Unrechtmäßige Beantragung von COVID-19-Förderungen und Betrug

Tax News 12/2021

Finanzstrafrecht

Kletterer

Mittlerweile nimmt die Nachkontrolle der COVID-19-Förderungen durch die Förderstellen und Finanzämter Fahrt auf. Werden im Zuge von Förderungsprüfungen unrechtmäßig beantragte COVID-19-Förderungen aufgedeckt und bestehen strafrechtliche Verdachtsmomente für einen etwaigen Förderbetrug, müssen diese von den Prüfern zwingend bei der Staatsanwaltschaft angezeigt werden. Neben der von Anfang an bewusst unrechtmäßigen Förderbeantragung kann auch die unterlassene Berichtigung einer zunächst gutgläubig beantragten und erhaltenen COVID-19-Förderung eine Strafbarkeit wegen Betrugs nach sich ziehen.

1. Nachkontrolle von COVID-19-Förderungen 

Mittlerweile haben Förderstellen und Finanzämter mit der Nachkontrolle der aufgrund der COVID-19-Pandemie gewährten Förderungen (zB Fixkostenzuschüsse oder Kurzarbeitsbeihilfe) begonnen. Im Mittelpunkt der Förderungsprüfung steht die Frage der rechtmäßigen bzw förderrichtlinien- und FAQ-konformen Beantragung von COVID-19-Förderungen. 

Ergeben sich Anhaltspunkte für das Vorliegen eines strafrechtlich relevanten Verhaltens (zB Fördernehmer legte Förderantrag bewusst falsche Angaben zugrunde, um sich COVID-19-Förderung zu erschleichen) trifft die Förderstelle und das Finanzamt die Pflicht zur Erstattung einer Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft
(§ 78 StPO). Zur Verfolgung von strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen im Zusammenhang mit COVID-19-Förderungen ist die Staatsanwaltschaft (StA) berufen. Somit beschränkt sich die Rolle der Förderstellen und Finanzämter auf die Anzeige potenzieller Straftaten iZm COVID-19-Förderungen bei der StA. 

Damit gelangen im Falle des umgangssprachlichen „Förderbetruges“ NICHT das Finanzstrafrecht, sondern das allgemeine Strafrecht nach dem Strafgesetzbuch (StGB) sowie die Strafprozessordnung (StPO) als einschlägiges Verfahrensgesetz zur Anwendung. Das im Zusammenhang mit unrechtmäßiger Beantragung von COVID-19-Förderungen primär einschlägige Strafdelikt ist Betrug nach § 146 StGB.

2. Überblick Betrugsstrafbarkeit 

Beim Betrug nach § 146 StGB wirkt der Täter durch eine Täuschung auf den Willen einer anderen Person ein und veranlasst diese dadurch eine selbstschädigende Vermögensverfügung vorzunehmen. Ob der Vermögensschaden beim Getäuschten selbst oder bei einem Dritten eintritt, ist im Hinblick auf die Deliktsverwirklichung ohne Belang. 

Ein Betrug kann nur vorsätzlich begangen werden. Der Täter muss im Tatzeitpunkt mit Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz handeln. Grob fahrlässiges Handeln stellt keinen Betrug iSd StGB dar.

Nicht nur der mit Eintritt des Vermögensschadens vollendete Betrug ist strafbar, sondern auch bereits der Versuch oder jede Beteiligung daran (Versuchs- und Beteiligungsstrafbarkeit). In das Stadium der Versuchsstrafbarkeit gelangt der Fördernehmer in der Regel mit Übermittlung eines unrichtigen Förderantrages an die jeweilige Förderstelle (zB Absenden eines inhaltlich falschen Antrages auf Lockdown-Umsatzersatz über FinanzOnline). 

