Erste Entscheidung eines österreichischen Steuergerichts zum Langlebigkeitsrisiko bei einer Rentenversicherung

Tax Flash 6/2021

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Tax Flash

In einem kürzlich veröffentlichten Erkenntnis vom 23.4.2021 (RV/4100306/2019) hat sich das Bundesfinanzgericht erstmals mit der ertragsteuerlichen Beurteilung einer (zwischen österreichischen Versicherungs¬nehmern und einem ausländischen Versicherer abgeschlossenen) Rentenversicherung befasst, nachdem die ausländische Rentenversicherung vom Finanzamt zuvor als ertragsteuerlich transparent beurteilt wurde und somit die Zurechnung der Kapitalanlagen samt -erträgen an die Versicherungsnehmer erfolgte.

Für die ertragsteuerliche Beurteilung von ausländischen Rentenversicherungen boten bislang lediglich die vagen Aussagen in den EStR 2000, Rz 6210b einen Anhaltspunkt. Danach kann bei Rentenversicherungsverträgen das maßgebliche versicherungstechnische Risiko in der zugesagten, der Höhe nach bezifferten Rente liegen womit die Übernahme eines Langlebigkeitsrisikos durch die Versicherung gemeint ist.

Eckpunkte des entscheidungsrelevanten Ausgangssachverhalts

  • Anteils- bzw fondsgebundene Versicherung gegen Einmalprämie mit aufgeschobener, lebenslanger Rente und Kapitalwahlrecht
  • 2 Versicherungsnehmer (VN) und 2 Bezugsberechtigte
  • Aufschubdauer beträgt 30 Jahre, wobei die VN im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits über 60 Jahre waren
  • bei Abschluss des Vertrages wurden Rentenfaktoren garantiert
  • Eingriffs- und Weisungsrechte der VN gab es - bis auf bei fondsgebundenen Versicherungen typisches „Switchen“ und „Shiften“ – keine
  • Todesfallleistung bei Tod der VN
    • während der Aufschubdauer: Wert des Deckungsstocks
    • nach Beginn der Rentenzahlungen: Wert des Deckungsstocks bei Beginn der Rentenzahlung abzüglich bereits bezahlter garantierter Renten
  • gänzliche oder teilweise Kündigungsmöglichkeit nach Ablauf des ersten Jahres der Aufschubdauer; Kapitalentnahmen sind zulässig und wurden im vorliegenden Fall auch getätigt.

Tenor der BFG Entscheidung

Das BFG hält es für unwahrscheinlich, dass eine Rentenversicherung ernsthaft geplant war, weil der Zweck der Versorgung im typischen Pensionsalter nicht gegeben ist und geht davon aus, dass von Anfang an nur die bestmögliche Veranlagung des Vermögens Sinn des Vertrages war. Die wirtschaftliche Dispositionsbefugnis über den Anlagestock sowie die Chancen auf Wertsteigerungen und -minderungen werden von Beginn an den VN zugerechnet. An dieser Entscheidung ändert auch der Umstand nichts, dass das BFG das Langlebigkeitsrisiko für den Erlebensfall grundsätzlich anerkennt, weil sich dieses Risiko nach Ansicht des BFG im Anlassfall nicht verwirklichen wird.

Wesentliche Aussagen des BFG

  • Das quantifizierbare Risiko des Versicherungsunternehmens startet dann, wenn durch die laufenden Rentenleistungen der Versicherungsdeckungsstock vollständig konsumiert ist und daher die Versicherung ohne Absicherung Rentenleistungen erbringen muss.
  • Mit Hilfe der Generationensterbetafeln und der im Einzelfall vereinbarten Aufschubdauer ist der „kritische Zeitpunkt“ zu ermitteln und dessen Eintrittswahrscheinlichkeit mit der AVÖ 2005R zu bestimmen.
  • Aus dieser Quantifizierung kann dann abgeleitet werden, ob der Versicherer im Einzelfall ein ausreichendes versicherungstechnisches Risiko übernommen hat.
  • Dabei hat das BFG auch der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der Rente dem Grunde nach (oder alternativ des „Kapitalabfindungswahlrechts“) Gewicht beigemessen.
  • Hinsichtlich der Dispositionsbefugnisse der VN über den Anlagestock vertritt das BFG eine Art „bewegliches System“ und wendet im Grunde die Kriterien an, die im Fall der Entscheidung des VwGH vom 23.11.2016, Ro 2015/15/0012 entwickelt wurden.

Eine Revision an den VwGH wurde eingebracht. Der weitere Lauf des Verfahrens, der aus unserer Sicht auch für österreichische Versicherer relevant ist, bleibt mit Interesse abzuwarten.

Für nähere Informationen und die Analyse von Produktgestaltungen stehen wir gerne zur Verfügung.