Eine globale Mindeststeuer wird das Wettbewerbsumfeld in der Schweiz und im Ausland verändern – und andere Standortfaktoren in den Vordergrund rücken.

Stefan Kuhn Partner, Head of Tax & Legal

BEPS 2.0 ist für die internationale Steuergemeinschaft ein wichtiges Thema. Die technische Umsetzung der in Säule 2 geforderten Mindestbesteuerung ist im Gange –

auch in der Schweiz: Die Mindeststeuer steht ganz oben auf der politischen Agenda von Bund und Kantonen. Doch wie geht es weiter? 

Die Position der Schweiz als attraktiver Wirtschaftsstandort für multinationale Unternehmen beruht nicht zuletzt auf wettbewerbsfähigen Steuersätzen, -vorschriften und -anreizen. 

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Die geplante Einführung einer globalen Mindeststeuer wird den internationalen Steuerwettbewerb einschränken oder in einigen Fällen sogar ausschalten. Als Niedrigsteuerstandort für internationale Unternehmen ist die Schweiz von dieser Entwicklung besonders betroffen. 

Im neuen Marktumfeld gewinnen auch andere Standortfaktoren an Bedeutung: Qualifizierte Arbeitskräfte, ein arbeitgeberfreundliches Arbeitsrecht, wettbewerbsfähige Einkommenssteuern und ein starker Rahmen für den Aussenhandel sind nur einige der Stärken, auf die sich die Schweiz nach der Umsetzung von Säule 2 konzentrieren sollte. 


OECD/G20-Projekt «globale Mindeststeuer»

Die Einführung einer globalen Mindeststeuer wird sich auf den internationalen Steuer- und Standortwettbewerb auswirken – und auf die Standortstrategie der Schweiz. 

Der OECD/G20-Rahmen zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (Inclusive Framework on Base Erosion and Profit Shifting) einigte sich am 8. Oktober 2021 auf eine Zwei-Säulen-Lösung zur Bewältigung der steuerlichen Herausforderungen, die sich aus der Digitalisierung der Wirtschaft ergeben. Diese Einigung von mehr als 130 Ländern weltweit hat – bezüglich Säule 2 – zahlreiche Gesetzgebungsverfahren ausgelöst.

Einige Länder haben schon Entwürfe für Änderungen ihrer Rechtsvorschriften veröffentlicht oder diese sogar bereits verabschiedet. Andere haben ihre entsprechende Absicht angekündigt.

Ende 2022 hat sich auch die EU auf eine Richtlinie zur Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung geeinigt. Hinzu kommen Entwicklungen in Ländern, die zwar nicht direkt die Einführung der GloBE-Musterregeln vorsehen, doch im Zusammenhang mit der Mindestbesteuerung zu betrachten sind. 

Internationale Ankündigungen (Stand Juni 2023)

Internationale Ankündigungen (Stand Juni 2023)

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Ergänzungssteuer

Angesichts der aktuellen internationalen Entwicklungen ist davon auszugehen, dass ab 2024 für grosse Unternehmen mit einem konsolidierten Umsatz von mehr als 750 Millionen EUR ein globaler Mindeststeuersatz von 15% gelten wird. Die Schweiz dürfte diese Steuerbelastung durch eine inländische Zusatzsteuer für betroffene Schweizer Unternehmen umsetzen. 

GloBE-Modellregeln zur Ergänzungssteuer

  • Die Ergänzungssteuer wird primär bei der obersten Muttergesellschaft oder bei einer Zwischengesellschaft erhoben (Income Inclusion Rule, IIR), ansonsten sekundär in den anderen Ländern, in denen der Konzern tätig ist (Undertaxed Profits Rule, UTPR).  
  • Das jeweilige Land kann die Differenz bereits im Voraus durch eine inländische Ergänzungssteuer erheben, damit keine Besteuerung im Ausland anfällt (Qualified Domestic Minimum Top-up Tax, QDMTT). 
  • Die Ergänzungssteuer wird primär bei der obersten Muttergesellschaft oder bei einer Zwischengesellschaft erhoben (Income Inclusion Rule, IIR), ansonsten sekundär in den anderen Ländern, in denen der Konzern tätig ist (Undertaxed Profits Rule, UTPR).  
  • Das jeweilige Land kann die Differenz bereits im Voraus durch eine inländische Ergänzungssteuer erheben, damit keine Besteuerung im Ausland anfällt (Qualified Domestic Minimum Top-up Tax, QDMTT). 
Environmental tax revenues, 2010 – 2020

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Vom Steuer- zum Subventionswettbewerb

Durch die globale Mindeststeuer und die Einführung einer inländischen Ergänzungssteuer wird sich die Steuerbelastung der betroffenen Unternehmen in einigen Kantonen erhöhen. Weitere Standortmassnahmen können daher helfen, die Attraktivität des Standorts zu erhalten. 

