Tax News: EuGH: Kriterien zur Zuordnung der bewegten Lieferung in einem Reihengeschäft

EuGH: Kriterien zur Zuordnung der bewegten Lieferung

Der EuGH hält in seinem Urteil vom 23. April 2020 zur Rechtssache Herst, C-401/18, - entgegen den Schlussanträgen von GA Kokott - weiterhin daran fest, dass für die Zuordnung der bewegten Lieferung innerhalb eines Reihengeschäfts eine umfassende Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist.

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Esther Freitag

Partnerin, Tax

KPMG Austria

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Im gegenständlichen Fall liegt der folgende Sachverhalt vor (siehe dazu bereits die Tax News zu den Schlussanträgen von Generalanwältin Kokott, abrufbar unter: Link):

Die tschechische Gesellschaft Herst, s.r.o. (im Folgenden: Herst) ist ua im Bereich des Kraftverkehrs tätig und Inhaberin mehrerer Tankstellen. Herst kaufte regelmäßig Kraftstoff von in der Tschechischen Republik mehrwertsteuerlich registrierten Lieferanten, die wiederum den Kraftstoff ihrerseits von Raffinerien in anderen Mitgliedstaaten erwarben. Den Transport des Kraftstoffes von den Raffinerieterminals nach Tschechien übernahm Herst. Dabei wurde Herst von den Lieferanten das Terminal der Raffinerien, das Datum und gegebenenfalls der Zeitpunkt der Beladung (usw) bekannt gegeben. Im Zuge des Transportes erfolgte nach Überschreitung der Grenze die Zollabfertigung und der Kraftstoff wurde verbrauchsteuerrechtlich in den freien Verkehr überführt. Anschließend setzte Herst die Beförderung bis zum Entladeort fort. Entladeorte waren zum einen die eigenen Tankstellen von Herst und zum anderen weitere Abnehmer.

Die Lieferanten stellten Herst tschechische Umsatzsteuer in Rechnung und Herst machte für diese Lieferungen den Vorsteuerabzug geltend. Nach Ansicht der tschechischen Finanzbehörde bewirkten die Lieferanten aber steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an Herst, sodass Herst der Vorsteuerabzug versagt wurde.

Das Amtsgericht von Prag legte dem EuGH (C-401/18) in diesem Zusammenhang ua die Frage vor, ob die Verfügungsmacht über die Waren von den Raffinerien an die Lieferanten übergeht, wenn die Lieferanten über die Waren nicht physisch verfügen und dem Abnehmer Herst lediglich den Zugang zu den Waren vermitteln, die Informationen für die Übernahme mitteilen und Herst die Beförderung der Waren selbst vornimmt.

Einleitend betonte der EuGH in seinem Urteil, dass eine der Voraussetzungen für das Bewirken eines innergemeinschaftlichen Erwerbs das Recht, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen auf den Erwerber zu übertragen, ist. Die Beurteilung der Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen ist unabhängig von nationalen Definitionen vorzunehmen. Auch ein physisches Verfügen über den Gegenstand, die Beförderung oder der Empfang des Gegenstandes sind nicht Voraussetzung für die Übertragung der Verfügungsmacht. Aus diesen Gründen kann die Beförderung des Kraftstoffes allein nicht entscheidend für die Eigentumsübertragung zum Zeitpunkt der Beförderung sein.

Mit der Übertragung der Verfügungsmacht kann der Eigentümer Entscheidungen treffen, die eine Auswirkung auf das weitere rechtliche Situation des betreffenden Gegenstands haben. Für die Bestimmung, welche Lieferung in einem Reihengeschäft als bewegte Lieferung zu qualifizieren ist, ist eine umfassende Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Im Rahmen dieser Würdigung ist uA feststellen, zu welchem Zeitpunkt die Verfügungsmacht an den Endabnehmer übertragen wurde. Diese zeitliche Komponente kann jedoch nicht entscheidend sein, wenn die Befähigung wie ein Eigentümer über den Kraftstoff zu verfügen während der Beförderung mehrfach aufeinanderfolgend übertragen wurde.

Weitere Anhaltspunkte der umfassenden Würdigung durch das tschechische Gericht können sein, dass Herst den Transport mit den eigenen Fahrzeugen organisiert hat. Auch die Kostentragung der Beförderung könnte bei der Würdigung berücksichtigt werden. Nicht ausschlaggebend ist indes, dass die Beförderung des Kraftstoffes im Verfahren der Steueraussetzung erfolgte.

Anmerkung:

Auch in diesem Fall weicht der EuGH nicht von seiner stRsp ab. Im Gegensatz zur Generalanwältin Kokott, die das entscheidende Kriterium für die Zuordnung der bewegten Lieferung in der Gefahrtragung des zufälligen Unterganges der Waren während des Transportes sah, spricht sich der EuGH nicht für ein solch festgelegtes Kriterium aus. Der EuGH hält weiterhin an der umfassenden Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls fest. Im Zuge dieser Würdigung spielen u.a. die Feststellung des Zeitpunktes der Übertragung der Verfügungsmacht und die Transportveranlassung eine Rolle.

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