Neue Technologien haben erhebliche Auswirkungen auf Finanzfunktionen von Unternehmen und die Wirtschaftsprüfung: Während sich das Finanzwesen immer mehr in Richtung Berater der Geschäftsbereiche entwickelt, müssen Wirtschaftsprüfer immer höhere Anforderungen puncto Qualität, Effizienz und Mehrwert erfüllen. Deshalb setzt die Branche verstärkt auf Innovationen durch neue Technologien. Datengestützte Prüfungen, künstliche Intelligenz (KI), Robotic Process Automation (RPA) und intelligente Prognoseverfahren sind beim technologischen Wandel im Finanz- und Wirtschaftsprüfungsbereich entscheidende Faktoren. Wie steht es derzeit konkret um den Einsatz neuer Technologien in der Wirtschaftsprüfung? Welche Auswirkungen haben sie auf die Durchführung von Prüfungen und die Interaktion zwischen Finanzfunktion und Wirtschaftsprüfer?

Der britische Financial Reporting Council (FRC), gewöhnlich eine der progressiveren Aufsichtsbehörden für Wirtschaftsprüfer, hat Vorsitzende von Prüfungsausschüssen und Investoren über den Einsatz von Technologie durch Wirtschaftsprüfer befragt («The use of technology in the audit of financial statements», Financial Reporting Council, März 2020). In seinem Bericht über die Befragung hält der FRC fest, dass Vorsitzende von Prüfungsausschüssen: «… erwarten, dass Wirtschaftsprüfer ‹genug Mut beweisen, um Vorgehensweisen zu erweitern›, indem sie automatisierte Tools und Techniken einsetzen, dieüber eine herkömmliche, retrospektive Prüfung hinausgehen.» Auch Investoren «begrüssen den Einsatz von Technologie mit dem Ziel, die Effizienz und die Qualität von Prüfungen zu steigern. Sie sehen den Nutzen aus der Beurteilung ganzer Grundmengen von Transaktionen, die den ‹Aktionären grössere Sicherheit› bieten.»

Statt die Vorschriften zu ändern, um die oben genannten Ziele zu erreichen, geben einige Aufsichtsbehörden dem Markt praktische Hilfestellungen zu den in Prüfungen verwendeten Technologien in die Hand. Dies steht im Einklang mit deren langjährigem Standpunkt, dass Prüfungsstandards prinzipienbasiert bleiben sollten. Unternehmen sollten sich also darauf einstellen, dass Technologie in den Gesprächen mit ihren Wirtschaftsprüfern stärker in den Vordergrund rücken wird.

Die Kunden geben sich nicht mehr mit einem Blick in den Rückspiegel zufrieden, sondern wollen auch nach vorne durch die Windschutzscheibe sehen. Sie wollen wissen, wohin die Fahrt geht und wie wir uns mit Risiken und Chancen, den sich ändernden Vorschriften, dem Wettbewerb und der Globalisierung zurechtfinden.

Chris Standsbury
CFO, Arrow Electrics

Nutzung der Technologie-Investitionen unserer Kunden

Inwieweit wir als Wirtschaftsprüfer Technologielösungen bei einer gegebenen Prüfung einsetzen können, ist in hohem Masse davon abhängig, wie ausgereift die IT-Landschaft des Kunden ist. Diese Abhängigkeit wird mit der zunehmenden Verbreitung neuer Technologien künftig noch zunehmen. Grundsätzlich gilt: Je ausgereifter, standardisierter und harmonisierter die IT-Landschaft und die Prozesse eines Kunden sind, desto einfacher kann ein hochentwickelter datengestützter Prüfungsansatz angewendet werden.

Wenn Unternehmen moderne ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning) beispielsweise mit RPA und Low-Code-Plattformen kombinieren, können sie standardisierte, hoch automatisierte Prozesse implementieren, die mehrere Abteilungen, Standorte und Funktionen miteinander verbinden. Die durch diese Prozesse entstehende «Dataspur» ermöglicht der Finanzfunktion die Anwendung fortschrittlicher Analyse- und Überwachungsverfahren. Damit wird sie zu einem erfahrenen Business Partner. Uns im Gegenzug ermöglicht es, in jedem Schritt der Prüfung Daten zu nutzen und somit eine entsprechende Modernisierung vorzunehmen.

