Tax News: OECD Statusbericht zu "Pillar One" und "Pillar Two"

OECD Statusbericht zu "Pillar One" und "Pillar Two"

Am 12. Oktober 2020 wurden vom "Inclusive Framework on BEPS" der OECD/G20 Staaten - als Ergebnis zu Aktionspunkt 1 des BEPS Projektes, in dem die OECD erstmalig steuerliche Fragestellungen iZm der "digitalen Wirtschaft" thematisierte - nach einer Reihe von Konzeptpapieren und Konsultationsentwürfen die Blueprints zu einer möglichen Neuverteilung internationaler Besteuerungsrechte (Pillar One) sowie zu einem möglichen globalen Mindestbesteuerungsregime (Pillar Two) veröffentlicht. Diese Regelungen sollen auf große – Country-by-Country Reporting erfasste – multinationale Konzerne (Konzernumsatz > 750 Millionen EUR) Anwendung finden. Während die Regeln zu einer möglichen konzernweiten Mindestbesteuerung unter Pillar Two grundsätzlich auf alle Branchen gleichermaßen anwendbar sein sollen, so sollen die unter Pillar One vorgesehenen Regeln zur Neuverteilung internationaler Besteuerungsrechte an Markt-/Nutzerjurisdiktionen dem aktuellen Blueprint zufolge nur auf Unternehmen, die automatisierte digitale Dienstleistungen erbringen („Automated Digital Services Businesses“) sowie verbraucherorientierte Unternehmen („Consumer-Facing Businesses“) anwendbar sein.

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Für den Inhalt verantwortlich

Florian Rosenberger

Partner, Tax

KPMG Austria

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1. Status Quo

1.1 Pillar One – Umverteilung internationaler Besteuerungsrechte zugunsten von Markt-/Nutzerstaaten

Durch die veröffentlichten Blueprints treibt die OECD eine potentielle Neuverteilung internationaler Besteuerungsrechte innerhalb multinationaler Konzerne weiter voran. Im Rahmen der entwickelten „Two-Pillar“-Strategie zur Bekämpfung von „Base Erosion and Profit Shifting“ sollen dabei unter Pillar One neue steuerliche Anknüpfungsregeln (Nexus) geschaffen werden, die es Markt-/Nutzerstaaten erlauben, auch ohne physische Präsenz multinationaler Konzerne einen signifikanten Anteil des konzernweiten (Residual-)Gewinnes zu besteuern. Der Anwendungsbereich dieser neuen – vom traditionellen Fremdvergleichsgrundsatz („arm’s length principle“) abweichenden – Gewinnverteilungssystematik soll sich dabei gemäß aktuellem Blueprint insbesondere auf hoch automatisierte, digitale Dienstleistungen („Automated Digital Services Businesses“, kurz ADS) bzw verbraucherorientierte Unternehmen („Consumer-Facing Businesses“, kurz CFB) beziehen. Die Regelung soll sich dabei zudem lediglich auf große – vom Country-by-Country Reporting erfasste – multinationale Konzerne (Konzernumsatz > 750 Millionen EUR) erstrecken, die über ein wesentliches Auslandsgeschäft verfügen.

Die Eckpunkte des neuen Besteuerungsrechtes für Markt-/Nutzerstaaten (im Blueprint bezeichnet als „Amount A“) können dabei nach aktuellem Diskussionsstand wie folgt zusammengefasst werden:

