Tax News: Kein voller Vorsteuerabzug für gemischte Vorleistungen trotz Fehlen nationaler Regelungen

Kein voller Vorsteuerabzug

Der EuGH hat im Urteil vom 8. Mai 2019, C-566/17, Związek Gmin Zagłębia Miedziowego, ausgesprochen, dass das Fehlen einer nationalen Regelung bezüglich des Vorsteuerabzugs im Zusammenhang mit wirtschaftlichen als auch nicht-wirtschaftlichen Tätigkeiten, nicht zur Zulässigkeit des vollständigen Abzuges dieser gemischten Vorleistungen führen darf.

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Esther Freitag

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Ein polnischer Gemeindeverband erfüllte einerseits bestimmte öffentliche Aufgaben, für die er mit einer von den Gemeinden erhobenen Gebühr finanziert wird. Neben diesen nicht-wirtschaftlichen Tätigkeiten erbrachte der Gemeindeverband ab dem Jahr 2013 auch Dienstleistungen an Privatpersonen, welche wirtschaftliche Tätigkeiten darstellen, die unter das gemeinsame Mehrwertsteuersystem fallen.

Fraglich war für den Gemeindeverein, wie seine gemischten Ausgaben, also jene die weder ausschließlich seiner nicht-wirtschaftlichen Umsätze noch seiner wirtschaftlichen Umsätze zugeordnet werden können, umsatzsteuerlich zu behandeln sind. Er beantragte daher eine Einzelfallauslegung bei der polnischen Finanzbehörde. Die Finanzbehörde vertrat die Auffassung, dass der Gemeindeverband bei diesen gemischten Ausgaben in zwei Stufen vorgehen muss: In einem ersten Schritt sei er verpflichtet, eine Zuordnung der Vorsteuern vorzunehmen, um den mit seiner wirtschaftlichen Tätigkeit verbundenen Betrag dieser Steuer zu ermitteln. Mangels einschlägiger nationaler Rechtsvorschriften sei es Sache des Steuerpflichtigen, eine geeignete Methode diesbezüglicher Aufteilung zu wählen. In einem zweiten Schritt soll für die im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zugeordneter Vorsteuern der Pro-rata-Satz angewendet werden.

Der Gemeindeverband brachte in seiner Klage auf Aufhebung dieser Einzelfallauslegung zum einen vor, dass er nicht verpflichtet sei, eine Methode zur Zuordnung der Vorsteuer auf gemischte Ausgaben anzuwenden, da das Gesetz keine diesbezügliche Regelung vorsehe. Zum anderen könne das Abzugsrecht für diese Ausgaben nicht über den Pro-rata-Satz hinaus beschränkt werden. Das vorlegende Gericht war zwar insoweit der Ansicht, dass das polnische Mehrwertsteuerrecht tatsächlich (bis 1.1.2016) keine Regelung zur Aufteilung der Vorsteuern für gemischte Ausgaben vorsah. Es verweist aber auf ein Urteil des obersten Verwaltungsgerichts in Polen, das bereits im Jahr 2011 davon ausgegangen ist, dass nach nationalem Recht ein Anspruch auf vollständigen Vorsteuerabzug für solche gemischten Ausgaben zustehen müsse. Er leitete dies aus Art 217 polnischer Verfassung ab, welcher den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Bereich der Erhebung von Steuern normiert. Das vorlegende Gericht bezweifelte jedoch, ob eine solche Auslegung mit Art 168 MwStSyst-RL vereinbar ist.

Der EuGH weist in seiner Beurteilung (C-566/17) eingangs auf die allgemeinen Rechtsgrundlagen zum Vorsteuerabzug hin, insbesondere auf Art 168 lit a MwStSyst-RL und wiederholt seine ständige Rechtsprechung, wonach der Vorsteuerabzug (ua) nur dann gegeben ist, wenn der Steuerpflichtige als solcher einen Gegenstand erwirbt und für Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeit verwendet. Nach dem EuGH ist das Recht auf Vorsteuerabzug und der Umfang dieses Rechts genau definiert und lässt den Mitgliedstaaten, was ihre Durchführung angeht, keinen Ermessensspielraum. Zum Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzuges stellt der EuGH klar, dass diese Regelungen ausschließlich die Vorsteuern auf Aufwendungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Umsätzen betreffen.

Zu den Methoden und der Kriterien für die Aufteilung der Vorsteuerbeträge zwischen wirtschaftlichen und nicht-wirtschaftlichen Tätigkeiten bestätigt der EuGH, dass die MwStSyst-RL diesbezüglich keine Regelungen vorsieht. Die Mitgliedstaaten haben daher einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Wahl solcher Kriterien oder Methoden für die Aufteilung. Diese müssen dabei den Zweck und die Systematik der Mehrwertsteuerrichtlinie berücksichtigen und daher eine Berechnungsweise vorsehen, die objektiv eine richtige Zuordnung sicherstellen.

Zum Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung stellt der EuGH fest, dass dieser zwar verlangt, dass jede Pflicht zur Entrichtung einer Steuer sowie alle wesentlichen Elemente, die die materiell-rechtlichen Aspekte der Steuer ausmachen, vom Gesetz vorgesehen sein müssen. Der Grundsatz verlange hingegen nicht, dass alle technischen Aspekte der Besteuerung erschöpfend geregelt sein müssen. Nach dem EuGH ist die Frage, welche Aspekte der Mehrwertsteuer gesetzlich bestimmt sein müssen, anhand des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung zu prüfen. Nicht entscheidend dabei ist die Auslegung dieses allgemeinen Grundsatzes des Unionsrechts im nationalen Recht. Die nationalen Gerichte sind zu einer so weit wie möglichen unionsrechtskonformen Auslegung verpflichtet. Dabei darf eine solche Auslegung aber nicht zu einer mit dem eindeutigen Inhalt einer Regelung des nationalen Rechts unvereinbaren Auslegung führen.

Aus diesen Gründen kommt der EuGH zum Ergebnis, dass das Fehlen diesbezüglicher nationaler Steuervorschriften nicht bedeute, dass ein vollständiges Abzugsrecht für gemischte Ausgaben zustehe. Dies würde gegen den Neutralitätsgrundsatz verstoßen.

Anmerkung:

Die Mitgliedstaaten haben ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Wahl der Kriterien oder Methoden für die Aufteilung von Vorsteuern im Zusammenhang mit gemischten Ausgaben. Hat ein Mitgliedstaat keine solche Regelungen getroffen, führt dies nach dem EuGH nicht dazu, dass sich der Steuerpflichtige auf die günstigere nationale Regelung berufen kann, die durch das „nicht-Regeln“ des Mitgliedsstaat entstanden ist. 

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