Tax News: EuGH: Identitätsnachweis des Empfängers ist keine Voraussetzung für steuerfreie Ausfuhrlieferung

EuGH: Identitätsnachweis des Empfängers

Der EuGH hat im Urteil vom 17. Oktober 2019 (C-653/18 Unitel) entschieden, dass ein nicht identifizierter Empfänger im Drittland grundsätzlich nicht dazu führen muss, dass es sich um keine Ausfuhrlieferung handelt und damit auch keine Steuerbefreiung anwendbar ist.

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Esther Freitag

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Unitel ist eine Gesellschaft mit Sitz in Polen, die Mobilfunktelefone an zwei ukrainische Unternehmen verkaufte. Die Mobiltelefone wurden als Ausfuhrware in Drittländer gemeldet. In einer Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass die Gegenstände nicht von den auf den Rechnungen genannten Unternehmen, sondern von anderen Unternehmen erworben wurden. Unitel hätte laut der Steuerbehörde die Befreiung für Ausfuhrlieferungen nicht anwenden dürfen.

Weiters wurde vom polnischen Verwaltungsgericht festgestellt, dass einer der beiden Empfänger eine sog „Strohfirma“ sei, die verwendet wurde um den tatsächlichen Empfänger zu verschleiern und um Steuerbetrug an den polnischen und ukrainischen Steuerbehörden zu begehen. Das andere auf der Rechnung angeführte Unternehmen sei nicht der Wirtschaftsteilnehmer, der die Telefone von Unitel erworben habe.

Die nationale polnische Praxis versagt immer dann die Steuerbefreiung, wenn bei Ausfuhrlieferungen der Empfänger der Gegenstände nicht die auf der Rechnung genannten Person, sondern ein anderer – nicht identifizierbarer – Empfänger, ist. Dem EuGH wurde die Frage vorgelegt, ob eine solche Vorgangsweise unionsrechtskonform ist. Der EuGH setzte sich in diesem Zusammenhang auch mit der Frage auseinander, wie sich ein im Drittland begangener Betrug auf die Anwendung des Rechts der Steuerbefreiung von Unitel auswirkt.

Der EuGH führte aus, dass gem Art 146 Abs 1 MwStSyst-RL Lieferungen von Gegenständen, die außerhalb der Union versandt oder befördert werden, von der Steuer befreit sind. Die Befreiung ist in Verbindung mit Art 14 MwStSyst-RL zu sehen, wonach als Lieferung von Gegenständen die Übertragung der Befähigung gilt, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.

Für die Qualifikation als Ausfuhr von Gegenständen gibt es objektiv zu prüfende Kriterien: Einerseits wird das Recht, wie ein Eigentümer über die Sachen zu verfügen auf den Erwerber übertragen. Andererseits weist der Lieferant nach, dass der Gegenstand an einen Ort außerhalb der Union versandt oder befördert wurde. Drittens müssen die Waren die Union physisch verlassen haben.

Die Tatsache, dass die Waren von einem anderen als auf der Rechnung angeführten Empfänger erworben wurden, schließt diese objektiven Kriterien nicht aus. Aus diesem Grund kann die Steuerbefreiung nicht von der Identifikation des Empfängers alleine abhängig gemacht werden.

Weiters betonte der EuGH, dass die Mitgliedstaaten die korrekte Anwendung der Befreiung sicherstellen müssen und Bedingungen zur Verhinderung von Missbrauch, Steuerumgehung und Steuerhinterziehung festlegen dürfen. Diese nationalen Einschränkungen müssen jedoch verhältnismäßig sein.

Gemäß dem Neutralitätsprinzip steht die Steuerbefreiung auch zu, wenn der Steuerpflichtige die materiellen Voraussetzungen nachweisen kann, jedoch nicht die formellen Voraussetzungen. Nur in zwei Fällen kann die Nichteinhaltung der formellen Voraussetzungen zur Versagung der Steuerbefreiung führen: Einerseits, wenn der Verstoß gegen eine formelle Anforderung den sicheren Nachweis verhindert, dass die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind. In dem vorliegenden Fall ist es unstrittig, dass die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Forderung der Steuerbehörde, dass der Empfänger identifiziert werden muss verstößt demnach gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und Neutralität.

Zweitens darf sich ein Unternehmer, der sich vorsätzlich an einer Steuerhinterziehung beteiligt hat, nicht auf den Grundsatz der Steuerneutralität berufen. Die Befreiung ist zu versagen, wenn der Steuerpflichtige wusste, oder hätte wissen müssen, dass der Umsatz mit einer Steuerhinterziehung verknüpft war. In dem vorliegenden Fall wurde jedoch der Betrug laut dem polnischen Gericht ausschließlich im Gebiet eines Drittlandes begangen. Der EuGH betonte, dass diese Tatsache nicht ausschließen kann, dass der Betrug nicht doch zum Nachteil des europäischen Mehrwertsteuersystems durchgeführt wurde. Es unterliegt der Prüfung des vorlegenden Gerichts, ob der Betrug nachteilige Auswirkungen auf das EU-MwSt-System hat und der Steuerpflichtige von dem Betrug wusste oder hätte wissen müssen.

Abschließend wurde der EuGH mit der Frage befasst, wie der Umsatz zu beurteilen ist, wenn die Befreiung für Ausfuhrlieferungen versagt wird. Sofern keine Lieferung im Inland und keine steuerbefreite Ausfuhrlieferung ausgeführt worden ist, liegt laut EuGH weder ein steuerbarer Umsatz vor, noch steht dem Steuerpflichtigen der Vorsteuerabzug zu.

Anmerkung:

Einerseits betont der EuGH die Anwendbarkeit der europäischen Umsatzsteuerregelungen ausschließlich in der EU. Es ist für das europäische Mehrwertsteuersystem zu prüfen, ob ein im Drittland bewirkter Betrug Auswirkungen auf das europäische Mehrwertsteuersystem hat. Ist dies nicht der Fall verneint der EuGH die Steuerbarkeit und damit kann auch keine Befreiung anwendbar sein. 

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