VwGH: KEINE Wiederaufnahme aufgrund nachträglich erstellter Einnahmen-Ausgaben-Rechnung

Tax News 06-07/2021

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Kletterer

Beantragt eine Steuerpflichtige die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 303 BAO) aufgrund einer nach der rechtskräftigen Veranlagung erstellten Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, ist der Antrag als unbegründet abzuweisen. Es liegt weder eine neu hervorgekommene Tatsache noch ein neu hervorgekommenes Beweismittel vor (VwGH 24.02.2021, Ra 2020/15/0105).

1. Sachverhalt: Nachträgliche Erstellung von Aufzeichnungen nach Schätzung durch FA

Eine Steuerpflichtige erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Jedoch gab die Steuerpflichtige für das Jahr 2013 keine Steuererklärungen ab. Das Finanzamt musste daher die Bemessungsgrundlagen schätzen und erließ auf Basis dieser Schätzung im Jahr 2015 ESt- und USt-Bescheide 2013.

Erst nach Eintritt der Rechtskraft der Bescheide erstellte die Steuerpflichtige eine im Vergleich zur Schätzung vorteilhafte Einnahmen-Ausgaben-Rechnung für das Jahr 2013. Im Juli 2017 beantragte die Steuerpflichtige die Wiederaufnahme der Veranlagungsverfahren für das Jahr 2013.

Finanzamt und Bundesfinanzgericht wiesen die Wiederaufnahme mangels neu hervorgekommener Tatsachen/Beweismittel als unbegründet ab.

2. VwGH: KEINE neu hervorgekommenen Tatsachen bei nachträglich erstellten Aufzeichnungen

Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen (§ 303 Abs 1 lit b BAO). „Tatsachen“ sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände. Es handelt sich somit um Sachverhaltselemente, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften (VwGH 23.11.2016, Ra 2014/15/0006).

Zweck der Wiederaufnahme ist die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen. Diese müssten im abgeschlossenen Verfahren bereits existieren, aber erst im Nachhinein hervorkommen (VwGH 26.11.2015, Ro 2014/15/0035). Das „Neuhervorkommen“ ist bei beantragter Wiederaufnahme aus Sicht des Antragstellers zu beurteilen (VwGH 29.03.2017, Ro 2016/15/0036).

Die Tatsache „des Fehlens einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung“ ist im vorliegenden Sachverhalt aus Sicht der Steuerpflichtigen NICHT als neuhervorgekommen zu qualifizieren. Denn das Fehlen der Aufzeichnungen war der Steuerpflichtigen im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bekannt. Darüber hinaus bewirkt die nachträgliche Erstellung der Buchhaltung, von Jahresabschlüssen, Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen und Steuererklärungen NICHT das Hervorkommen neuer Beweismittel, wenn diese auf bereits vorhandenen und bekannten Belegen beruhen.

3. Ergebnis

Der VwGH bestätigt seine bisherige Rechtsprechung (vgl VwGH 28.06.1988, 88/14/0113): Nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens hergestellte Aufzeichnungen und Erklärungen sind weder als neu hervorgekommene Tatsache noch als neu hervorgekommene Beweismittel zu qualifizieren. Nur Belege, deren Existenz der Steuerpflichtigen nicht bekannt war, können als neu hervorgekommen beurteilt werden und zur Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag berechtigen. Die Nachweisführung des Neuhervorkommen aus Sicht des Steuerpflichtigen erweist sich in der Praxis als äußerst schwierig, wenn man davon ausgeht, dass der Aktenstand des Steuerpflichtigen diesem vollumfänglich bekannt sein muss. Verfahrensrechtlich ist daher in solchen Fällen Kreativität gefragt.