Rund um Klima und Menschenrechte gibt es eine Vielzahl an aktuellen Herausforderungen, die Unternehmen weltweit bewältigen müssen. Welche Strategien helfen effektiv, um diese Herausforderungen nicht nur zu meistern, sondern daran zu wachsen und aus zukünftigen Krisen gestärkt herauszugehen? Und warum sind wirksame Governance-Strukturen ein kritischer Erfolgsfaktor?

Klimarisiken, Schutz und Einhaltung der Menschenrechte, Störungen entlang der Wertschöpfungskette und unerwartet volatile Energiemärkte – Unternehmen haben aktuell viele offene Baustellen. „ESG“ wird in diesem Zusammenhang als entscheidender Zukunftsfaktor behandelt.

Die erfolgreiche Basis

Insbesondere für Anleger:innen und andere Stakeholder:innen von Unternehmen, nehmen ESG-Faktoren einen immer größeren Stellenwert ein. Während Umwelt- und Sozial-Aspekte in der öffentlichen Diskussion häufig im Vordergrund stehen, bleibt Governance im Zusammenhang mit ESG für viele ein vager Begriff. Dabei wird durch entsprechende Governance-Strukturen die Einhaltung von „E“ und „S“ sichergestellt. Governance ist das Fundament für ein nachhaltig erfolgreiches Unternehmen. Sie unterstützt bei der Erreichung von Unternehmenszielen, gibt Strukturen vor und bildet den Rahmen für die Steuerung von Prozessen, Risiken und Chancen sowie deren Auswirkungen. Für Unternehmen ist eine wirksame Governance für die Erreichung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen somit unerlässlich.

Jährlich steigen die Anforderungen an Governance-Systeme. Erst im Februar 2022 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (EU) 2019/1937 (Richtlinienentwurf) veröffentlicht. Darüber hinaus definiert der Entwurf des European Sustainability Reporting Standards (ESRS-Entwurf) der European Financial Reporting ­Advisory Group Governance Anforderungen, die in Zukunft für viele Unternehmen verpflichtend werden.

Vom Fundament bis zum Dach

Um diesen und weiteren Anforderungen zu entsprechen, ist ein solides Governance-System essenziell: Im „House of Governance“ sind die wesentlichen Elemente dargestellt (Abbildung). Es verdeutlicht die Notwendigkeit der Involvierung unterschiedlicher Stakeholder, um Governance-Ziele festzulegen, Risiken und Chancen zu beurteilen, entsprechende Maßnahmen zu setzen sowie Entwicklungen und Fortschritte zu überwachen. Das stabilisierende Grundgerüst des Hauses bilden die vier Elemente: Compliance-Management, Risiko-­Management, Internes Kontrollsystem und Interne Revision. Die vier Elemente werden grundsätzlich durch die Geschäftsleitung eines Unternehmens gesteuert und durch den Aufsichtsrat überwacht. Die Qualität der Ausgestaltung sowie die ordnungsgemäße Steuerung und Überwachung der Elemente ist für wirksame Governance von entscheidender Bedeutung.

House of Governance

Über alle Elemente des „House of Governance“ hinweg sollen die Verantwortlichkeiten, Rollen und deren Beziehungen untereinander von der Ebene der Mitarbeiter:innen bis zum Aufsichtsorgan regelmäßig reflektiert, transparent dokumentiert und kommuniziert werden. Für jedes Element sollten jedenfalls Ziele, Strategien und Maßnahmen zur Zielerreichung sowie Risiken dokumentiert und in Richtlinien bzw Arbeitsanweisungen verankert werden. So definiert der ESRS-Entwurf beispielsweise die Berichterstattung der Governance-Aktivitäten an Aufsichtsorgane als zentral.

Bezüglich der Organisation von Aufsichtsorganen selbst sollen in Anlehnung an den ESRS-Entwurf, Aspekte wie ua Diversität in der Zusammensetzung, Nominierungsverfahren und Vergütungsverfahren im Rahmen eines Governance Kodex berücksichtigt werden.

Genau kontrolliert

Ein Compliance Management System (CMS) gewährleistet die Einhaltung von Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien als auch vertraglicher Pflichten und Selbstverpflichtungen. Das bedeutet, dass die Einhaltung der beschriebenen Vorgaben an sich eine Compliance-Aufgabe darstellt. Gemäß dem Richtlinienentwurf müssen dazu im Speziellen zB ein Verhaltenskodex erstellt, Verfahren zur Prävention sowie Aufdeckung von Verstößen gegen die Sorgfaltspflichten implementiert und Beschwerdemöglichkeiten im Unternehmen eingerichtet werden. Bei all diesen Vorgaben handelt es sich um klassische Elemente eines CMS. Darüber hinaus beschreibt der ESRS-Entwurf die Notwendigkeit eines Systems zur Verfolgung, Untersuchung und Reaktion auf Korruptionsvorwürfe oder -vorfälle. Auch diese Anforderungen werden typischerweise in einem CMS erfüllt.

Die Berichterstattung über den Risikomanagementprozess, inkl Identifikation, Analyse, Bewertung und Strategie zur Steuerung bzw Vermeidung relevanter Risiken wird vom ESRS-Entwurf ­gefordert. Der Richtlinienentwurf hebt wiederum die Identifikation und Bewertung von Risiken im Zusammenhang mit Menschenrechten und Umweltauswirkungen als wesentlich hervor. Wo, wenn nicht im Risikomanagement werden diese Anforderungen wirksam erfüllt?

Um die Integrität und Glaubwürdigkeit der (Nachhaltigkeits-)Berichterstattung zu stärken, sollen gem ESRS-Entwurf ua Umfang, Hauptmerkmale und Bestandteile des Internen Kontrollsystems offengelegt werden und auch, ob das Leitungsorgan die Angemessenheit der internen Kontrollen des Unternehmens prüft. Weiters verlangt der Richtlinienentwurf unabhängige Berichte über tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten auf die Umwelt und Menschrechte entlang der Lieferkette. Interne und externe Audits bieten unabhängige und objektive Berichterstattung und können damit diese Anforderung erfüllen.

Governance als Werttreiber

Es steht fest: Governance gewinnt in Zeiten ständiger Krisen und steigender Regulierung weiter an Bedeutung. Oftmalige Befürchtungen über erhöhte Kosten und gebundene Ressourcen durch Governance können in der Regel aufgelöst und ihr Potenzial als Werttreiber klargestellt werden: Denn wirksame Governance gewährleistet transparente und korrekte Abläufe im Unternehmen, steigert die Effizienz und Effektivität einzelner Prozesse, sorgt für stabile und nachhaltige Geschäftsbeziehungen, stärkt die Wertschöpfungskette eines Unternehmens maßgeblich und schützt vor Strafen.