BFG zur Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige: Fishing Expeditions bewirken KEINE Tatentdeckung

Tax News 03-05/2021

Tax News 03-05/2021

Kletterer

Die Entdeckung der Tat steht der strafbefreienden Wirkung der Selbstanzeige entgegen. Eine Tatendeckung liegt nicht vor, wenn ein Betriebsprüfer der steuerlichen Vertretung per E-Mail allgemein gehaltene Fragen übermittelt. Nach der jüngsten BFG-Rechtsprechung ist darüber hinaus für die Erlangung Straffreiheit die Entrichtung des Taktiererzuschlages (§ 29 Abs 6 FinStrG) notwendig, wenn die Selbstanzeige „anlässlich“ der Betriebsprüfung eines anderen Steuerpflichtigen erstattet wird (BFG 12.01.2021, RV/7300036/2020).

1. Selbstanzeige nach unspezifischem Vorhalt im Prüfungsverfahren einer nahen Angehörigen

Im Jahr 2018 fand bei der Mutter des Beschuldigten eine Betriebsprüfung statt. Am 12.07.2018 wandte sich der Prüfer an die steuerliche Vertretung der Mutter mit allg Fragen betreffend zweier Liegenschaften, welche sich im Eigentum des Beschuldigten befinden: Fruchtgenussrecht? Nutzung? Mieteinnahmen?

Am 12.09.2018 erstattete der Beschuldigte Selbstanzeige: Er habe seit 2013 Einkünfte aus der Vermietung erzielt. Die Einkünfte wurden weder erklärt noch die darauf entfallende ESt entrichtet. Nach Ansicht des Finanzamtes konnte die Selbstanzeige keine strafbefreiende Wirkung entfalten, da die Tat durch die E-Mail des Betriebsprüfers vom 12.07.2018 „zumindest teilweise“ entdeckt worden war.

2. BFG: Keine Tatentdeckung, wenn andere Deutungsmöglichkeiten bestehen

Eine Selbstanzeige wirkt nicht strafbefreiend, wenn zum Zeitpunkt ihrer Erstattung die Tat hinsichtlich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale bereits ganz oder zum Teil entdeckt und dies dem Anzeiger bekannt war (§ 29 Abs 3 lit b FinStrG).

Das BFG verneint unter Verweis auf die Rechtsprechung des VwGH das Vorliegen einer auch nur teilweisen Tatentdeckung: Demnach gilt eine Tat erst dann als entdeckt, wenn sich der Verdacht soweit verdichtet hat, dass bei vorläufiger Tatbeurteilung der Nachweis des objektiven Tatbestandes eines Finanzvergehens wahrscheinlich ist. Ein wenn auch begründeter Anfangsverdacht allein reicht nicht aus. Solange mehrere Deutungsmöglichkeiten denkbar sind, gilt eine Tat als noch nicht einmal teilweise entdeckt (zB VwGH 21.03.2002, 2001/16/0471).

Da der Betriebsprüfer in der E-Mail an den steuerlichen Vertreter der Mutter selbst mehrere Deutungsmöglichkeiten betr die Nutzung des Grundstückes anführte, konnte gerade keine Tatentdeckung vorliegen. Für das BFG bestanden im konkreten Fall folgende (weitere) „Deutungsmöglichkeiten“:

  • Eigennutzung
  • Leerstand
  • Steuerfreie Vermietung (Einkommen < EUR 11.000)
  • Einräumung Fruchtgenussrecht an ein anderes Zurechnungssubjekt

3. BFG: „Taktiererzuschlag“ aufgrund Betriebsprüfung einer nahen Angehörigen

Ein Taktiererzuschlag (§ 29 Abs 6 FinStrG) wird festgesetzt, wenn Selbstanzeigen „anlässlich“ von Prüfungshandlungen nach deren Anmeldung erstattet werden. Es muss somit ein gewisser Bezug zwischen der angekündigten Prüfungsmaßnahme und der in der erstatteten Selbstanzeige angeführten Abgabe gegeben sein (Entdeckungsrisiko).

Im vorliegenden Sachverhalt erfolgte die Selbstanzeige nach Ansicht des BFG „anlässlich einer finanzbehördlichen Prüfung“, weshalb für den Eintritt der Straffreiheit die Entrichtung des Taktiererzuschlages notwendig sei. Damit vertritt das BFG vertritt im vorliegenden Fall in bisher unbekannt extensiver Auslegung, dass auch Selbstanzeigen, welche „anlässlich“ von Betriebsprüfungen anderer Steuerpflichtiger erfolgen, den Taktiererzuschlag auslösen können.

4. Conclusio

Einer Selbstanzeige kommt nur strafbefreiende Wirkung zu, wenn die Tat noch nicht entdeckt ist. Eine E-Mail mit mehreren allg Fragen, welche auf einen „Zufallstreffer“ abzielen, bewirkt noch keine „Tatentdeckung“. Die Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige ist in der Folge mit strafbefreiender Wirkung möglich.

Nach Ansicht des BFG löst auch ein Vorhalt eines Betriebsprüfers im Rahmen der Betriebsprüfung eines anderen Steuerpflichtigen den „Taktiererzuschlag“ aus. Zum Taktiererzuschlag siehe auch hier.