VwGH: Haftung des Rechtsanwalts für ImmoESt

Tax News 04/2022

Immobilien

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Berufsrechtliche Parteienvertreter, insbesondere Rechtsanwälte, haften bei Vornahme der Selbstberechnung der Immobilienertragsteuer bei Grundstücksveräußerungen für die Abfuhr sowie die Richtigkeit der Berechnung, sofern diese wider besseres Wissen auf Grundlage der Angaben des Steuerpflichtigen erfolgt. Mit Erkenntnis vom 9. Februar 2022 (2022/15/0004) hob der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichts wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf, da dieser die zur Haftungsinanspruchnahme berechtigende Verfehlung eines Rechtsanwaltes bei der ImmoESt-Berechnung nicht ausreichend dargelegt hatte. 

VwGH zur Haftung eines Rechtsanwalts für eine fehlerhafte ImmoESt-Berechnung

Mit Erkenntnis vom 9. Februar 2022 (2022/15/0004) hob der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts (BFG 27.09.2021, RV/1100616/2016) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf. Nach Ansicht des VwGH wurde seitens des Bundesfinanzgerichts nicht ausreichend begründet, warum eine Haftungsinanspruchnahme eines Rechtsanwalts mittels Haftungsbescheids aufgrund einer falschen ImmoESt-Berechnung gerechtfertigt sei.

1. VwGH 9. 2. 2022, Ro 2022/15/0004

Im gegenständlichen Sachverhalt wurde ein Rechtsanwalt mittels Haftungsbescheid zur Haftung herangezogen, da er die fiktiven Anschaffungskosten im Zuge einer Grundstücksveräußerung („Altvermögen“) nach Ansicht des Finanzamts zu hoch angesetzt und somit eine Verkürzung der ImmoESt bewirkt hat. Nach Ansicht des Finanzamts lag im vorliegenden Fall eine Umwidmung in Bauland vor, womit lediglich fiktive Anschaffungskosten iHv 40 % anstatt der vom Rechtsanwalt angesetzten 86 %  geltend gemacht werden hätten können. Der Rechtsanwalt erhob gegen den Haftungsbescheid Beschwerde und wandte sich dabei gegen die aus seiner Sicht unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache durch die Abgabenbehörde und damit gegen die vorgeschriebene Nachzahlung. Das Bundesfinanzgericht wies die Beschwerde jedoch als unbegründet ab. In der nachfolgenden Revision hob jedoch der VwGH das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Nach Ansicht der VwGH wurde es sowohl durch das Finanzamt als auch das Bundesfinanzgericht unterlassen die Frage zu klären, ob die Berechnung der ImmoESt wider besseres Wissen auf Grundlage der Angaben des Steuerpflichtigen erfolgt ist und die Voraussetzungen für das Entstehen der Haftung des Rechtsanwalts somit überhaupt gegeben sind.

2. Haftung des Rechtsanwalts für die Abfuhr und Berechnung der ImmoESt

In § 30c Abs 3 EStG wird normiert, dass die die Selbstberechnung der ImmoESt vornehmende Parteienvertreter (insbesondere Rechtsanwälte) diese zu entrichten haben und für die Entrichtung haften. Für die Richtigkeit der ImmoESt haften diese jedoch nur, wenn diese „wider besseren Wissens auf Grundlage der Angaben des Steuerpflichtigen berechnet wird.

Die Haftung bedingt somit, dass die ImmoESt wider besseres Wissen zu niedrig berechnet oder nicht entsprechend abgeführt wurde. Da die Haftung im Verhältnis zur Steuerschuld akzessorisch ist bedingt die Haftungsinanspruchnahme immer, dass die Steuerschuld gegenüber dem Steuerschuldner entstanden und noch nicht erloschen ist. Dies ist jedoch auch dann der Fall, wenn die entrichtete ImmoESt zu niedrig ist da die gesetzlich normierte Abgeltungswirkung der ImmoESt gem. § 30b Abs 2 EStG deren Ermittlung in richtiger Höhe voraussetzt.

Der § 30c Abs 3 EStG kennt somit zwei Arten der Haftung des Parteienvertreters, nämlich (1) wegen Unterlassung der Abfuhr der berechnteten ImmoESt und (2) wegen Unrichtigkeit der Berechnung.

Die Unrichtigkeit der Berechnung verlangt dabei ein Handeln des Parteienvertreters wider besseres Wissen auf Grundlage der Angaben des Steuerpflichtigen, wobei die Auslegung dieses Haftungstatbestandes umstritten und kasuistisch ist. Ein Haftungsrisiko wird immer dann gegeben sein, wenn der Grundstücksveräußerer Sachverhaltsangaben macht deren Unrichtigkeit dem Parteivertreter bewusst waren oder offenkundig bewusst hätten sein müssen. Weiters kann eine Haftung bei falscher Rechtsanwendung seitens des Parteienvertreters entstehen, wenn dieser bei der Rechtsanwendung wider besseres Wissen handelt und es sich nicht mehr um eine vertretbare Rechtsansicht handelt.

Zur Dokumentation des bekanntgegebenen Sachverhaltes hat der Veräußerer dem Parteienvertreter hierbei jedenfalls die für die Ermittlung der ImmoESt-Bemessungsgrundlage erforderlichen Unterlagen vorzulegen und deren Richtigkeit und Vollständigkeit schriftlich zu bestätigen

3. Conclusio

Die gegenständliche Entscheidung des VwGH zeigt, dass die Haftungsinanspruchnahme eines Parteienvertreters seitens des Finanzamts gut begründet und die Verfehlung, insbesondere warum beispielsweise auf bekannt gegebene Sachverhalte nicht vertraut hätte werde dürfen oder deren Unrichtigkeit auffallen hätte müssen, entsprechend dargelegt werden muss. Der gegenständliche Sachverhalt sollte aber auch erneut aufzeigen, dass Sachverhaltsangaben stets kritisch zu würdigen sind und bei Auslegungsschwierigkeiten zu analysieren ist, ob bzw. in wie fern noch eine vertretbare Rechtsansicht vorliegen kann.

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