Tax News: EuGH bejaht rückwirkende Anwendung der AGVO 651/2014 –Einschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe ab 2011 wohl unionsrechtskonform

EuGH bejaht rückwirkende Anwendung der AGVO 651/2014

In seiner Entscheidung vom 14.11.2019 in der Rs „Dilly’s Wellnesshotel II“ (C-585/17) folgt der EuGH inhaltlich der in den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 14.02.2019 vertretenen Ansicht (siehe dazu bereits den Tax News Beitrag 04-05/2019). Die durch den nationalen Gesetzgeber mit dem BBG 2011 vorgenommene Einschränkung der ENAV auf Produktionsbetriebe dürfte somit unionsrechtskonform zustande gekommen sein. Zwar bleibt die finale Entscheidung des VwGH, der den EuGH mit Beschluss Ro 2016/15/0041 vom 14.09.2017 mit den Fragen zur ENAV befasst hat, abzuwarten, es scheint sich jedoch abzuzeichnen, dass – entgegen der jüngsten Rechtsprechung des BFG – Dienstleistungsbetrieben für Zeiträume ab 2011 keine ENAV zustehen dürfte.

1000

Für den Inhalt verantwortlich

Climber

Zur Vorgeschichte

Die Frage, ob die Einschränkung der Energieabgabenvergütung (ENAV) auf Produktionsbetriebe mit dem BBG 2011 unionsrechtskonform zustande gekommen ist, beschäftigt Rechtsprechung und Praxis schon seit längerem (siehe dazu bereits unsere Tax News 04-05/2019, Tax News 11/2017). Umstritten ist dabei, ob die durch das BBG 2011 in § 2 Abs 1 EAVG eingefügte Beschränkung des ENAV-Anspruches auf Produktionsbetriebe unionsrechtskonform zustande gekommen ist. § 4 Abs 7 EAVG macht die Geltung von § 2 EAVG idF BBG 2011 von der Genehmigung der Europäischen Kommission abhängig.

Beihilfen iSd Art 107 – 109 AEUV sind grundsätzlich bei der Kommission anzumelden bzw genehmigen zu lassen. Für gewisse Gruppen von Beihilfen normiert die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) jedoch Ausnahmen von der Anmeldepflicht. Seit 01.07.2014 ist dabei die AGVO 651/2014 anstelle der AGVO 800/2008 in Kraft.

In der Rs „Dilly’s Wellnesshotel I“ vom 21.07.2016 (C-493/14) entschied der EuGH, dass die Einschränkung der ENAV auf Produktionsbetriebe mangels ausdrücklichem Verweis auf die AGVO 800/2008 nicht von der in Art 108 Abs 3 AEUV geregelten Anmeldepflicht einer Beihilfe befreit werden kann.

Das BFG Linz (03.08.2016, RV/5100360/2013) entschied daraufhin, dass folglich auch für Dienstleistungsbetriebe für den Zeitraum ab 2011 bis (wohl) 31.12.2014 eine ENAV zusteht. Auch das BFG Salzburg (30.01.2019, RV/6100612/2017) kam im Ergebnis zum selben Schluss.

Gegen die Entscheidung des BFG Linz wurde Amtsrevision eingelegt, die der VwGH mit seinem Beschluss Ro 2016/15/0041 vom 14.09.2017 dem EuGH vorgelegt hat.

Der VwGH fragt dabei inhaltlich

  • ob die Einschränkung des Begünstigtenkreises einer genehmigten Beihilferegelung in einem Fall wie bei der ENAV eine (grundsätzlich) anmeldepflichtige Umgestaltung einer Beihilferegelung darstellt (Frage 1),
  • ob das beihilfenrechtliche Durchführungsverbot des Art 108 Abs 3 AEUV durch einen Formfehler bei der Anwendung der AGVO 800/2008 zur Unanwendbarkeit einer Beihilfeneinschränkung führen kann, sodass im Ergebnis eine Zahlungsverpflichtung an bestimmte Beihilfeempfänger ("Durchführungsgebot") entsteht (Frage 2), sowie
  • ob die Einschränkung der ENAV auf Produktionsbetriebe aufgrund einer rückwirkenden Anwendbarkeit der AGVO 651/2014 auch für den Zeitraum ab 2011 gedeckt ist (Fragen 3a und 3b).

