Tax News: VwGH: Keine Abgabenhinterziehung bei ausländischen Kapitalerträgen – Nachweisführung Vorsatz missglückt

VwGH: Keine Abgabenhinterziehung

Die Beurteilung, ob eine Abgabe hinterzogen wurde, verlangt eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare Feststellungen über die Hinterziehung. Allgemeine Ausführungen zu Vorsatz und Rechtsirrtum werden dem nicht gerecht. Verwenden Finanzamt/BFG standardisierte Stehsätze und Textbausteine ohne Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes, hat dies die Rechtswidrigkeit des Bescheides/Erkenntnisses zur Folge.

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Für den Inhalt verantwortlich

Fritz Fraberger

Partner, Tax

KPMG Austria

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1. Nichterklärung ausländischer Kapitalerträge
 
  • Die Steuerpflichtige verfügte ab 2003 über ein Schweizer Depot. Sie nahm an, dass die Kapitalerträge nur in der Schweiz steuerpflichtig und mit dem dort erfolgten Quellsteuerabzug endbesteuert seien. Eine Aufnahme in die österreichische ESt-Erklärung erfolgte nicht
  • 2016 wurde eine Selbstanzeige eingebracht. Das Finanzamt nahm das Jahr 2006 wieder auf (§ 303 BAO) und erließ einen ESt-Bescheid. Dies war nur möglich, da es von vorsätzlicher Abgabenhinterziehung ausging (§ 207 Abs 2 BAO; 10jährige Verjährungsfrist). Dies ist eine Vorfrage im Abgabenverfahren, welche kein Finanzstrafverfahren   voraussetzt. Eine Selbstanzeige steht dem nicht entgegen.
  • In der Bescheidbeschwerde wurde vorgebracht, dass aus der Erstattung der Selbstanzeige allein nicht gefolgert werden könne, dass vorsätzlich gehandelt wurde. Die Abgabepflichtige sei als steuerlicher Laie, der Annahme gewesen, dass mit dem Quellensteuerabzug in der Schweiz Endbesteuerung verbunden sei und auch in Österreich sämtliche   Pflichten erfüllt wären: Es lag ein den Vorsatz ausschließender Rechtsirrtum vor und 2006 sei verjährt. Ihr könne nur der Vorwurf gemacht werden, keinen fachkundigen Rat eingeholt zu haben.

 

2. Kein Erfolg im BFG-Verfahren, BFG 8.5.2019, RV/7103872/2018

Abweisung Bescheidbeschwerde durch das BFG als unbegründet – Qualifikation des Rechtsirrtums als Schutzbehauptung:

  • Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei anzunehmen, dass derjenige, der über ein größeres Vermögen verfüge, von der potenziellen Steuerpflicht anfallender Erträge wisse.
  • Die Kenntnis über das Bestehen der Steuerpflicht könne jedenfalls bei einer intellektuell durchschnittlich begabten Person vorausgesetzt werden. Dies müsse umso mehr gelten, da die Steuerpflichtige ein Medizinstudium abgeschlossen habe.
  • Ausschlaggebend sei, dass die Kapitalveranlagung und die erzielten Erträge gegenüber dem österr Finanzamt gänzlich verschwiegen wurden.
  • Seit 2004 würde in der Öffentlichkeit eine Diskussion betreffend die Besteuerung von in der Schweiz angelegtem Vermögen geführt.

Bereits das Unterlassen einer zumutbaren Erkundigung über die Versteuerung stelle ein Verschulden dar, welches das Vorliegen eines „unentschuldbaren“ Irrtums ausschließe und die Anwendung der 10jährigen Verjährungsfrist nach sich ziehe.

 

3. VwGH-Beschwerde erfolgreich, VwGH 11.12.2019, Ra 2019/13/0091

Aufhebung des BFG-Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften:

  • Dem BFG-Erkenntnis ermangelt es an expliziten Sachverhaltsfeststellungen sowie beweiswürdigenden Erwägungen zum Vorsatz. Mit diesen Fragen setzt sich das BFG nur im Rahmen der rechtlichen Beurteilung und somit an falscher Stelle auseinander (Rz 27).

Die Ausführungen des BFG sind mehrdeutig und lassen nicht erkennen, ob ein „unentschuldbarer“ Rechtsirrtum angenommen oder ein Rechtsirrtum gänzlich ausgeschlossen wird. Die Unklarheit ist dem Mangel an Sachverhaltsfeststellungen geschuldet. Bereits das Vorliegen eines „unentschuldbaren“ Irrtums, mangels Einholung fachkundigen Rats, würde zum Entfall des Vorsatzes und zur Verjährung führen (Rz 29).

 

4. Conclusio

Zur Begründung, dass eine vorsätzliche Abgabenhinterziehung vorliegt, greift die Finanzverwaltung in der Praxis in hohem Maße auf standardisierte Aussagen und Textbausteine zurück. Dagegen verlangt der VwGH eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare Feststellungen.

In der Vergangenheit sind ähnlich gelagerte Fälle zu ausländischen Kapitalerträgen vor dem VwGH durchwegs gescheitert (zB VwGH 19.12.2018, Ra 2017/15/0072). Da im gegenständlichen Fall Finanzamt und BFG eine belastbare Erhebung des Sachverhaltes gänzlich unterließen, hat der VwGH nun erstmals ein BFG-Erkenntnis zu einer vorsätzlichen Abgabenhinterziehung bei ausländischem Kapitalvermögen wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Darüber hinaus stellt der VwGH klar: Das Vorliegen eines Rechtsirrtums schließt Vorsatz jedenfalls aus: sowohl „entschuldbarer“ als auch „unentschuldbarer“ Rechtsirrtum haben die Nichtanwendung der 10jährigen Verjährungsfrist zur Folge.

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