Festsetzung von Säumniszuschlägen: grobes Verschulden bei EDV-Problemen?

Tax News 02-03/2022

Verfahrensrecht

Kletterer

Der VwGH (VwGH 03.12.2021, Ra 2020/15/0080) beschäftigte sich mit der Frage des Vorliegens von grobem Verschulden bei verspäteter Entrichtung einer Abgabenschuldigkeit. Das BFG versagte eine Herabsetzung des Säumniszuschlages nur aus dem Grund, weil keine Kontrolle für die tatsächliche Zustellung eines E-Mails eingerichtet worden war. Damit wurde das Vorliegen eines mangelhaften Kontrollsystems und eines damit verbundenen groben Verschuldens nach Ansicht des VwGH vom BFG nicht ausreichend begründet. 

1. Sachverhalt

Die Revisionswerberin beauftragte eine steuerliche Vertretung mit der Buchhaltung und Erstellung und Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldungen. Dabei wurde vereinbart, dass die steuerliche Vertretung nur im Falle einer Zahllast die Höhe der zu entrichtenden Zahlung der Revisionswerberin per E-Mail mitteilt. Ein E-Mail mit Mitteilung der Zahllast wurde übermittelt, aufgrund eines EDV/Firewall-Problems wurde dieses jedoch nie an die Revisionswerberin zugestellt. Das tatsächliche Zugehen der E-Mail wurde von der steuerlichen Vertretung nicht überwacht. Da sich nicht in jedem Monat eine Zahllast ergibt, wurde das Fehlen der Mitteilung der steuerlichen Vertretung von der Revisionswerberin auch nicht hinterfragt. Die Zahllast wurde nicht fristgerecht entrichtet, weshalb vom Finanzamt ein Säumniszuschlag festgesetzt wurde. 

Die beantragte Nicht-Festsetzung des Säumniszuschlages wurde von der Revisionswerberin damit begründet, dass kein grobes Verschulden vorliege, da die nicht fristgerechte Entrichtung aus einem EDV/Firewall-Problem resultiere. Zudem seien seit der Gründung des Unternehmens alle Zahlungsfristen eingehalten worden. Das Finanzamt wies den Antrag ab. 

2. BFG: grobes Verschulden mangels Einrichtung einer Kontrolle für die Zustellung der E-Mails 

Das BFG wies die Beschwerde ab, weil eine Büroorganisation ein Mindesterfordernis einer sorgfältigen Organisation und Kontrollen erfordert, sodass Unzulänglichkeiten infolge menschlichen Versagens voraussichtlich ausgeschlossen werden können. Nach Ansicht des BFG sei es allgemein bekannt, dass E-Mails aufgrund von Firewall-Einstellungen nicht zugestellt werden oder im Spam-Ordner landen. Die Anforderung einer Lesebestätigung wäre zumutbar gewesen. Ein Kontrollsystem, bei dem die Höhe der Zahllast nur per E-Mail mitgeteilt werde, ohne dass sichergestellt wird, dass diese Mitteilung auch tatsächlich zugestellt wird, sah das BFG als unzureichend an. Die nicht fristgerechte Entrichtung sei daher auf ein mangelndes Kontrollsystem zurückzuführen, weshalb ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden seitens des Vertreters vorläge. 

3. VwGH: unzureichende Begründung des Vorliegens des groben Verschuldens und Nicht-Beachtung der ausnahmsweisen Säumnis

  • Gemäß § 217 Abs 7 BAO sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen oder nicht festzusetzen, als an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft.
  • Grobes Verschulden liegt nicht vor, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt.
  • Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, der gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht.

Nach der Rsp des VwGH ist zu prüfen, ob der Revisionswerberin oder ihrer steuerlichen Vertretung in Bezug auf die organisatorische Einrichtung, die Vormerkung von Fristen und die Vorsorge von Kontrollen sowie deren Bewährung in der Vergangenheit grobes Verschulden anzulasten sei. Das BFG habe das grobe Verschulden jedoch allein darin gesehen, dass keine Kontrolle erfolgt ist, ob die Mitteilung auch tatsächlich zugestellt wurde. Die grundsätzliche Eignung des Systems wurde vom BFG nicht in Frage gestellt. Zudem hatte die Revisionswerberin im Beschwerdeverfahren mehrfach darauf hingewiesen, dass sie ihre Abgaben über Jahre hinweg rechtzeitig abgeführt hatte. Daher sah der VwGH die Begründung des BFGs als nicht ausreichend an und hob das BFG-Erkenntnis aufgrund der Feststellungsmängel des BFG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

4. Ergebnis

Nach der ständigen Rechtsprechung hat die Büroorganisation dem Mindestmaß einer sorgfältigen Organisation zu entsprechen. Dazu gehört insbesondere die Vormerkung von Fristen und die Vorsorge durch entsprechende Kontrollen, sodass Säumnisfolgen in Folge menschlichen Versagens voraussichtlich auszuschließen sind. 

Für die Herabsetzung der Säumniszuschläge kommt es auf die konkreten Umstände der Säumnis an. Resultiert die Säumnis aus der Nicht-Zustellung einer E-Mail aufgrund eines EDV-Problems, kann nicht automatisch darauf geschlossen werden, dass mangels zusätzlich eingerichteter Kontrollen (zB Einforderung einer Lesebestätigung) ein grobes Verschulden vorliegt.

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