Um eine entstandene Betrugsstrafbarkeit nachträglich beseitigen zu können, bedarf es der Ausübung des richtigen Strafaufhebungsgrundes. Im Versuchsstadium kann die Betrugsstrafbarkeit durch einen „Rücktritt vom Versuch“ (§ 16 StGB) und nach Deliktsvollendung (= mit Eintritt Vermögensschaden) durch Ausübung von „Tätiger Reue“ (§ 167 StGB) aufgehoben werden. Nachfolgend werden zwei praktisch bedeutsame Fallkonstellationen näher beleuchtet. 

3. Bösgläubige Förderbeantragung 

In dieser Fallkonstellation beantragt der Fördernehmer eine COVID-19-Förderung „in dem Wissen“, dass ihm diese überhaupt nicht oder nicht in der beantragten Höhe zusteht. 

Durch die Angabe falscher Tatsachen im Förderantrag täuscht der Fördernehmer über das Vorliegen der Fördervoraussetzungen bzw über die für die Förderhöhe maßgeblichen, tatsächlichen Berechnungsgrundlagen. Die Angabe falscher Tatsachen im Förderantrag ruft bei der Förderstelle den Irrtum hervor, die Förderung stehe im beantragten Ausmaß zu. Mit irrtumsbedingter Auszahlung der beantragten Förderung ist Betrug nach § 146 StGB vollendet. Wird der Irrtum von der Förderstelle vor Auszahlung bemerkt, hat sich der bösgläubige Fördernehmer wegen versuchten Betruges zu verantworten. Je nachdem ob die Förderung bereits ausbezahlt worden ist oder nicht, kann die Betrugsstrafbarkeit durch Rücktritt vom Versuch oder durch Ausübung tätiger Reue aufgehoben werden.

Grafik

4. Gutgläubige Förderbeantragung + bewusstes Unterlassen nachträglicher Berichtigung

Im Unterschied zur vorgenannten Fallkonstellation beantragt der Fördernehmer eine COVID-19-Förderung gutgläubig, also im Vertrauen auf die inhaltliche Richtigkeit seines Antrages. Antragsgemäß zahlt die Förderstelle die COVID-19-Förderung an den Fördernehmer aus. Jedoch stellt der Fördernehmer anhand nachträglich hervorgekommener Umstände fest, dass ihm die Förderung überhaupt nicht oder nicht in beantragter Höhe zugestanden wäre (zB irrtümlicherweise wurden dem Antrag falsche Berechnungsgrundlagen zugrunde gelegt). 

Aus strafrechtlicher Sicht ist entscheidend, was der Fördernehmer mit dieser „neu gewonnen“ Information macht: Entscheidet sich der Fördernehmer für die umgehende Korrektur und Rückzahlung des unrechtmäßig erhaltenen Förderbetrages, ist er seiner fördervertraglichen Korrekturpflicht mustergültig nachgekommen und hat strafrechtlich nichts zu befürchten. Demgegenüber kann sich der Fördernehmer durch bösgläubiges Verschweigen der wahren Umstände gegenüber der Förderstelle und durch das bewusste Unterlassen einer Korrektur wegen Betruges strafbar machen. 

Grafik

5. Auf den Punkt gebracht

Nicht nur die von Anfang an bewusst falsche Beantragung von COVID-19-Förderungen kann eine Strafbarkeit wegen Betruges nach § 146 f StGB nach sich ziehen, sondern auch das bewusste Unterlassen einer fördervertraglich gebotenen Berichtigung eines ursprünglich als richtig erachteten Förderantrages. Zur erfolgreichen nachträglichen Beseitigung der Strafbarkeit bedarf es je nach Verfahrensstand der Ausübung des richtigen Strafaufhebungsgrundes. Die Experten der einzelnen KPMG Functions (Tax, Law, Advisory) arbeiten bei COVID-19-Sachverhalten eng zusammen. Das Spezialwissen in den einzelnen Fachgebieten wird dadurch bei der strafrechtlichen Beurteilung sowie bei der Sanierung der Strafbarkeit optimal gebündelt eingesetzt.

Weitere Inhalte