Entscheidung des EuGH

In der Rs „Dilly’s Wellnesshotel II“(C-585/17) ist nun am 14.11.2019 die Entscheidung des EuGH ergangen. Dabei führt der EuGH (inhaltlich) aus, dass:

  • die Einschränkung des Begünstigtenkreises einer Beihilferegelung grundsätzlich einer Anmeldepflicht iSd Art 108 Abs 3 AEUV unterliegt (Frage 1),
  • Art 58 Abs 1 der AGVO 651/2014 dahin auszulegen ist, dass Beihilfen wie die ENAV, die vor Inkrafttreten der AGVO 651/2014 gewährt wurden, von der Anmeldepflicht iSd Art 108 Abs 3 AEUV freigestellt werden können (Frage 3b) bzw dass Art 44 Abs 3 der AGVO 651/2014 eine Beihilferegelung wie die ENAV umfasst. (Frage 3a)

Der EuGH beantwortet dabei zuerst die vorgelegten Fragen 1 und 3 und muss aufgrund der Antworten auf diese Fragen die ihm gestellte Frage 2 nicht mehr beantworten.

Folgen der EuGH-Entscheidung

Aufgrund der EuGH-Entscheidung ist vom VwGH die endgültige Klärung zu erwarten, dass die vom Gesetzgeber mit BBG 2011 vorgenommene Einschränkung der ENAV auf Produktionsbetriebe unionsrechtkonform zustande gekommen ist und demzufolge Dienstleistungsbetrieben für Zeiträume ab 2011 keine ENAV zusteht.

Der EuGH geht in seiner Entscheidung von einer rückwirkenden Anwendbarkeit der AGVO 651/2014 auch für eine Beihilfe wie die ENAV aus. Die AGVO 651/2014 gelte auch für vor ihrem Inkrafttreten gewährte Einzelbeihilfen, sofern diese alle Voraussetzungen der AGVO 651/2014 (ausgenommen Art 9) erfüllen. Die ENAV ist dabei nach Ansicht des EuGH mit Art 44 Z 3 AGVO 651/2014 vereinbar und erfüllt somit die Voraussetzungen der AGVO 651/2014. Folglich ergibt sich, dass die mit BBG 2011 erfolgte Umgestaltung der ENAV aufgrund der Anwendbarkeit der AGVO 651/2014 von einer Anmeldepflicht befreit werden kann.

Die vom EuGH in seiner Entscheidung vom 21.7.2016 in der Rs „Dilly’s Wellnesshotel I“ (C-493/14) getroffene Aussage, wonach die ENAV nicht von der Anmeldepflicht nach der AGVO 800/2008 befreit ist, kann nach Ansicht des EuGH nicht verhindern, dass eine Regelung die Voraussetzungen erfüllt, um von der AGVO 651/2014 erfasst zu sein.

Der EuGH betont in seiner Entscheidung ferner, dass er die nicht erfolgte beihilfenrechtliche Anmeldung der mit dem BBG 2011 erfolgten ENAV-Umgestaltung bei der Kommission als Prämisse für seine Entscheidung heranzieht, ohne dabei selbst die Richtigkeit dieser Prämisse zu überprüfen (Rn 47f der Entscheidung). Ebenso geht der EuGH davon aus, dass die nationale EAVG-Rechtslage vor BBG 2011 eine von der Kommission stillschweigend genehmigte Beihilfe darstellt. Der EuGH betont jedoch auch hier, dass die Gültigkeit dieser Annahme nicht geprüft wird (Rn 53 der Entscheidung).

Fazit

Durch die Entscheidung des EuGH dürften die Würfel in der „Energieabgabenvergütungs-Saga“ nun wohl endgültig gefallen sein. Zwar bleibt die finale Entscheidung des VwGH noch abzuwarten, es ist jedoch davon auszugehen, dass für Zeiträume ab 2011 keine ENAV für Dienstleistungsbetriebe in Betracht kommt. Somit dürfte auch die eine ENAV für Dienstleister bejahende Rechtsprechung des BFG (BFG Salzburg, 30.01.2019, RV/6100612/2017; BFG Linz 03.08.2016, RV/5100360/2013) obsolet sein.

So kontaktieren Sie uns