Damit wurde die Idee von Managed Care unter neuem Label wiederbelebt und angereichert. Neuer Wein in neuen Schläuchen quasi. Einzelne Kantone zeigen bereits wie es gehen könnte, indem sie mit innovativen Ansätzen vorangehen.

Vier Kantone, drei Erfolgsrezepte

KPMG hat Vertreter der Kantone Bern, Graubünden und der beiden Basel besucht und deren Initiativen im Bereich der modernen Gesundheitsversorgung durchleuchtet. Vier Kantone – drei Erfolgsrezepte.

Klar ist in allen betrachteten Fällen: Das mutige Vorangehen auf der kantonalen Gesundheitsversorgungsebene ist das Resultat von harter Arbeit. Dies zeigt sich eindrücklich. Doch nicht nur das haben die drei Beispiele gemeinsam: Sie alle werden von "oben" angetrieben, denn erst mit der Unterstützung der Regierung werden solche Projekte zum Erfolg.

Gleichzeitig werden sie von einer überzeugten Basis bei den Vertretern der Leistungserbringer, der Politik und – am wichtigsten – von der Bevölkerung mitgetragen. Mit dieser breiten Abstützung wird die erfolgreiche Umsetzung der innovativen Visionen sichergestellt.

Im Kanton Graubünden wird die Idee eines einzigen, organisatorisch zusammengeführten Gesundheitszentrums pro Gesundheitsregion verfolgt. "Gesundheit aus einer Hand" lautet das Motto von Gesundheitsvorsteher Peter Peyer.

Im Kanton Bern soll in Zweisimmen/Saanen eine regionale, nachhaltige, finanzierbare und personenorientierte Gesundheitsversorgung entstehen. Mit einem Campus und einem Gesundheitszentrum. Oder wie es der Gesundheitsdirektor, Pierre-Alain Schnegg formuliert: "Eine massgeschneiderte Lösung – von der Geburt bis zum Altersheim".

Und in den beiden Basel finden sich die Regierungen, nach der verlorenen Abstimmung um den Zusammenschluss des Kantonsspitals und des Universitätsspitals, zur "Gemeinsamen Gesundheitsregion beider Basel" zusammen, welche das „Aufbrechen von Silos" über die Kantonsgrenzen hinweg anstrebt.

Vier Kantone – drei Ansätze. Mutig und innovativ sind sie alle. Und im Gegensatz zu früheren Zeiten werden sie diesmal von den Kantonen, Leistungserbringern und vor allem der Bevölkerung mitgetragen. Es wird spannend zu verfolgen sein, wie sie sich in den kommenden Jahren entwickeln werden.

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