Anwendung des besonderen Steuersatzes auch für im Ausland abgewickelte Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten

Tax News 05-06/2022

Sonstiges

Kletterer

Der VwGH hat kürzlich bestätigt, dass vor dem Hintergrund des Unionsrechts der besondere Steuersatz von 27,5 % auch für Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten, die über eine in der EU ansässige Bank abgewickelt und ausbezahlt werden, gilt. Der Gesetzgeber hat dieses Thema bereits im Rahmen der ökosozialen Steuerreform 2022 aufgegriffen und mit Wirkung ab 01.03.2022 legistisch umgesetzt.

Ausganglage

Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten unterliegen grundsätzlich dem progressiven Einkommensteuertarif. Der besondere Steuersatz von 27,5 % und die damit verbundene Endbesteuerungswirkung im Privatvermögen steht allerdings dann zu, wenn die auszahlende Stelle einen freiwilligen KESt-Abzug vornimmt. Die Möglichkeit des freiwilligen KESt-Abzugs war bislang auf inländische auszahlende Stellen beschränkt.

Im vor dem VwGH entscheidungsrelevanten Sachverhalt erzielte ein in Österreich ansässiger Steuerpflichtiger Einkünfte aus Kapitalvermögen aus nicht verbrieften Derivaten gemäß § 27 Abs 4 EStG 1988. Die Geschäftsabwicklung erfolgte über eine Bank in Dänemark. Dem entsprechend wurden die Einkünfte aus Kapitalvermögen nach Abzug von Werbungskosten zum progressiven Steuertarif veranlagt, wogegen der Steuerpflichte unter Berufung auf die unionsrechtlichen Grundfreiheiten Beschwerde erhob.

Entscheidung des VwGH

Der VwGH hält in seiner Erkenntnis vom 08.03.2022 (RO 2019/15/0184) fest, dass die zu diesem Zeitpunkt geltende Regelung eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art 56 AEUV darstellt. Gemäß § 27a
Abs 2 Z 7 EStG idF vor ÖkoStRefG können nämlich nur inländische auszahlende Stellen iSd § 95 Abs 2 Z 2 lit b EStG den freiwilligen KESt-Abzug vornehmen, der Voraussetzung für die Anwendung des besonderen Steuersatz gemäß § 27a Abs 1 Z 2 EStG ist. Für eine ausländische Bank besteht nach dieser Gesetzeslage keine Möglichkeit zum freiwilligen KESt-Abzug und damit bleibt der Zugang zum besonderen Steuersatz verwehrt. Demzufolge werden dieselben Einkünfte nur auf Grund der Ansässigkeit der abwickelnden Bank unterschiedlich besteuert, weshalb Dienstleistungen von Banken in anderen EU-Mitgliedstaaten für österreichische Anleger weniger attraktiv werden und ein Wettbewerbsnachteil gegenüber österreichischen Banken entstehen kann. Ob neben diesem Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit zusätzlich auch ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art 63 AEUV vorliegt wurde vom VwGH nicht beurteilt.

Fazit

Auf Basis des VwGH-Erkenntnisses und des Unionsrechts kann nun für alle offenen Veranlagungsjahre mit Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten, die über ausländische Banken aus EU-Mitgliedsstaaten abgewickelt und ohne KESt-Abzug ausbezahlt wurden, der besondere Steuersatz von 27,5 % im Veranlagungsweg beantragt werden. Zu beachten ist, dass Einkünfte aus über österreichische Banken abgewickelte verbriefte Derivate weiterhin dem progressiven Einkommensteuertarif unterliegen, wenn die Bank den KESt-Abzug nicht freiwillig durchgeführt hat.

Der Gesetzgeber hat dieses Thema bereits im Rahmen der ökosozialen Steuerreform 2022 aufgegriffen und die Möglichkeit zum freiwilligen Steuerabzug - und der damit verbundenen Anwendbarkeit des besonderen Steuersatzes gemäß § 27a EStG - auch für ausländische Zahlungsdienstleister und Wertpapierfirmen geschaffen. Von der Bestimmung betroffen sind nicht nur Banken aus EU-Mitgliedsstaaten, sondern Wertpapierfirmen, Zahlungsdienstleister und E-Geldinstitute mit deren Ansässigkeitsstaat Österreich eine umfassende Amtshilfe vereinbart hat. Für die Einbehaltung und Abfuhr der Steuer soll neben der ausländischen Zahlstelle auch der steuerliche Vertreter haften. Der freiwillige Steuerabzug kann von diesen Einrichtungen bereits auf Kapitalerträge, die nach dem 01.03.2022 zufließen, angewendet werden.

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