Tax News: BFH: Keine Versagung des VSt-Abzuges bei Beteiligung an fremden „Mehrwertsteuerbetrug“ ohne Feststellungen der Finanzbehörde zu diesem fremden „Mehrwertsteuerbetrug“

BFH: Keine Versagung des VSt-Abzuges

Der deutsche Bundesfinanzhof (BFH) hatte sich in seinem Beschluss vom 3. Juli 2019 (XI B 17/19) mit der Frage zu befassen, ob die Versagung des VSt-Abzuges bei „unterstellter“ Beteiligung an fremden „Mehrwertsteuerbetrug“, ohne dass die Finanzbehörde Feststellungen zum fremden „Mehrwertsteuerbetrug“ getroffen hat, rechtmäßig ist.

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Esther Freitag

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Der Kläger betreibt neben einem Großhandel mit Schmuck, Textilien und Kosmetik seit dem Streitjahr 2010 auch einen Handel mit Altgold. Dabei erwarb er das Altgold von vier Großlieferanten (A, M, S und T). Nach den Feststellungen des Finanzgerichts Baden-Württemberg kaufte eine Bank dieses Anlagegold, wobei der Kläger das Gold physisch zu einer Scheideanstalt (an der die Bank beteiligt ist) verbrachte. Der Gegenwert wurde dabei einem Edelmetallkonto gutgeschrieben, mit dem der Kläger seine Lieferanten bezahlte.

Seit dem Zeitpunkt des Beginns des Altgoldhandels durch den Kläger im Jahr 2010 stiegen dessen Umsätze vom 1. Quartal 2010 iHv ca 15.000 EUR, im 2. Quartal auf ca 105.000 EUR und im 3. Quartal auf ca 6 Mio. EUR an. Im August 2010 erstattete die Bank eine Geldwäsche-Verdachtsanzeige gegen den Kläger und nahm kein Altgold vom Kläger mehr an. Der Kläger lieferte sodann sein Altgold an D. In seinen UVAs erklärte der Kläger die Lieferungen zum Regelsteuersatz und machte den Vorsteuerabzug aus den Lieferungen von A, M, S und T geltend.

Nach Feststellung des Finanzamtes sei der Kläger kein Unternehmer und nicht der wahre Lieferer des Altgolds. Auch A, M, S und T seien nicht die wahren Lieferer des Altgolds. Diese Feststellung des Finanzamts beruhte darauf, dass die Rechnungen und Gutschriften erhebliche Formfehler aufwiesen. Deshalb schulde der Kläger die Umsatzsteuer kraft Rechnungslegung und sei nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt (§ 14c Abs 2 dUStG – Anmerkung: Vgl. in Österreich § 11 Abs 14 öUStG „unberechtigter Steuerausweis“).

Das Finanzgericht Baden-Württemberg folgte der Ansicht des Finanzamtes nicht und lies den Vorsteuerabzug aus der Lieferung mehrerer kleiner Vorlieferanten zu, da der Kläger Unternehmer sei. Auch die Formalfehler in den Rechnungen der Lieferanten A, M, S und T rechtfertigen die Verweigerung des Vorsteuerabzuges nicht. Es entschied jedoch, dass der Vorsteuerabzug für die Altgoldlieferungen von A, M, S und T zu versagen sei, weil der Kläger habe wissen können, dass die betreffenden Umsätze in einem „Mehrwertsteuerbetrug“ der Vorlieferanten einbezogen gewesen seien. Diese Beurteilung begründete das Finanzgericht ua aufgrund der

  • 57fachen Umsatzsteigerung;
  • Firmenbezeichnung der Vorlieferanten, die Anlass zu Nachforschung des Klägers geboten hätte;
  • erheblichen Mengen an Gold die geliefert wurden, für die keine „Sicherheit bestanden habe“.

Worin der „Mehrwertsteuerbetrug“ tatsächlich liege und ob Vorsatz des Klägers vorliege, hat das FG nicht festgestellt.

Der Kläger erhob Beschwerde und machte ua als Verfahrensfehler geltend, dass das Finanzgericht nicht aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens entschieden habe.

Der BFH führt in seinen Entscheidungsgründen im Wesentlichen aus, dass das Finanzgericht das „vorsteuerabzugsschädliche“ Verhalten der Vorlieferanten, also den „Mehrwertsteuerbetrug“ nicht festgestellt hat. Auch das missbräuchliche oder betrügerische Nichtentrichten der Steuer der Vorlieferanten ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH unschädlich für den Vorsteuerabzug der Klägerin. Zudem stelle die alleinige „Nichtentrichtung“ von Mehrwertsteuer nach dem EuGH keinen Betrug (iSd AEUV; sondern eine „rechtswidrige Handlung“) dar.

Nach dem BFH muss daher „für die Annahme eines „Mehrwertsteuerbetruges“ durch missbräuchliche oder betrügerische Nichtentrichtung der Steuer zur Nichtabführung andere objektive Anhaltspunkte hinzutreten“. Eine reine Unterstellung solcher Anhaltspunkte wie im Streitverfahren durch das Finanzgericht reicht dabei nicht aus. Die von FG getroffene Annahme, dass der Kläger vom „Betrug“ hätte wissen können bzw. müssen reicht nicht dafür aus. Das FG hätte feststellen müssen, worin dieser „Betrug“ bestanden habe.

Das FG verletzt daher § 96 dFGO (freie Beweiswürdigung und Urteilsinhalt) wenn zu einer Sachverhaltsunterstellung tatsächliche Feststellungen fehlen. Zur Versagung des Vorsteuerabzuges hätte das Finanzgericht feststellen müssen, welchen Mehrwertsteuerbetrug der leistende Unternehmer begangen haben soll. 

Anmerkung:

Der BFH bestätigt die ständige Rechtsprechung des EuGH, dass die bloße Nichtentrichtung der Steuer keinen „Mehrwertsteuerbetrug“ im Sinne der EuGH Rechtsprechung darstellt, solange keine zusätzlichen Umstände hinzukommen und der Betroffene maßgeblichen von diesen wusste oder hätte wissen müssen.

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