Im Finanzbereich erfährt insbesondere das strategische Controlling durch die zunehmende Digitalisierung eine Vorreiterrolle: Neue technische Möglichkeiten müssen für eine bessere und automatisierte Unternehmenssteuerung eingesetzt werden. Es gilt, die Vorteile der künstlichen Intelligenz zu nutzen, um die strategische Steuerung zu optimieren und dadurch Wettbewerbsvorteile zu erlangen.

Bei den Aufgaben des strategischen Controllings gibt es verschiedene klassische Problemfelder. Die umfassenden vorhandenen Daten können nicht effizient genug verarbeitet werden, um sie bei den Werkzeugen des strategischen Controllings einzubeziehen: Beispielsweise werden vorhandene Informationen des Umfeldes nicht umfassend eingebunden. Quantitative Zusammenhänge und externe Einflussfaktoren werden bei der manuellen Darstellung von Szenarien nicht genügend eingebracht. Getroffene Annahmen sind bei Planung oder Wirtschaftlichkeitsanalysen vom individuellen Risikoverhalten der Inputgeber abhängig.

KI als Lösung

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) kann diesen Problemfeldern entgegenwirken. Eine verbesserte Sichtbarkeit von Geschäftstrends basierend auf quantitativen Treibermodellen ermöglicht eine genauere Entscheidungsgrundlage: Bisher unerschlossene Daten sowie externe Daten können verstärkt eingebunden werden. Darüber hinaus werden menschliche Fehler eliminiert und dadurch die Gefahr von Fehlsteuerung reduziert. Durch KI können also die Werkzeuge des strategischen Controllings in wesentlich umfangreicherer und effizienterer Form eingesetzt werden. Es entstehen detaillierte Analysen und Entscheidungsgrundlagen.

Einsatz zur Steuerung

In der Praxis gibt es diverse Use Cases, die zeigen, dass KI dabei unterstützen kann, die Unternehmenssteuerung zu optimieren (Abbildung). Dadurch erlangen Unternehmen Wettbewerbsvorteile. Das strategische Controlling fokussiert naturgemäß verstärkt auf die Bereiche der strategischen Steuerung:

  1. Trenderkennung
    Erkennen von Trends, die die Strategie bestimmen und sich auf die Entwicklung von Geschäftsmöglichkeiten auswirken

  2. Prognosen strategischer KPIs
    Auswirkung externer Faktoren auf strategische KPIs für die mittel- und langfristige Sicht (zB Umsatz, EBIT)

  3. Simulation von Events/Krisen
    Auswirkungen großer Ereignisse auf die weitere Geschäftsentwicklung (zB Kriege, Gesundheitskrisen)

  4. Treibermodell-Erweiterung
    Erweiterung der Treibermodelle um interne und externe quantitative Treiber zur verbesserten Simulation von Teilplänen

  5. Simulation strategischer Maßnahmen
    Vorhersage der Auswirkungen strategischer Maßnahmen auf das Gesamtgeschäft

  6. Impairment Forecasts
    Frühzeitige Identifizierung von Indikatoren für Impairment-­Risiken und rechtzeitige Festlegung von Maßnahmen

  7. Maintenance- bzw Invest-Prognosen
    Vorhersage des richtigen Zeitpunkts für Wartung oder ­Investitionen zur Vermeidung von Ausfallzeiten in Wertschöpfungsprozessen

  8. Standortoptimierung
    Finden des richtigen Standorts für Filialen, Fabriken, ­Lagerhäuser
    Im Folgenden wird auf zwei konkrete Use Cases eingegangen, die in Unternehmen erfolgreich umgesetzt wurden.
KI bei Optimierung Unternehmenssteuerung

Trends früh erkennen

Natural Language Processing (NLP) ermöglichte eine effiziente und automatisierte Erkennung von Trends im Lebensmitteleinzelhandel. Die Herausforderung: der enorme Aufwand zur Gewinnung von aussagekräftigen Erkenntnissen aus unstrukturierten Daten. Durch den Einsatz von KI und NLP wurden Trends im Umfeld des Unternehmens identifiziert. KI-gesteuerte Algorithmen wurden erstellt: Auf Basis von externen unstrukturierten Daten (zB Texte aus der Presse, sozialen Medien oder Blogs) und Daten aus internen Kommunikationskanälen identifizierten sie relevante Themenbereiche.

Dadurch wurden Trend-Änderungen zu marktrelevanten Themen erkannt sowie eine strukturierte Risikoüberwachung für das Unternehmen, Konkurrenten und Kund:innen durchgeführt. Eine wesentliche Erkenntnis waren Informationen bzw Gerüchte zu einem möglichen Marktaustritt eines Konkurrenten. Dadurch konnte das Unternehmen frühzeitig damit beginnen, eine potenzielle Markteintrittsstrategie zu entwickeln.

Treffsichere Prognose

KI ermöglichte die Optimierung von Prognosen der Absatzmengen in einem Unternehmen der Papier-Industrie. Die Herausforderung: Die langen Vorlaufzeiten in der Produktionsplanung und der volatilen Marktnachfrage führten zu steigenden Lagerbeständen und erhöhten Produktionskosten. Mithilfe von auf Machine Learning-basierten Prognosen von strategischen KPIs wurden die Auswirkungen externer Faktoren für die mittel- und langfristige Sicht analysiert. Mit diversen KI-Methoden analysiert wurden dabei detaillierte Absatzdaten der letzten fünf Jahre sowie die extern verfügbaren Indexda-ten über denselben Zeitraum.

Das Ergebnis: eine identifizierbare Abhängigkeit zwischen Verkaufsdaten und Indexdaten. Man kam zu dem Ergebnis, dass die Prognosegenauigkeit für etablierte Vertriebsregionen mit hohem Sales-Volumen und damit guter Datenbasis sehr vielversprechend war – bis zu 99 Prozent. Außerdem wurde festgestellt, dass die COVID-Krise eine negative Auswirkung auf die Treffsicherheit des Modells hatte. Für zukünftige Prognosen bedeutete das: Die Daten aus dieser Phase müssen ebenfalls durch den Einsatz von KI-Methoden normalisiert werden, um die adaptierte Datenbasis als Grundlage für Prognosen heranziehen zu können.

Ein neuer Ansatz

Diese Praxisbeispiele zeigen: Durch den Einsatz von KI können wesentliche Potenziale zur verbesserten Steuerung in Unternehmen realisiert werden. Den klassischen Problemfeldern der strategischen Unternehmenssteuerung wird dadurch entgegengetreten. Generell gilt, die Einführung der Methode in einem strukturierten Ansatz voranzutreiben und dabei schrittweise einen verstärkten Einsatz von KI in der strategischen Unternehmenssteuerung zu realisieren.