VwGH erneut zum Wohnsitz iSd BAO – weitergehende Literaturkritik an der ZweitwohnsitzVO

Tax News 12/2021

Verfahrensrecht

Kletterer

Der VwGH festigt seine bisherige Rechtsprechung zum Wohnsitzbegriff der BAO: Auf das zeitliche Ausmaß der tatsächlichen Nutzung kommt es nicht an. In der Literatur wurde die Entscheidung zum Anlass für weitergehende Kritik an der Zweitwohnsitz-Verordnung genommen.

1. Sachverhalt: Zweitwohnsitzabgabe für Auszughaus eines Bergbauern

Im Jahr 2000 erwarb ein Vollerwerbs-Bergbauer in Kärnten ein Gebäude in ca 60 Meter Entfernung zu seinem Wohnhaus. Das erworbene Gebäude sollte zukünftig zur Erbabfertigung für die Kinder oder als Auszugshaus dienen. In den Sommermonaten wurde das Gebäude teilweise touristisch vermietet; hiefür wurde die Orts- und Nächtigungstaxe abgeführt. Ansonsten erfolgte keine Nutzung. Im Jahr 2016 setzte der Bürgermeister eine Zweitwohnsitzabgabe fest.

2. VwGH 21.7.2021, Ra 2021/13/0080: Keine Zweitwohnsitzabgabe ohne Wohnsitz

Das Kärntner Zweitwohnsitzabgabegesetz (K-ZWAG) ermächtigt Gemeinden zur Erhebung einer Abgabe auf Zweitwohnsitze. Als Zweitwohnsitz gilt jeder Wohnsitz, der nicht als Hauptwohnsitz verwendet wird (§ 2 Abs 1 K-ZWAG).

Der Begriff des Wohnsitzes im K-ZWAG entspricht § 26 BAO: Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. In der vorliegenden Entscheidung wiederholt der VwGH seine bisherige Rechtsprechung zu § 26 BAO (Rz 15 ff): Für die Begründung eines Wohnsitzes ist NICHT entscheidend, in welchem zeitlichen Ausmaß eine Wohnung tatsächlich genutzt wird (siehe im Detail VwGH: Geringfügigkeit der tatsächlichen Nutzung - KPMG Austria (home.kpmg)).

Im konkreten Fall verneint der VwGH das Vorliegen eines Wohnsitzes, weil der Abgabepflichtige die Wohnung bisweilen für Wohnzwecke nicht genutzt hat. Darüber hinaus liegen nach Ansicht des VwGH auch keine weiteren Umstände vor, die darauf schließen lassen, dass der Abgabepflichtige die Wohnung iSd § 26 BAO „beibehalten und benutzen wird“:

  • Weder die Anschaffung für Zwecke einer zukünftigen Erbabfertigung
  • noch die Absicht, die Wohnung in ferner Zukunft allenfalls als Auszugshaus zu benutzen,

führen zur Beurteilung als (gegenwärtiger) Wohnsitz (Rz 20). Im Ergebnis durfte mangels Vorliegens eines Wohnsitzes keine Zweitwohnsitzabgabe erhoben werden.

3. Literaturkritik an der Zweitwohnsitz-Verordnung (EStG)

Nach der Zweitwohnsitz-Verordnung (BGBl I 2003/528) begründet eine inländische Wohnung bei im Ausland gelegenen Mittelpunkt der Lebensinteressen keine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht, wenn die Wohnung weniger als 70 Tage/Jahr genutzt wird. Die Nutzung ist in einem Verzeichnis dokumentieren.

Auch wenn die VwGH-Entscheidung zur Kärntner Zweitwohnsitzabgabe mit der Zweitwohnsitz-Verordnung unmittelbar nichts zu tun hat, übte ein mit dem Verfahren nicht befasstes Mitglied des VwGH im Rahmen einer Judikaturbesprechung wie folgt Kritik an der Zweitwohnsitz-Verordnung (siehe Zorn, RdW 2021, 659):

  • Die Verordnung sei möglicherweise dem Grunde nach gesetzwidrig; insbesondere sei das faktische Wahlrecht zwischen beschränkter oder unbeschränkter Steuerpflicht durch bewusstes Führen bzw Nicht-Führen von Aufzeichnungen bedenklich.
  • Ein nachträgliches Erstellen des Verzeichnisses sei jedenfalls unzulässig.
  • Vollzugsprobleme bei unvollständigen Aufzeichnungen.

4. Auf den Punkt gebracht

Nach der gefestigten Rechtsprechung des VwGH ist für das Vorliegen eines Wohnsitzes iSd § 26 BAO das Ausmaß der tatsächlichen Nutzung nicht von Bedeutung. Werden Wohnungen allerdings lediglich für eine etwaige in der Zukunft gelegene Nutzung angeschafft, begründet dieser Aspekt für sich allein noch KEINEN Wohnsitz iSd BAO. Die unabhängig von der konkreten VwGH-Entscheidung von einem Mitglied des VwGH geäußerte Kritik zur Gesetzeskonformität der Zweitwohnsitz-Verordnung (EStG) könnte einen Einblick in zukünftige Entwicklung der höchstgerichtlichen Rechtsprechun

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