Mit 2040, so das Ziel der Bundesregierung, soll Österreich klimaneutral sein. Von europäischer und nationaler Ebene kommen mit der EU-Taxonomie sowie der CO2-Besteuerung neue Verpflichtungen und gesetzliche Rahmenbedingungen. Kaum besprochen wird in diesem Zusammenhang die Rolle des öffentlichen Sektors. Doch dieser kann gleichzeitig Steuerungsinstanz, Innovator und Verbündeter sein.

Auch wenn Pandemie, russischer Angriffskrieg und damit einhergehend Energiekrise und Inflation dafür sorgen, dass das Thema Klimaneutralität in den Hintergrund rückt: Spätestens auf den zweiten Blick wird klar, dass die multiple Krisensituation Innovation antreiben und die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft voranbringen kann. Dies gilt sowohl für das Klima als auch für den öffentlichen Sektor.

Ungenaue Zahlen

Das österreichische Ziel der Klimaneutralität 2040 – die Europäische Union will es bis 2050 erreichen – verläuft entlang von Etappen: Beispiel hierfür sind in Österreich das Verbot von Gasheizungen in Neubauten ab 2023, der verpflichtende Tausch von Öl- und Kohleheizungen bis 2035 oder das vonseiten der Europäischen Union vorgegebene Aus für Verbrennungsmotoren ab 2037. Auch wenn diese Maßnahmen Treibhausgasemissionen reduzieren, fehlen die verbindlichen Zwischenziele. Das überrascht nicht: Bundesweite CO2-Emissionen werden derzeit in der Retrospektive aus der Energiebilanz errechnet. Das führt dazu, dass belastbare Zahlen erst anderthalb Jahre nach Jahresende vorliegen – zu spät, um nachzuvollziehen, welche Maßnahmen wie erfolgreich waren. Änderung verspricht derzeit lediglich das vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung entwickelte Modell ALICE, das Emissionen quartalsweise prognostizieren soll.

Fehlende Vorgaben

Fest steht: Der Weg zur Klimaneutralität benötigt feste Budgets, vorgegebene Kontrollinstanzen und klar definierte Steuerungsinstrumente, die von staatlicher Seite festgelegt werden müssen. Um CO2-Emissionen zu steuern, müssen sie zunächst wie andere Kosten budgetiert werden. Nur: Wer genau ist dann in Folge für das Controlling und die Steuerung verantwortlich? Bundesseitig gibt es hier wenig Einfluss. Es ist notwendig, Zwischenziele dort anzusiedeln, wo auch wirksame Schritte gesetzt werden: in Institutionen, Gebietskörperschaften, Gemeinden. Dort entfalten Maßnahmen ihre Wirkung. Deren Bemessung ist keineswegs trivial: Angenommen eine Gemeinde möchte klimaneutral werden – zählt der Durchzugsverkehr als „selbstverursachte“ Emission, als Scope 1, 2 oder 3-Emission? Genau diese Vorgaben für einheitliche CO2-Budgetierung, -Controlling und -Steuerung gibt es derzeit nicht.

Innovation „von unten“

Zur Erreichung der Ziele einer klimaneutralen Zukunft bedarf es auch konkreten Handelns in Form innovativer ­Bottom-up-Initiativen. Seit 1998 läuft etwa das österreichweite Programm für energieeffiziente Gemeinden, sogenannte e5-Gemeinden (siehe Abbildung), 2004 wurde es von der Klimaschutzinitiative des Klimaschutzministeriums übernommen. Angaben der Initiative zufolge leben mittlerweile 20 Prozent aller Menschen in Österreich in einer solchen Klimaschutzgemeinde. e5-Gemeinden setzen ihre Energiepolitik gemäß eines standardisierten klima- und energierelevanten Maßnahmenkatalogs um. Regelmäßiges externes Auditing garantiert die einheitliche Beurteilung im Zertifizierungsprozess. Als Teil eines europäischen Netzwerkes, dem European Energy Award, können e5-Gemeinden zudem auf zahlreiche internationale Best Practice-Beispiele zurückgreifen. Dadurch können sie die eigenen Maßnahmen kontinuierlich optimieren. Der öffentliche Sektor ist hier Bottom-up-Innovator und Steuerungsinstanz durch die Vorgabe von Maßnahmen. Handlungsfelder der e5-Gemeinden sind dabei Gemeindeentwicklungsplanung und Baubewilligung, gemeindeeigene Gebäude und Anlagen, Versorgung und Entsorgung (Energie, Wasser, Abwasser, Abfall), Mobilität, Interne Organisation, Bewusstseinsbildung, Motivation, Kommunikation und Kooperation.

klimaneutral

Fehlende Ressourcen

Die Umwandlung zu einer klimaneutralen Gemeinde ist natürlich mit Kosten verbunden. Entsprechende Förderungen gibt es zwar. Doch damit die EU bis 2050 das angestrebte Ziel der Klimaneutralität erreicht, bedarf es laut Schätzungen der EU-Kommission zwischen EUR 175 und 290 Mrd an zusätzlichen Investitionen EU-weit1. Auch die KPMG Studie „Kommunales Management“ zeigt auf: Gemeinden wollen im Bereich der Nachhaltigkeit aktiver werden, Voraussetzung dafür sind entsprechende Ressourcen. Der Studie nach ist bei einem signifikanten Teil der Gemeinden der Ergebnis- und Finanzierungshaushalt angespannt, was zu einer defensiven Innovationspolitik führt. Hier kann ein effizientes Fördermanagement dabei helfen, vorhandene Förderungen optimal zu nutzen. Im Privatsektor ist dies in vielen Bereichen bereits üblich.

Großer Aufholbedarf

Nicht zu unterschätzen ist der Beitrag öffentlicher Unternehmen zur Klimaneutralität. Hier ist der öffentliche Sektor ein Verbündeter, vorausgesetzt er zieht mit den Verpflichtungen privater Unternehmen mit: Die Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf öffentliche Unternehmen gibt zwar einen Anreiz. Insgesamt hinkt der öffentliche dem privaten Sektor aber hinterher: Nur zwei von 53 befragten EU-Institutionen und -Agenturen veröffentlichen ihre Nachhaltigkeitsberichte, von den österreichischen Bundesministerien oder Landesämtern gibt es keine. Haupthindernis sind laut einer Befragung auf europäischer Ebene fehlende standardisierte Vorgaben für eine klimabezogene Berichterstattung – die Steuerungsfunktion des Sektors ist gefragt.

Es zeigt sich: Der öffentliche Sektor steht am Anfang.
Das große Projekt Klimaneutralität 2040 fordert ihn heraus, entsprechende Werkzeuge und Expertise in den Bereichen Budgetierung, Controlling, Steuerung und Fördermanagement stetig weiterzuentwickeln. Damit der öffentliche Sektor zu einer Instanz der Steuerung, zum Innovator mit neuen Impulsen aber auch zum Vorreiter und Verbündeten auf dem Weg in eine ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltige Zukunft wird.
 

1 European Union (2019): Financing sustainable growth