Massnahmen zur Förderung des Wirtschaftsstandorts Schweiz

Bei der Erarbeitung neuer Standortförderungsmassnahmen ist darauf zu achten, dass sie sich nicht oder nur minimal negativ auf die Mindestbesteuerung auswirken. Gleichzeitig müssen sie den Anforderungen von OECD und EU entsprechen. Mögliche Standortmassnahmen zu entwickeln, die diese Voraussetzungen erfüllen, ist eine Herausforderung für die Kantone, da sie alle unterschiedliche Ausgangslagen, Bedürfnisse und Ambitionen haben. Wenn sie die folgenden Grundsätze beachten, können sie jedoch wirksame Massnahmen entwickeln, welche die Attraktivität der Kantone und der Schweiz insgesamt unterstützen.

Die Massnahmen sollten ...

  1.  ... mit den GloBE-Modellregeln kompatibel sein (allgemein zugänglich und unabhängig vom Gewinn).
  2. ... mit (EU-)Beihilferegelungen, Freihandelsabkommen, WTO-Abkommen usw. vereinbar sein (einschliesslich Nichtselektivität).
  3. ... den betroffenen Unternehmen so weit wie möglich zugutekommen (Effektivität). 
  4. ... innenpolitisch umsetzbar sein, im Hinblick auf mögliche kantonale Abstimmungen/Referenden. Auch zu prüfen ist, ob bestehende Gesetze angepasst werden müssen oder ob gar ein neues Gesetz notwendig ist.

Grundsätzlich geht es darum, die Schweiz und die Kantone mit weiteren Standortvorteilen auszustatten, um allfällige Nachteile gegenüber ausländischen Konkurrenten zu kompensieren (insbesondere die höhere Kostenbasis, zum Beispiel bei den Löhnen).

Internationales Subventionsspektrum

Auch die Entwicklungen in den USA und der EU haben zur Folge, dass sich der Steuerwettbewerb allmählich zum Subventionswettbewerb entwickelt. Insbesondere in der EU sind grosse, wirtschaftsstarke Mitgliedstaaten, welche EU-Subventionen durch nationale Fördermassnahmen ergänzen können, gegenüber kleineren Ländern im Vorteil, da diesen weniger Mittel zur Verfügung stehen.

  • Europäischer Green Deal
    Das Vorzeigeprogramm der EU, der Europäische Green Deal, zielt darauf ab, die Treibhausgasemissionen bis Ende 2030 um mindestens 55% zu reduzieren. Ein Drittel der bereitgestellten 1 800 Milliarden EUR soll Projekte finanzieren, die den Zielen des Green Deals dienen.
  • US Inflation Reduction Act (IRA)
    Das US-Gesetz zur Reduzierung der Inflation umfasst Finanzhilfen in Höhe von mehr als 350 Milliarden USD, um Anreize für die Reduzierung von Treibhausgasen zu schaffen und Investitionen in die heimische Produktion sowie die Entwicklung und Vermarktung neuer Technologien zu fördern. 
  • EU Temporary Crisis and Transition Framework (TCTF)
    Der befristete Krisenrahmen bedeutet eine Lockerung der Regeln für staatliche Beihilfen und soll den einzelnen Mitgliedstaaten ermöglichen, gezielte direkte Subventionen für Unternehmen zu gewähren, die im Bereich der erneuerbaren Energien und Komponenten sowie der Bereitstellung oder Wiederverwertung von Rohstoffen für diese Produkte tätig sind. 

Wirksamer Mix aus alten und neuen Instrumenten

Bezeichnenderweise haben auf Ebene der steuerlichen Standortfaktoren die Steuergutschriften (Qualified Refundable Tax Credits, QRTC) und die direkten Subventionen im Rahmen der neuen Mindestbesteuerung eine viel geringere (negative) Auswirkung als der zusätzliche F&E-Abzug und die Patentbox. Entsprechend wird sich der Wettbewerb tendenziell von den Steuern hin zu den Subventionen/QRTC verlagern. 

Abschliessend sollte man nicht vergessen, dass Konzerne unterhalb der 750-Millionen-EUR-Schwelle weiterhin von den bestehenden Regelungen profitieren können (beispielsweise Standortförderung durch die Patentbox, zusätzlicher F&E-Abzug, Steuererleichterungen). Diese Instrumente sollten nicht ohne triftigen Grund aufgegeben werden.

Persönliche Einkommenssteuer und Gewinnsteuer für Unternehmen

Persönliche Einkommenssteuer

Für Privatpersonen bleibt die Schweiz ein attraktiver Standort.
Die Einkommenssteuersätze haben sich im Vergleich zu den Vorjahren kaum verändert und sind mit einem durchschnittlichen maximalen Steuersatz von rund 33,45% stabil.

Im Vergleich zu anderen inner- und aussereuropäischen Ländern liegt die Schweiz weiterhin im Mittelfeld. Dies ist ein wichtiger Faktor für die Gesamtattraktivität des Standorts.

Einkommenssteuersätze in den Kantonen 2023

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Gewinnsteuer für Unternehmen

Im europäischen Vergleich bleiben die Zentralschweizer Kantone wettbewerbsfähig und können sich weiterhin gegen Steueroasen wie Jersey und die Isle of Man behaupten.

Im europäischen Ländervergleich führen die skandinavischen Länder auch 2023 die Liste an. Im Gegensatz dazu haben viele osteuropäische Länder in den letzten Jahren Einheitssteuersätze eingeführt und ihre Steuersätze dadurch drastisch gesenkt.

Gewinnsteuersätze in den Kantonen 2023

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