Kurz vor „Go-Live“ von IFRS 9 wird im Kreditrisikomanagement heiß diskutiert: Über die Validierung des Expected Credit Loss und die Aufnahme von weiten Teilen des IFRS 9 in die aktuellen Stress Testing-Übungen der EBA/EZB. Fraglich ist, wie eine angemessene Validierung aussehen könnte und wie man sicherstellt, dass die Datentemplates, die man im Zuge dessen an EBA/EZB übergibt, vollständig und sinnvoll abstimmbar sind.
Die methodischen und konzeptionellen Anforderungen bei der Validierung von IFRS 9 sind gestiegen: Bei der Risikovorsorgeermittlung nach IAS 39 stand regelmäßig ein Backtesting im Vordergrund. Das betraf jedoch aufgrund der Fokussierung des Modells auf incurred losses im Wesentlichen das ausgefallene Portfolio (bzw über die Identifikation des „IBNR“-Teil das Lebendgeschäft). Ebenso betraf es jene Vorsorgen, die auf statistischen Methoden basieren, und üblicherweise über gesonderte Prozesse evaluiert wurden (zB bei IRB-Banken über die regulatorischen Validierungen).
Neue Vorgaben der EBA
Die European Bank Authority (EBA) hat nun in ihrer „Guideline on credit institutions credit risk management practices and accounting for expected credit losses“ konkrete Vorgaben zu den Anforderungen an eine adäquate IFRS 9-Validierung erstellt. Hauptziel ist es, die Genauigkeit und Konsistenz der verwendeten Modelle zur Bestimmung des Kreditrisikos und zur Berechnung des ECLs validieren zu können. Die Validierung soll folgende Bereiche umfassen:
Neben umfangreichen Dokumentationsanforderungen werden auch Governance-Themen adressiert. So soll die Modellvalidierung etwa unabhängig von der Entwicklung passieren. In der Guideline wird außerdem von den Instituten gefordert, dass der Validierungsprozess selbst durch unabhängige Parteien einem Review unterzogen wird (interne oder externe Stellen).
Institute müssen sich nun überlegen, wie sie diesen Anforderungen nachkommen können. Die verschiedenen Aspekte könnten in eine qualitative Validierung sowie eine quantitative Validierung unterteilt werden.
Qualitative und quantitative Validierung
Die qualitative Validierung umfasst die Analyse der Angemessenheit der verwendeten Methoden und Modelle. Der Fokus wird auf die Performance der geschätzten Kreditrisikoparameter sowie des berechneten ECLs gelegt. Dies wird mittels statistischer Tests, Abstandsmaße und anderer Verfahren eingeschätzt. Die Validierung der Datenbasis durch Einschätzung der Qualität und Verfügbarkeit der Daten, sowie die Durchführung von Qualitäts- und Plausibilitätschecks, erstreckt sich auf beide Aspekte.
Erweiterung bestehender Konzepte
Sinnvoll ist es, bei der Validierung der IFRS 9-Modellierung auf bereits bestehende Validierungsprozesse zurückzugreifen (zB Validierung/Evaluierung von internen Ratingsystemen und regulatorischer Risikoparameter). Aufgrund wesentlicher konzeptioneller Unterschiede zwischen regulatorischen Risikoparametern und IFRS 9-Kreditrisikoparametern ist eine Überarbeitung und Erweiterung der bestehenden Konzepte notwendig:
Das Stress Testing der EBA
Am 7. Juni 2017 veröffentlichte die EBA Entwürfe ihrer Methodologie und Templates zum EU-weiten Stresstest 2018. Ziel des Stresstests ist es, die Widerstandsfähigkeit der EU-Banken unter einem makroökonomischen Basisszenario sowie einem adversen Szenario für den Zeithorizont 2018 bis 2020 zu untersuchen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Aufnahme des IFRS 9: Einerseits führt er zu wesentlichen methodischen Änderungen bei der Prognose des Kreditrisikos, andererseits beeinflusst er aber auch andere Risikobereiche (zB Marktrisiko).
Ausgangspunkt für den Stresstest sind die Zahlen zum 31. Dezember 2017. Diese müssen allerdings bereits die Auswirkungen von IFRS 9 beinhalten. Die Bereitstellung von IFRS 9-Zahlen vor Erstanwendung des Standards übt zusätzlichen Druck auf die laufenden IFRS 9-Projekte aus.
Grundlegende Annahmen bei der Umsetzung der Projektionen
Projektion der Stufentransfers
Die EBA Entwürfe sehen Projektionen der Stufentransfers zwischen den Stufen 1, 2 und 3 vor. Die Flüsse zwischen den Stufen sind zentrale Kenngrößen, die zusätzlich modelliert werden müssen. Grundlage dafür ist eine Quantifizierung der Wahrscheinlichkeit eines Stufentransfers: Je nach Konstruktion des Stufentransfer-Modells ist diese Wahrscheinlichkeit nicht automatisch aus dem ECL-Modell ableitbar und kann zu zusätzlichem Modellierungs- und Implementierungsaufwand führen. Die EBA Entwürfe beinhalten Einschränkungen bei den Stufentransfers: Ein Transfer aus Stufe 3 ist bspw nicht vorgesehen. Das heißt: Die Gesundung eines Kredites ist nicht möglich, was im Zuge der Implementierung innerhalb des bestehenden ECL-Tools berücksichtigt werden muss.
Diese Einschränkung kann zu Inkonsistenzen mit den verwendeten Kreditrisikomodellen und -tools führen. Eine frühzeitige Analyse dieser Lücken und zusätzlichen Annahmen ist empfehlenswert, um mögliche Adjustierungen in der Vorbereitungsphase durchführen zu können. Zusätzlich wird ein quantitatives Backstop-Kriterium für den Transfer in Stufe 2 definiert: Eine Verdreifachung der 12-Monats-PIT-PD (ie relativer Anstieg von +200 Prozent) verglichen mit der PIT-PD bei Zugang führt zu einem Transfer in Stufe 2. Eine Abstimmung der verwendeten Transferlogik mit diesem Backstop-Kriterium ist erforderlich.
Neue Herausforderung
Validierung und Stress Testing sind eng verknüpft mit dem Bilanzierungsstandard IFRS 9 und betreffen hier va das Kreditrisikomanagement. Die konzeptionellen Schwerpunkte des ECL-Modells (Lifetime-Perspektive, Berücksichtigung makroökonomischer Prognosen bzw zukunftsgerichteter Bedingungen und des Stufentransfers) stellt das Kreditrisikomanagement vor eine Herausforderung: Die Schwerpunkte in den aktuellen Validierungs- und Stress Testing-Prozess effektiv und effizient einzubetten.