  • Der Blueprint führt neun Kategorien von Dienstleistungen auf einer Positivliste an, die als hoch automatisierte, digitale Dienstleistungen (ADS) vom neuen Besteuerungsregime erfasst sein sollen: Online-Werbedienste, Verkauf und andere Veräußerung von Nutzerdaten, Online-Suchmaschinen, Social-Media-Plattformen, Online-Vermittlungsplattformen, Dienste in Zusammenhang mit der Bereitstellung digitaler Inhalte (digital content services), Online-Spiele, standardisierte Online-Training-Dienstleistungen und Cloud-Computing-Dienste.
  • Als verbraucherorientierte Unternehmen (CFBs) würden Unternehmen definiert, die ihre Waren und Dienstleistungen entweder direkt oder indirekt „üblicherweise an Verbraucher verkaufen“. Der Anwendungsbereich würde sowohl den „Eigentümer“ des Konsumguts / der Dienstleistung und den Inhaber der Rechte an dem verbundenen geistigen Eigentum (einschließlich Franchise- und Lizenzgeber) als auch den „Einzelhändler“, der in direkter Beziehung zum Verbraucher steht, einschließen.
  • Unter die oben definierten Kategorien fallende Konzerne, welche zusätzlich die relevanten Umsatzschwellen überschreiten (> EUR 750 Millionen Konzernumsatz + signifikantes Auslandsgeschäft in relevanten Marktjurisdiktionen) wären somit vom Anwendungsbereich der neuen Gewinnverteilungssystematik erfasst. Dies hätte letztlich zur Folge, dass ein Teil des konzernweiten Residualgewinnes, der aktuell auf Ebene der (Co-)Strategieträger besteuert wird, künftig als „Amount A“ den jeweiligen Markt-/Nutzerstaaten zugewiesen wird. Wenngleich der konkrete „Umverteilungsmechanismus“ aktuell noch Gegenstand der politischen Diskussion ist, legt der Blueprint diesbezüglich bereits erste technische Details dar:
    • Der den Markt-/Nutzerstaaten in Summe (abweichend vom Fremdvergleichsgrundsatz) zuzuweisende Anteil des konzernweiten Residualgewinnes soll dabei pauschal anhand eines formel-basierten Ansatzes ermittelt werden. 
    • In einem ersten Schritt wird der potentiell zu verteilende Residualgewinn ermittelt. Zu diesem Zweck wird eine Profitabilitätsschwelle („profitability threshold“) definiert. Hierzu soll lt. aktuellem Blueprint auf den Konzernabschluss abgestellt werden, wobei dem Anschein nach im Moment ab einer Nettomarge von > 10 % (berechnet als Relation zwischen Vorsteuergewinn und Konzernumsatz) vom Vorliegen eines Residualgewinns ausgegangen wird. 
    • In einem zweiten Schritt wird der den Marktstaaten zuordenbare Anteil des Residualgewinns ermittelt („reallocation percentage“). Nach aktuellem Diskussionsstand soll es sich dabei um einen fixen Prozentsatz (im Blueprint ist aktuell in einem Beispiel von 20 % die Rede) handeln, der entsprechend an die Marktstaaten umverteilt wird. 
    • Nachdem in den ersten beiden Schritten der den Markt-/Nutzerstaaten gesamthaft zuordenbare Anteil des Residualgewinns ermittelt wurde (= „Amount A“), ist dieser sodann in einem letzten Schritt zwischen den berechtigten Marktjurisdiktionen aufzuteilen – dies soll nach lokalen „in-scope“-Umsätzen erfolgen.
  • Da den Markt-/Nutzerstaaten im Ausmaß von „Amount A“ ein neues – über den Fremdvergleichsgrundsatz hinausgehendes – Besteuerungsrecht zugestanden wird, stellt sich in weiterer Folge die Frage welche Konzerngesellschaften im Umkehrschluss dafür (teilweise) auf die Ihnen nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zustehenden Besteuerungsrechte verzichten sollen bzw wie generell aus Konzernsicht eine dadurch eintretende Doppelbesteuerung vermieden werden kann: 
    • Zur Ermittlung jener Konzerngesellschaften, welche zugunsten der Markt-/Nutzerstaaten auf einen Teil ihres Residualgewinnes verzichten sollen, sieht der Blueprint aktuell einen 4-stufigen Ansatz vor. Im Ergebnis sollen jene Konzerngesellschaften „Amount A“ wirtschaftlich tragen, die gemäß Funktions- und Risikoanalyse in qualitativer Hinsicht als (Co-)Strategieträger anzusehen sind und zudem auch eine entsprechende Profitabilität aufweisen (dh tatsächlich einen Residualgewinn erzielen). Kommen mehrere (Co-)Strategieträger potentiell für eine (teilweise) Umverteilung ihres Residualgewinnes in Frage, soll geprüft werden welche der relevanten Konzerngesellschaften über die stärkste Verbindung zum jeweiligen Markt-/Nutzerstaat verfügt. Zudem wird dargelegt, dass ein (Co-)Strategieträger durch den dargelegten Mechanismus maximal bis auf einen Routinegewinn abgeschmolzen werden kann. Ein etwaiger darüber hinausgehender Betrag (Amount A) wäre sodann von den verbleibenden (Co-)Strategieträgern im Konzern zu decken. Wie in jenen Fällen umzugehen ist, in denen konzernweit kein Residualgewinn oder gar ein Verlust erzielt wird, ist aktuell noch Gegenstand der politischen Diskussion.
    • Die Vermeidung der Doppelbesteuerung auf Ebene der jeweiligen (Co-)Stratieträger, bei denen bereits ein Teil vom „Amount A“ nach allgemeinen Verrechnungspreisgrundsätzen der Besteuerung unterworfen wurde, soll im Wege der Befreiungs- bzw Anrechnungsmethode erfolgen, wobei hier entweder „Amount A“ aus der Steuerbemessungsgrundlage ausgeschieden werden oder die auf „Amount A“ im Markt-/Nutzerstaat entfallende Steuer entsprechend angerechnet werden soll.