Bei KPMG haben wir spezifische Lösungen entwickelt, um dieses Potenzial auszuschöpfen – von der Risikobeurteilung bis hin zur Durchführung von Prüfungshandlungen. Zur Beurteilung von Risiken nutzen wir mit KPMG Clara Business Process Mining Daten, damit wir die Prozesse besser verstehen und ungewöhnliche Trends erkennen. Mit KPMG Clara Analytics leiten wir aussagebezogene Prüfungsnachweise durch gezielte Analysen von Haupt- und Nebenbüchern ab, um uns auf die relevanten Risiken zu konzentrieren.

Die Art und Weise wie KPMG kontinuierlich investierte und sich selbst herausforderte, um die Prüfung im Gleichschritt mit unserer eigenen Transformation zu entwickeln… dabei stets neue Technologien zu unserem Nutzen einsetzte, wann und wo immer es Sinn machte, war bemerkenswert… Dadurch sorgte KPMG für eine robuste, effiziente Prüfung, lenkte den Prüfungsaufwand an die richtige Stelle und gewährleistete so, dass die Investitionen von Nestlé in Standardisierung und Zentralisierung in vollem Umfang genutzt wurden.

Stefan Helfenstein
Head of Group Accounting, Reporting & Control, Nestlé

Mit der zunehmenden Weiterentwicklung der Technologie müssen Wirtschaftsprüfer in der Lage sein, Kunden eine auf ihre spezifische Situation abgestimmte, umfassende Palette von Lösungen anzubieten. Der nachhaltige Erfolg vieler Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wird von ihrer Fähigkeit abhängen, Innovationen zu bündeln und ein Ökosystem innovativer technologiegestützter Prüfungsinstrumente aufzubauen, die auf integrierte und vernetzte, aber dennoch kontrollierte Weise zusammengeführt werden können.

Eine gut durchdachte, intuitive Kombination von Prüfungsmethoden mit den neuesten Technologien, Kundendaten und -interaktionen wird von entscheidender Bedeutung sein. Deshalb stützen wir uns bei unserem Ansatz auf unsere globale Plattform KPMG Clara, die neue Technologien wirksam und zugleich agil integriert.

Distribution of effort

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Automatisierung zur Steigerung von Qualität und Effektivität

Die weitere Harmonisierung der gesamten Palette datengestützter Tools und Techniken wird bestehende Prüfungsmethoden in Frage stellen und die Prüfungsqualität verbessern. In der Vergangenheit wurden Risikobeurteilung, Tests von Kontrollen und aussagebzogene Prüfungen weitgehend isoliert voneinander durchgeführt. Mit Hilfe von Technologien können Wirtschaftsprüfer jetzt Transaktionsdaten für aller drei Bereiche auf einmal nutzen. KPMG Clara reflektiert dies: Die strukturierten Finanzdaten von Kunden dienen als Grundlage für Analysen zur Risikobeurteilung, sie werden automatisch in die Arbeitspapiere für die Prüfung aufgenommen und generieren gleichzeitig aussagebezogene Analysen.

Automatisierung ersetzt nicht nur einfache repetitive Aufgaben und Vorgänge mit hohem manuellem Aufwand wie Stichproben und Hauptbuchanalysen. Vielmehr wird sie immer öfter auch in Prüfungsbereichen eingesetzt, die spezifische Beurteilungen / Einschätzungen erfordern. Mit den neuen Tools und Techniken können zunehmend auch anspruchsvollere, unstrukturierte Datensätze verarbeitet werden. Die Intelligent Platform for Automation (IPA) von KPMG fasst viele dieser neuen Tools in einer Plattform zusammen. So wird unter anderem RPA zur Unterstützung in verschiedenen Bereichen der Prüfung zur Verfügung gestellt. Diese RPA umfasst etwa auch kognitive Techniken, welche die Überprüfung und Kommentierung von Kundendokumenten unterstützen. Journaleinträge werden mit fortschrittlichen, durch künstliche Intelligenz gestützte Technologien auf Ausreisser untersucht, und die Erstellung von Arbeitspapieren wird mit Hilfe kognitiver Markierungs- und Hervorhebungstechniken automatisiert.

Auch in unserem Audit-Kundenportfolio haben die ersten künstliche Intelligenz-Anwendungen im Bereich der Finanzprüfung Einzug gehalten. Um Kunden zu helfen, die mit künstlicher Intelligenz einhergehenden neuen Herausforderungen zu meistern, hat KPMG ein Framework für künstliche Intelligenz (AI in Control entwickelt, welches eingesetzt wird, wenn künstliche Intelligenz geprüft werden muss. Das Framework berücksichtigt die Vorschriften für künstliche Intelligenz der EU und der Schweiz, deren Veröffentlichung wir in Kürze erwarten.

