BFG zur Verjährung: Absage an willkürliche Bevorratung von Verlängerungshandlungen

Tax News 04/2022

Verfahrensrecht

Kletterer

Nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruchs oder zur Feststellung eines bestimmten Abgabenpflichtigen können den Eintritt der abgabenrechtlichen Verjährung verzögern. Das BFG hatte in der vorliegenden, nicht veröffentlichten Entscheidung darüber zu urteilen, ob die bloße Einsichtnahme in das Grundbuch sowie allgemein gehaltene Ergänzungsersuchen die Verjährungsfrist verlängern können. Einer pauschalen Bevorratung von Verlängerungshandlungen durch unspezifische Abfragen (öffentlicher) Register erteilte das Gericht eine klare Absage (BFG 18.03.2022, RV/7105826/2017).

Sachverhalt: Einsicht ins Grundbuch und Ergänzungsersuchen

Ende 2010 erwarben mehrere Personen Anteile an einer Liegenschaft. Anfang 2011 erfolgte fristgerecht die Selbstberechnung der GrESt.

Im Jahr 2015 nahm das Finanzamt Einsicht ins Grundbuch (Erstellung Auszug aus Hauptbuch, Ausdruck Kaufvertrag aus Urkundensammlung). Mit gleichem Tag übermittelte das Finanzamt unter Angabe einer Abgabenkontonummer ein allgemein gehaltenes Ergänzungsersuchen an die Projektentwicklungsgesellschaft, ohne sich auf einen konkreten Abgabenanspruch zu beziehen. Im Jahr 2016 setzte das Finanzamt eine abweichende, höhere GrESt fest.

BFG: KEINE Verlängerung der Verjährung

Werden innerhalb der Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs oder zur Feststellung des Abgabenpflichtigen von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr (§ 209 Abs 1 BAO).

Im konkreten Fall war strittig, ob die bloße Einsicht ins Grundbuch oder ein Ergänzungsersuchen ohne Nennung eines konkreten Abgabenanspruches als Verlängerungshandlungen iSd § 209 Abs 1 BAO zu qualifizieren sind. Nach Ansicht des BFG erfolgte die bescheidmäßige Festsetzung der GrESt aus folgenden Überlegungen nach Eintritt der Verjährung und damit verspätet:

  • Die fünfjährige Verjährungsfrist begann mit Ablauf des Jahres 2010 zu laufen und trat mit Ablauf 2015 ein.
  • Die Einsicht ins Grundbuch und Ergänzungsersuchen kommen grds als Verlängerungshandlung iSd § 209 BAO in Betracht. Jedoch war im vorliegenden Sachverhalt für das BFG nicht erkennbar, dass diese Handlungen auf die Geltendmachung des GrESt-Anspruchs gerichtet waren.

Gerade vor dem Hintergrund, dass nach Wunsch des historischen Gesetzgebers mit dem Ablauf der Verjährung Rechtsfriede eintreten soll, sind „besonders strenge Kriterien“ bei der Beurteilung der Tauglichkeit von Verlängerungshandlungen iSd § 209 BAO anzulegen. Es ist nicht ausreichend, dass sich Handlungen der Behörde in einer Ex-Post-Betrachtung „auch“ für die Verfolgung des vom Finanzamt geltend gemachten Abgabenanspruchs als geeignet erweisen. Das Finanzamt kann daher nicht auf „Vorrat“ Grundbuchsauszüge, Firmenbuchauszüge oder Sozialversicherungsdatenauszüge erstellen und diese je nach Bedarf als Verlängerungshandlungen für alle denkbaren Abgabenansprüche heranziehen.

Ergebnis: Genaue Prüfung im Einzelfall notwendig

Das BFG folgt mit der vorliegenden Entscheidung der Rechtsprechung des VwGH. Bemerkenswert ist, dass das Gericht explizit auf die Bevorratung von Verlängerungshandlungen iSd § 209 BAO eingeht und dieser von den Wirtschaftstreuhändern seit Jahren kritisierten und missbräuchlichen Verwaltungspraxis einen Riegel vorschiebt. Die Entscheidung stärkt den Rechtsschutz der Abgabepflichtigen bei Beurteilung von Verjährungsfragen damit entscheidend.

Bei Beurteilung der abgabenrechtlichen Verjährung sind daher im Einzelfall sämtliche potenziellen Verlängerungshandlungen im Detail zu prüfen. Dabei ist zu hinterfragen, ob die Amtshandlung tatsächlich der Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruchs ODER der Feststellung eines bestimmten Abgabepflichtigen diente.

Weitere Inhalte