Zusätzlich zur Neuverteilung internationaler Besteuerungsrechte an Markt-/Nutzerstaaten unter „Amount A“ sieht der Blueprint zudem auch eine – grundsätzlich größen- und branchenunabhängige – vereinfachte Anwendung von Verrechnungspreisregeln für physisch vor Ort tätige Routinevertriebsgesellschaften vor. Diese sollen eine fixe Routinevergütung für im Bereich Marketing / Vertrieb erbrachte Routineleistungen erhalten („Amount B“). Als Indikator für die fixe Routinevergütung soll dabei auf den „Return on Sales“ (Netto-/EBIT-Marge) abgestellt werden. Um sicherzustellen, dass die den Routinevertriebseinheiten als „Amount B“ zugewiesene Vergütung dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht, sollen auf OECD-Ebene regionale bzw branchen-spezifische Datenbankstudien zur Ermittlung fremdüblicher Routinevergütungen durchgeführt werden. Aus Sicht der Steuerpflichtigen zu begrüßen ist, dass dieser Vorschlag – sofern hierfür ein politischer Konsens gefunden werden kann – aus Compliance-Sicht deutliche Vereinfachungen nach sich ziehen würde, zumal zum einen keine auf den jeweiligen Konzern bezogenen Benchmark-Studien im Marketing-/Vertriebsbereich mehr durchzuführen wären und bei Abstellen auf die seitens der OECD vorgegebenen „Safe-Harbor“-Margen zudem auch keine Beanstandungen von den involvierten Finanzverwaltungen mehr zu befürchten wären. Zum jetzigen Zeitpunkt fraglich bleibt wie letztlich eine qualitative Abgrenzung (Funktions- und Risikoprofil) der potentiell von „Amount B“ erfassten Routinevertriebsgesellschaften konkret aussehen könnte. Zudem bleibt abzuwarten, ob die Regelung als rechtlich verbindlich ausgestaltet wird oder lediglich optional als „Safe-Harbor“-Regel in Anspruch genommen werden kann (ähnlich dem „Safe-Harbor Mark-Up“ bei „low value-adding intra-group services“).

1.2 Pillar Two – Einführung einer globalen Mindestbesteuerung

Durch Pillar Two soll sichergestellt werden, dass große international tätige Konzerne (> EUR 750 Millionen Konzernumsatz) ungeachtet dessen, wo diese ansässig sind bzw in welchen Staaten die Geschäftstätigkeit erfolgt, einer konzernweiten Mindestbesteuerung unterliegen.
Die Details des Besteuerungskonzeptes unter Pillar Two werden durch folgende Kernpunkte genauer definiert:

