VwGH zur unterlassenen Weiterleitung von Partei-Eingaben durch das Finanzamt: Rechtswidrigkeit der BFG-Entscheidung

Tax News 05-06/2022

Verfahrensrecht

Kletterer

Abgabenbehörde und Beschwerdeführer sind während eines BFG-Verfahrens zu gleichem Maße verpflichtet, unverzüglich alle entscheidungsrelevanten Umstände dem BFG mitzuteilen. Im konkreten Fall leitete das Finanzamt ein nach Vorlage an das BFG beim Finanzamt eingebrachtes Beweisanbot nicht weiter. Die BFG-Entscheidung war rechtswidrig und daher aufzuheben (VwGH 20.10.2021, Ra 2021/13/0066).

1. Sachverhalt: Vorlageantrag beim Finanzamt nicht auffindbar

Die Beschwerde eines Steuerpflichtigen wurde als unbegründet abgewiesen. Daraufhin brachte der Steuerpflichtige einen Vorlageantrag per Einschreiben beim zuständigen Finanzamt ein (04.10.2018). Da der Vorlageantrag beim Finanzamt nicht auffindbar war, übermittelte der Steuerpflichtige über Anregung des Finanzamtes den Antrag drei Monate später erneut an das Finanzamt (Jänner 2019).

Im Vorlagebericht beantragte das Finanzamt die Zurückweisung der Beschwerde durch das BFG, da der Vorlageantrag verspätet eingebracht worden wäre (Jänner 2019). Der Steuerpflichtige brachte daraufhin beim Finanzamt einen weiteren Schriftsatz ein. Diesem legte er einen Nachweis der Post bei, in welchem der fristgerechte Zugang des ursprünglichen, eingeschriebenen Vorlageantrags beim Finanzamt bestätigt wurde (08.10.2018).

2. BFG: Vorlageantrag als verspätet zurückgewiesen

Der Schriftsatz mit Postnachweis war direkt an das Finanzamt gerichtet. Der Steuerpflichtige brachte diesen nicht zusätzlich beim BFG ein. Das Finanzamt verständigte das BFG hierüber nicht und leitete den Schriftsatz auch nicht an das BFG weiter. Daher ging das BFG in seiner Entscheidung von einer verspäteten Einbringung des Vorlageantrages im Jänner 2019 aus: Zurückweisung als verspätet.

3. VwGH 20.10.2021, Ra 2021/13/0066: Entscheidend ist Rechtsrichtigkeit – Einbringung bei FA ausreichend

Die BAO enthält keine explizite Bestimmung dazu, wo Schriftsätze im Zuge eines Beschwerdeverfahrens (ab Vorlage) einzubringen sind. Langen neue Tatsachen, Beweise und Anträge während des Verfahrens beim Finanzamt ein, befinden sich diese in der dem BFG zurechenbaren Sphäre. Das BFG hat diese daher auch in seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Wird das BFG über Eingaben der Partei nicht verständigt, weil das FA diese nicht an das BFG weiterleitet, so können diese idR auch nicht in der Entscheidung berücksichtigt werden und es droht die Rechtswidrigkeit der BFG-Entscheidung.

Dass seit dem FvwGG 2012 auch den Beschwerdeführer ab Vorlage der Beschwerde eine Verständigungspflicht (§ 265 Abs 6 BAO) trifft, ändert an diesem Ergebnis nichts: Ab Einlagen der Eingabe beim Finanzamt befindet sich diese in der Sphäre des BFG und hat von diesem berücksichtigt zu werden. Der VwGH hob daher die BFG-Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit auf.

4. Ergebnis: Umfassende Weiterleitungspflicht des Finanzamtes bei sonstiger Rechtswidrigkeit

Die BAO enthält keine explizite Bestimmung, wo Schriftsätze im Zuge eines Beschwerdeverfahrens einzubringen sind. Für den Steuerpflichtigen ist es daher unerheblich, wo (Finanzamt/BFG) er im Beschwerdeverfahren seine Schriftstücke einbringt.

Grundsätzlich kann er darauf vertrauen, dass alle entscheidungsrelevanten Umstände vom Finanzamt weitergeleitet werden. Sicherheitshalber sollte der Beschwerdeführer die Schriftstücke (auch) direkt beim BFG einbringen. Die Nicht-Weiterleitung durch das Finanzamt kann die Rechtswidrigkeit der BFG-Entscheidung zur Folge haben und das Verfahren unnötig verlängern.

Mit der vorliegenden Entscheidung bestätigt der VwGH seine bisherige Rechtsprechung. Anderslautende Stimmen in der Literatur werden widerlegt (zB Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3 § 270 Rz 2).

Neben der Rechtswidrigkeit der BFG-Entscheidung können aus der unterlassenen Verständigung des BFG auch andere nachteilige Konsequenzen resultierten: Kommt es während des BFG-Verfahrens bspw zu einer Umgründung und geht der Beschwerdeführer unter, so ist das auf den ursprünglichen Beschwerdeführer lautende Erkenntnis ein sog „Nicht-Erkenntnis“ und das Beschwerdeverfahren gilt als nicht erledigt. Nach der aktuellen VwGH-Rsp hat nicht nur der Beschwerdeführer bzw dessen Rechtsnachfolger das BFG über die Umgründung zu verständigen. Mit Anzeige der Umgründung beim Finanzamt trifft auch dieses die Verpflichtung zur Informationsweitergabe an das BFG.

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