Voraussagende Prognoseverfahren, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen ergänzen menschliche Erkenntnisse und sorgen für eine robustere Prüfungssicherheit. Dieser Ansatz bietet unseren Kunden mehr Qualität und Sicherheit, denn sie können davon ausgehen, dass die bei der Prüfung eingesetzten Technologien und Abfragetechniken neue Sichtweisen in Bezug auf Risiken bieten. Ein anschauliches Beispiel dafür ist der Einsatz unseres Moduls KPMG Clara Contract Management, welches OCR-Technologie zur automatischen Texterkennung mit hochentwickelten Algorithmen kombiniert. Dadurch können weniger strukturierte Daten ausgewertet werden und wir können ermitteln, ob die Bilanzierungsklassifizierungen mit den Prüfungsstandards übereinstimmen. Auch das Hinterfragen von Wertminderungsannahmen des Managements mit KPMG Clara’s Asset Impairment Tool (CAIT), um Sensitivitäten zu beurteilen und die Wahrscheinlichkeit einer Wertminderung auf der Grundlage der historischen Prognosegenauigkeit zu berechnen, ebnet den Weg für den Einsatz anspruchsvollerer Technologien in der Prüfung.

Veränderung des Prüfungsteams

Alle diese technologischen Möglichkeiten und Veränderungen haben Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Prüfungsteams. Natürlich werden die klassischen Prüfungsgrundlagen nach wie vor erforderlich sein, um ein Urteil über die Jahresrechnungen abzugeben. Die Mitglieder des Prüfungsteams müssen sich jedoch zusätzlich mit dem Einsatz von Datenanalysen, Automatisierung und neuen Technologien auskennen. Wirtschaftsprüfer müssen sich ebenso wie die Finanzfunktion von Unternehmen die Denkweise von Datenwissenschaftlern zu eigen machen, damit sie Daten sowie grosse, unstrukturierte Datenmengen auswerten können. Technologie und Automatisierung werden das Tagesgeschäft von Wirtschaftsprüfern weiter verändern. Im Zuge dessen werden Kunden vom Zugang zu einem umfassenderen Wissenspool, neuen datengestützten Perspektiven und einem eingehenderen Verständnis von Technologierisiken profitieren. Wirtschaftsprüfungsunternehmen werden Expertenrollen mit traditionellen Prüfungsrollen kombinieren, indem sie Datenanalysen und neue Technologien in die Prüfungsfunktion integrieren.

Das Prüfungsteam im Wandel

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Bereit für die Prüfung der Zukunft

Einige weitsichtige Experten prophezeien, dass Finanzfunktion und Wirtschaftsprüfung, wie wir sie heute kennen, vollständig ersetzt werden. Wir können keinen Blick in die Kristallkugel werfen, aber wenn es tatsächlich dazu kommen sollte, wird es noch eine Weile dauern. Vorerst werden Technologien die menschliche Sichtweise nicht vollständig ersetzen können, vor allem nicht das menschliche Urteil. Technologie und menschliches Know-how werden sich im Einklang miteinander weiterentwickeln, einander verstärken und vorantreiben. Denn der Beruf des Wirtschaftsprüfers ist und bleibt ein von Menschen geprägter Beruf, der durch Technologie verbessert und ergänzt wird.

Neue Technologien und eine datengestützte Sichtweise werden uns helfen, innovative Tools zu entwickeln, die sich zunehmend integrieren lassen. Als Wirtschaftsprüfer werden wir mehr Zeit haben, auf die Risiken, die wirklich wichtig sind, sowie auf komplexere Beurteilungen zu fokussieren. Datengestützte Techniken werden unterdessen eine schnellere Prüfung von Routine- und häufigen Transaktionen ermöglichen. Wir werden uns von der Prüfung weitgehend historischer Informationen hin zu einem kontinuierlichen Überwachen bewegen, welches die Entscheidungsfindung in Echtzeit unterstützt.

Technologie wird uns helfen, noch fundiertere, eingehendere Erkenntnisse zu gewinnen, welche die Zukunftsaussichten von Unternehmen unterstützen. Damit können wir auch die zunehmenden Erwartungen der Aufsichtsbehörden und der Gesellschaft insgesamt erfüllen und einen noch grösseren Mehrwert für unsere Kunden schaffen – somit profitieren sowohl die Wirtschaftsprüfer als auch unsere Kunden. KPMG begrüsst diesen Wandel.

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