  • GloBE rules: Durch die GloBE rules soll sichergestellt werden, dass niedrigbesteuerte Einkünfte von Tochtergesellschaften oder Betriebsstätten, zumindest auf Konzernebene in Höhe eines noch festzusetzenden Mindeststeuersatzes besteuert werden. Dies soll insbesondere durch nachfolgende Mechanismen gewährleistet werden:
    • Income inclusion rule“ (Hinzurechnungsbesteuerung auf Shareholder-Ebene ähnlich der CFC-Bestimmungen)
    • Switch-over rule“ (Wechsel von der Befreiungs- zur Anrechnungsmethode in Bezug auf Betriebsstätteneinkünfte)
  • Subject to tax rule (STTR): Diese Regelung soll es dem Quellenstaat auf abkommensrechtlicher Ebene gestatten, eine abzugsfähige konzerninterne Zahlung bis zum festgesetzten Mindeststeuersatz zu besteuern, sofern die Zahlung im Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers keiner bzw einer niedrigen Besteuerung unterliegt. Dies hätte zur Folge, dass Abkommensvorteile seitens des Quellenstaates nur insofern bzw insoweit zu gewähren wären, als die zugrundeliegende Zahlung im Ansässigkeitsstaat einer gewissen (der Höhe nach noch zu definierenden) Mindestbesteuerung unterliegt. Ist dies nicht der Fall, darf durch den Quellenstaat eine über das abkommensrechtlich zulässige Ausmaß hinausgehende Quellenbesteuerung vorgenommen werden, um im Ergebnis sicherzustellen, dass die zugrundeliegende Zahlung aus Konzernsicht keiner Niedrigbesteuerung unterliegt. Potentiell vom Anwendungsbereich der STTR erfasst sind dabei laut aktuellem Blueprint insbesondere abzugsfähige Zins-/Lizenzzahlungen, Franchise Fees und Mietzahlungen. Garantieentgelte. Grundvoraussetzung ist jedoch, dass die entsprechenden Zahlungen im Quellenstaat steuerlich abzugsfähig sind; greifen daher bereits innerstaatliche Missbrauchsbestimmungen (wie zB § 12 Abs 1 Z 10 KStG), die zu einer Versagung der steuerlichen Abzugsfähigkeit führen, käme die STTR somit nach aktuellem Diskussionsstand nicht zum Tragen. Die Umsetzung der STTR würde eine neuerliche Abänderung bestehender DBAs erforderlich machen – dies könnte laut Blueprint durch Adaptierung des bestehenden MLIs oder ein durch ein neues multilaterales Übereinkommen erfolgen. Die Ausgestaltung entsprechender Wesentlichkeitsgrenzen (entweder transaktionsbezogen oder basierend auf dem konsolidierten Konzernumsatz) ist aktuell noch Gegenstand der politischen Diskussion.

2. Mögliche Auswirkungen für betroffene Konzerne

Sofern auf OECD-Ebene ein politischer Konsens gefunden werden kann, würden sich durch die dargestellten Konzepte umfassende Auswirkungen für betroffene multinationale Konzerne ergeben. Zudem ist zu befürchten, dass die Maßnahmen unter Pillar Two in Kombination mit Pillar One erhebliche Auswirkungen auf die effektive Konzernsteuerquote betroffener multinationaler Unternehmensgruppen zur Folge haben könnten.

3. Ausblick

Zu den Maßnahmen der „Two-Pillar“-Strategie wurde bisher zwischen den am Inclusive Framework on BEPS beteiligten Staaten noch kein politischer Konsens erzielt. Erklärtes Ziel der Mitglieder ist es, bis Mitte 2021 eine entsprechende politische Einigung zustande zu bringen und entsprechende Umsetzungsvorschläge zu entwickeln.

In Bezug auf Pillar One ist unter anderem noch zu klären, welche Geschäftsaktivitäten von den möglichen Neuregelungen umfasst sein sollen. Dabei ist die Tendenz erkennbar, dass sich der Anwendungsbereich nicht ausschließlich auf Unternehmen mit stark digitalisierten Geschäftsmodellen beschränken soll. Wie konkret die Ermittlung des den Marktstaaten zuordenbaren Anteils am Residualgewinn („reallocation percentage“) aussehen soll bzw ab welcher Profitabilitätsschwelle das neue Besteuerungsregime („Amount A“) potentiell zur Anwendung kommen soll, bleibt abzuwarten.

Im Gegensatz dazu befinden sich die Arbeiten zu Pillar Two bereits auf der Zielgeraden, weshalb zu erwarten ist, dass hier im Laufe des Jahres 2021 ein politischer Konsens hinsichtlich eines globalen Mindestbesteuerungsregimes erzielt werden kann.

Bis zu einer Einigung stellt die OECD den einzelnen Mitgliedstaaten frei, Übergangslösungen zu erlassen. Mangels einer Einigung auf EU-Ebene hat Österreich beispielsweise - in Anlehnung an den gescheiterten Richtlinienvorschlag einer europäischen Digitalsteuer - im Rahmen des AbgÄG 2020 das Digitalsteuergesetz 2020 beschlossen, um den Anwendungsbereich der bestehenden Werbeabgabe auf Online-Werbeleistungen auszudehnen (vgl Tax News 10/2019 bzw Tax News 03/2020).

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