Drei Jahre nach der Einführung von IFRS 9 als neuem Standard für Finanzinstrumente hat das IASB im September 2021 seinen „Post Implementation Review“ gestartet. In einer ersten Phase waren Stakeholder aufgerufen, ihr Feedback zum Bereich Klassifizierung und Bewertung abzugeben. Dieser Beitrag stellt die wichtigsten Rückmeldungen vor.

Das IASB hat im März 2022 die Ergebnisse der ersten Umfrage zum Post Implementation Review von IFRS 9 zum Themenblock Klassifizierung und Bewertung veröffentlicht.

Fragen über Fragen

Bei der Festlegung der Geschäftsmodelle wünschen sich die Anwender zusätzliche Anwendungshinweise und illustrative Beispiele. Zusätzlich werden die Bestimmungen darüber, wann eine Reklassifizierung aus einem Geschäftsmodell in ein anderes vorgenommen werden darf, als zu restriktiv kritisiert. In diesem Bereich sind in Enforcement-Verfahren zuletzt vermehrt Fehlerfeststellungen zu verzeichnen gewesen.

Bei der Beurteilung des Zahlungsstromkriteriums („SPPI-Test“) merken Anwender an: Insbesondere neuere Instrumente, deren Verzinsung sich bspw nach ESG-Kriterien richtet, stellen Unternehmen vor Herausforderungen. Die aktuellen Regeln auf diese in letzter Zeit vermehrt auftretenden Instrumente können nicht sinnvoll angewendet werden. Das IASB wurde aufgefordert, hier rasch eine Lösung herbeizuführen. Eine Fair Value Bewertung für ESG-Instrumente wird von der Praxis dabei als nicht sinnvoll angesehen.

Weitere Zweifelsfragen betreffen die Anwendung der Bestimmungen für Finanzinstrumente mit Tranchen („Credit linked instruments“, CLI), die Frage, wie das Projektrisiko vom Kreditrisiko im Detail abzugrenzen ist (Beurteilung von „non-recourse“ Instrumenten) sowie die Frage, was als vernünftige Abgeltung („reasonable compensation“) im Falle einer vorzeitigen Rückzahlung angesehen werden kann. Die Beantwortung dieser Fragen ist entscheidend dafür, ob ein Instrument zu fortgeführten Anschaffungskosten oder erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertet werden muss.

Zur Frage, ob die Bewertung von Eigenkapitalinstrumenten über das Sonstige Ergebnis (OCI) ohne Recycling beibehalten werden soll, gab es unterschiedliche Rückmeldungen. Sie reichen von einer Beibehaltung des aktuellen Modells bis zur Forderung nach einer Wiedereinführung eines Modells mit Recycling (vergleichbar der Regelungen unter IAS 39). Zweiteres würde allerdings die Wiedereinführung zusätzlicher Wertminderungsvorschriften für Eigenkapitalinstrumente erfordern.

Klarstellung erbeten

Einhellige Rückmeldung: Für den Bereich der Vertragsanpassungen bestehen die meisten offenen Fragen, es sind zusätzliche Anwendungsleitlinien erforderlich. Dies reicht von der generellen Frage, wann überhaupt von einer Vertragsanpassung auszugehen ist, über die Tatsache, dass es zwar Regelungen für finanzielle Verbindlichkeiten, aber nicht für finanzielle Vermögenswerte gibt, bis hin zur Frage, wie zu beurteilen ist, wann eine Vertragsanpassung so „substanziell“ ist, dass sie eine Ausbuchung des ursprünglichen Instruments rechtfertigt bzw erfordert.

Auch bei der Anwendung der Effektivzinsmethode herrscht Bedarf nach zusätzlichen Klarstellungen: Wie ist mit der Schätzunsicherheit bei der erstmaligen Festlegung der erwarteten Zahlungsströme bei der erstmaligen Erfassung eines Instruments und somit bei der Ableitung des Effektivzinssatzes umzugehen? Was ist genau unter einem „variablen Zinssatz“ zu verstehen? Wann sind die Bestimmungen des IFRS 9.B5.4.5 (Marktzinsanpassung), wann B5.4.6. (Änderung der Erwartung von Zahlungsströmen) anzuwenden? Auch in anderen Detailbereichen wurden Fragen hinsichtlich einzelner vom Standard verwendeter Formulierungen artikuliert. Das IASB will sich in den kommenden Monaten mit diesen Fragen beschäftigen. Für Ende des Jahres ist die Veröffentlichung einer Stellungnahme zur weiteren Vorgehensweise geplant.